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Ausgabe:

1923 Nr. 2

Spalte:

536-538

Autor/Hrsg.:

Wensinck, A. J.

Titel/Untertitel:

Mystic treatises by Issac of Nineveh 1923

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 25/26.

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läge des Römerbrieftextes anzugeben unterläßt. Das ist
aber nicht gleichgiltig; denn wenn danach seine Vorlage
etwa dem s. IX. angehörte, so kann man einige nicht
fehlerlose Zwischenglieder zwischen ihr und dem Original
annehmen und hieraus manche Varianten im Athos-*
text, auf die der Schreiber z. T. selbst in Scholien hinweist
(v. d. Goltz S. 9, 22 ff.), besser als der Verf. erklären
.

Die Untersuchung Bauernfeinds behandelt in 6 Abschnitten
1. den Römerbrief text der Athoshs. und kritisiert
besonders ihre nicht ausreichende Verwertung in
dem textkritischen Werke des Frh. H. von Soden, bespricht
2. das Verhältnis der Athoshs. zu den erhaltenen
griech. Römerbriefzitaten des Origenes, vergleicht 3.
und 4. die übrigen Textzeugen des N. Ts., besonders Min.
6. 47. 67**, mit dem Athostext und stellt 5. und 6. die Ergebnisse
fest. An diese Untersuchung (S. 1—89) schließt
sich der Athostext des Rom. mit Apparat an (S. 90 bis
119). Meine Prüfung hat ergeben, daß die Arbeit mit
Fleiß und Sorgfalt angefertigt, im ganzen auch korrekt
gedruckt und gut ausgestattet ist, was jetzt ein besonderes
Lob verdient. An der Behandlung des Themas
habe ich aber einige Ausstellungen zu machen.

Als das wichtigste Ergebnis seiner Untersuchung bezeichnet
Verf. selbst (S. 77) „die Erkenntnis, daß der Athostext des Rom.
viel weniger Eigentümlichkeiten des sog. W-Textes aufweist, als die
Zitate". Ob das aber, wie Verf. meint, auf bewußter Abwendung
des Orig. von diesem Texte beruht (S. 78. 81), erscheint um so
fraglicher, je richtiger Verf. (S. 89) feststellt, daß der Athostext des
Rom. als „vorzüglich und .neutral', d.h. den Rezensionen vorangehend
", zu beurteilen sei. Orig. benutzte eben die Hss., die ihm
zur Verfügung standen und einen guten Text boten. Daß er vor Beginn
seiner Exegese eine Diorthose der nt. Hss. (S. 80. 83) vorgenommen
habe, ist in meiner Abhandlung „Bibelzitate bei Origenes" (Zeitschr.
f. wiss. Theol. 43, 3, 1900) S. 345 f. als unwahrscheinlich nachgewiesen
. Orig. war kein „Philolog" (S. 80), sondern ein Theologe mit
weitem Blick und ungewöhnlicher wissenschaftlicher Begabung. Ich
vermisse bei dem Verf. (vgl. S. 33, 10 v. u. 34. 88) eine klare Stellungnahme
zu dem Problem der Bibelzitate bei Orig., wie wir sie z.B.
bei Ernst Hautsch, Die Evangelienzitate des Orig. (TU 34, 2 a)
S. 4 ff. finden. Orig. hat eben keinen einheitlichen Bibeltext gehabt
(vgl. S. 33f. 88), ist beim Zitieren frei verfahren und hat z.B.
Bibelstellen gern verbunden (Hautsch a.a.O. S.3). S. 44 redet der
Verf. von einem Zusatz zu Rom. lö,26, während Orig. einfach II.Tim.
1,10 (was Verf. nicht erwähnt) angefügt hat, vgl. Or. 1 255,19.
V 305,7. IV Einl. S. CI. 111,24. 27—28. App. 241,2. 273,9; die Verbindung
der beiden Stellen war durch rpapegot&zv de rdt> im Tim. vermittelt
. Gewisse oft zitierte Stellen werden von Orig. umgestaltet,
vgl. S. 44 f. avvuvtazrifXBv avrüi, das aus Rom. 6,5 stammt (Or.
IV 210,7ff. 361,27f.). Solche' Stellen haben gar nicht „in der
Bibel" des Orig. (S. 45,4 f.) gestanden, sodaß eine „Gedächtnisirrung
" ausgeschlossen ist. Auch zu andern S. 45 ff. erwähnten ähnlichen
Fällen muß ich deshalb ein Fragezeichen setzen. Daß Orig. in
verschiedenen Schriften den Bibeltext verschieden zitierte, beweist
z.B. II. Kor. 11,23: 1. Or. II 383,13 Cod. T, Or. III 119,21 Cod. S,
2. 9> 230,31 (B Pat gegen C) = Athoshs.; daß er in derselben Schrift
verschiedene Formen verwandte, zeigt Or. II 199,3 (r}'i.h'i£at>To) gegen
Or. II 73, 7 (rjXXaiav) ebenso I 265, 11. 300, 30. II 386, 29 (Cod. T);
und daß er endlich auch zwei Lesarten derselben Stelle erklärte, ergibt
sich aus der, von Ruf in (LVII 296 f.) bezeugten Exegese des
Orig. von Rom. 12,3 (S. 68 f.). Im gr/zöp hat hier uszgop niazeto;
(= mensuram fidei) = Athoshs. gestanden, in der Exegese des Orig.
aber auch ,u. yiignos = Min. 6. 67 **. An Varianten des Bibeltextes
sollen (S. 46 f. 89,15) auch „Schreiber" des Orig. schuld sein. Hier
wirkt die längst widerlegte (Hautsch a.a.O. S.3) Hypothese Preuschens
noch nach. Daß ein Schreiber einen beliebigen Bibeltext für das
(InroV oder für längere Zitate benutzt habe, während Orig., ohne sich
um diese „Schreiberleistungen" zu kümmern, die Exegese nach seinem
Bibeltext vornahm, ist doch ein absurder Gedanke. Rom. 5,14 wird
ja die Lesart xai ini lovs iirj (ifiagzr'jaaprag durch ein Scholion ausdrücklich
dem Orig. zugeschrieben, und Rufin (LVI 344,1 ff.) sagt
— sicherlich nach dem griech. Original —, daß diese Lesart „in
nonnullis exemplaribus" vorläge! Derartige Varianten hat es eben
schon vor Orig. gegeben, nach seinem Tode mögen Abschreiber, besonders
im (JijroV, manchen Fehler verschuldet haben (S. 74, 2 ff.).

