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Ausgabe:

1923 Nr. 24

Spalte:

511-513

Autor/Hrsg.:

Dölger, Franz Joseph

Titel/Untertitel:

ICHTHYS. Das Fischsymbol in frühchristlicher Zeit. II. u. III. Band 1923

Rezensent:

Clemen, Carl

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Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 24.

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Kleinste. Welche Ausrüstung und welche Register!
Sicher Irrtümer, zu denen erst einmal die Spezialisten das
Wort haben; auch eine Gefahr des überfeinen Sehens.
Im Ganzen aber stehen seine Werke als eine Aufgabe
da, sich erst einmal auf sein Niveau hinaufzuarbeiten.
Göttingen. Andr. Walt her.

Dölger, Franz Joseph: IX® YS. Das Fischsymbol in früh-
christl. Zeit. II. u. III. Band. Der heilige Fisch in den antiken
Religionen und im Christentum. Textband und Tafeln. Münster:
Aschendorff 1922. (XIV, 656; XVII, CIV) Lex. 8".

zus. Gz. 35.— ; geb. i. 2 Bd. Gz. 40—.

Dem ersten, 1910 erschienenen Band von Dölgers
IX0YS sollte eigentlich „eine Zusammenfassung der
christlichen Fischdenkmäler in Plastik, Malerei und Kleinkunst
" folgen; statt dessen gibt der Verf. hier zunächst
„die Kultgeschichte des Fisches". Die beiden glänzend
ausgestatteten Bände sind indessen so reichhaltig,
daß hier unmöglich ein vollständiger Überblick über
ihren Inhalt gegeben werden kann; ich beschränke mich
also auf dasjenige, was wirklich zu dem angegebenen
Thema gehört und vor allem auf dasjenige, was die
Leser dieser Zeitung in erster Linie interessieren wird.

D. zeigt im Textband, der fehlerlos gedruckt und
mit sehr ausführlichen Registern versehen ist, zunächst,
daß bei den Griechen und Römern der Fisch nur den
Unterweltsgottheiten geopfert wurde. Einige Fische waren
bei den Ägyptern heilig, alle bei den Syrern, die sie
auch opferten — ebenso wie die Babylonier und Assyrer.
Hier erscheint der Fisch zugleich als Totenspende, was
wieder damit zusammenhängt, daß er, wie in Syrien,
Lebenssinnbild ist. Ferner dient er als Gewand, ja der
Sohn der Atargatis heißt selbst Ichthys. Sonstige Fischkulte
finden wir an der syro-phönizischen Küste, Fischopfer
in der Religion der Karthager, sowie in der etrus-
kisch-römischen Blitzsühne, die insofern mit dem Totenopfer
zusammenhing. Dasselbe gilt von dem Volkanusopfer
; auch der Dea Tacita wurden am Totenfest Fische
dargebracht. Ebenso erscheinen solche im Kult der
Hekate und der Toten, sowie endlich der thrakischen
Reiter.

Treffen diese und die meisten anderen, hier nicht zu wiederholenden
Angaben zu, so sind einige wenige doch auch zweifelhaft. Ich
weiß nicht, ob Hadad Rimmon Sach. 12,11, um den man klagt,
wirklich als furchtbarer Kriegsgott zu denken ist (S. 174f.), und
ebensowenig, ob die Matres am Rhein usw. stark vom Osten her beeinflußt
sind (S. 443); wie Ihm (Bonner Jahrbücher 83, 1887, 58ff.), so
erklärt sich auch Robinson (Encycl. of Rel. and Eth. 4,411) gegen
diese Hypothese. Sicher irrig ist die Behauptung (S. 315), Larunda
sei die Mutter der Laren, und die andere (S. 407), diese seien die abgeschiedenen
Seelen der guten Ahnen; beides hat Wissowa (Religion
und Kultus der Römer2 174. 234) endgültig widerlegt. Auch wenn
D. (S. 245) die Bäthgensche Erklärung von ar^.ii»v Lukian, de Syr.
dea 33 widerholt, so möchte ich an den von mir (Zeitschr. f. d.
alttest. Wiss., Beiheft 33, 101) geltend gemachten Bedenken festhalten
; denn darauf, daß Lukian hier spottet, weist nichts hin.

Doch vor allem ist hier über D.'s Erklärung des christlichen
Fischsymbols zu berichten, die übrigens auch besonders und unter
dem Titel: Die Eucharistie nach Inschriften frühchristlicher Zeit
(XII, 212) erschienen ist. Hier wird gezeigt, daß der Fisch seit dem
4. Jahrhundert in der Literatur als Sinnbild der Eucharistie gilt, und