Wer Bibelzitate verwertet, muß deren hs. Überlieferung kennen
und einige paläographische Kenntnisse besitzen. Er darf z. B. nicht
Abschriften den Originalen an Wert gleichstellen: M ist Abschrift von
A, und deoC (Or. I 53,6) einfach Fehler von A, wie Z. 3 beweist
; vgl. S. 37,18 v. u„ ferner S. 76 Anm. 108 Z. 6 v. u. Weiter
beachtet Verf. S. 34,14 f. nicht, daß Or. IV 301,17—19 textkritisch

Anstoß bietet und vielleicht aus einer Randnote entstanden ist. S. 49
A. 2 zieht Verf. einen zu kühnen Schluß, der sich aus Preuschens App
(Or. IV 72,25) nicht ergab, sondern persönliche Einsicht in den Cod.
Mon. 191 voraussetzte. S. 2,26 passiert es dem Verf., in der sub-
scriptio zu Eph. (v.d.Goltz S.l 1) die Abkürzung 7ig(=ng6i) mit yg(=ygdrpi-
zai) zu verwechseln und den so entstandenen Unsinn in A. 3 u. 1 noch ausdrücklich
zu bestätigen. Or. II 148,13 soll ytvvmu&vov „aus yeyofiirov
verschrieben" sein (S. 37 f.), ist aber durch </> und die Catene Or.
IV 531,15, also zweifach bezeugt! S. 34 A. hat Verf. „nicht verstanden
", warum ich Or. II 332,21 korrigiert habe. In der einzigen
Hs. T. ist dort o yug zi zzgoaevSo ue&a fehlerhaft überliefert, und
zu yag zi ngoatvbuueizu meine Verbesserung, die sich aus der wiederholten
Umschreibung des Orig. zzgoosviao&ai zi ttsl u. ä. S. 301,4.
25; 299,11 ergab. S. 49 zu Rom. 11,21 bemerke ich, daß Orig. an
den drei Stellen nicht ganz wörtlich zitiert, sondern izoatu nXeov (ptäXXov)
in den Homilien zur rhetorischen Verstärkung hinzufügt; das hat mit
ut'jTzms nichts zu tun (S. 112 App. 21).

In einer Arbeit über den Römerbrief text des Orig. durfte m.E.
eine ausführliche Untersuchung der lat. Übersetzung Rufins und Ver-
gleichung mit den griech. Fragmenten nicht fehlen. Was S. 12—15
hierüber gesagt ist, erscheint im Hinblick auf das entgegengesetzte
Urteil Westcotts und v. Sodens, womit das von W. A. Baehrens (TU
42, 1 S. VI) und das des Ref. (Or. V S. CXXXV) zu vergleichen ist,
als nicht ausreichend. Rufins Worte LVII 460,6 ff. und S.VI.9
mußten im einzelnen nachgeprüft werden. Verf. schließt sich dem ungünstigen
Urteil Westcotts über Rufin an, seine Begründung der
NichtVerwertung Rufins S. 15 A.3 Z. 11 v. u. ab ist aber hinfällig,
da es sich hier nicht um die Zusätze Rufins, sondern um seine lat.
Übersetzung der griech. Bibelzitate des Orig. handelt. Z. B. bezeugt
Rufin für Rom. 8,13 (S.48) mehrfach (LVI 38,1. 123,3; 143,3.
VII 82, 13 ; 83, 16; 139, 13) die Lesart »ijf angxo; die auch L XIV 28, 1
vorliegt. S. 14 A. 1 entrüstet sich der Verf. über meine „absurde
Textherstellung" Or. V 203, 16. Allerdings fehlt atr hinter djieiiruvm
in der besten Hs. B der Philokalia, steht aber in den beiden von ihr
unabhängigen Hss. Pat (a. R.) und C (was in meinem App. hinzuzufügen
ist) und wird durch wiederholtes „quidem" von Rufin bezeugt,
der das nur aus dem Römerbriefkommentar des Orig. entnommen
haben kann, vgl. die Darlegungen des Verf. S. 14,2ff. Ich gebe zu,
daß u£i> im (jrjroc gefehlt hat, da es die Athoshs. ausläßt; es hat aber
in der Exegese gestanden und gerade da, wo Rufin gegen alle Lateiner
mit fast allen Griechen zusammenstimmt, darf man seine Autorität
nicht beiseite schieben. Verf. beruft sich ja S. 72,13 ff. selbst auf
Rufin und argumentiert ganz ähnlich wie Ref., und S. 69,22 weist
ihm Rufin „den richtigen Weg", noch dazu da (LVII 297,5), wo kurz
vorher (S. 296,8 f.) Ruf in von seinen lat. Bibelhss. („nostri Codices")
redet! Übrigens ist utV von Orig. auch Rom. 7,9 (Or. IV 71, 19)
hinzugefügt gegen den Codex v. d. Goltz; die Angabe des Verf. S.32,
9 v. u. ist zur Hälfte falsch.

Von den Druckfehlern notlere ich nur die irreführenden. S. 15,4
v. u. 1. I 53,5—14. S.32 A. 1 letzte Z. 1. IV 357,11. S.42,5 1.
<£-56,4. S. 42,7 1. I_ III 215,1. S. 42,23 1. II 337,10. S. 46,1 1.
tWOTljoffet.S.48,1,4 v. u. 1. LIII 99,16. S. 48,4 v. u. 1. IV 384,34.
S. 49,2 1. 323,19. S. 68,13 1. III 35,1. S. 76,11 v. u. 1. 11,26.
S. 82,16 f. stimmt nicht zu S. 98, App. zu 4,5. Unklare Stellen sind
S. 3,5 ff. 31,27 ff. 39 A. 1. 67,7 ff.

Trotz meiner Ausstellungen halte ich die vorliegende
fleißige Arbeit für einen wertvollen Beitrag zur nt. Textkritik
und hoffe, daß der Verf. seine Studien auf diesem
Gebiete mit Erfolg fortsetzt.

Weimar. Paul Koetschau.

Wensinck, A. J.: Mystic treatises by Isaac of Nineveh.

Translated from Bedjan's Syriac text with an introduetion and
registers. Amsterdam: Kon. Akademie van Wetenschappen 1923.
(LVI, 400 S.) 4° = Verh. d. Kon. Akademie van Wetenschappen te
Amsterdam, Afdeeling Letterkunde. Nieuwe Tteeks, Deel XXIII, 1.

Allen Religionshistorikern wird die Gabe des holländischen
Gelehrten, der in der englischen Weltsprache
das Hauptwerk des Isaak von Ninive endlich allgemein
zugänglich gemacht hat, willkommen sein. Seit Jahrhunderten
zwar war Isaak als einer der originalsten Ver-i
treter der syrisch-christlichen Mystik hoch angesehen,
aber man las nur seine Werke und einzelne Stücke in
schlechten Übersetzungen, und man wußte weder um
seine Lebenszeit Bescheid noch um seine theologischkirchliche
Stellung. Nachdem J. B. Chabot, der 1892
in seiner Monographie De Isaac Ninivitae vita scriptis
et doctrina noch stark in die Irre gegangen war, 1896
den urkundlichen Beweis erbracht hatte, daß Is. der
nestorianischen Kirche angehört und, während 5 Monaten
Bischof von Ninive, lange Jahre nachher als Einsiedler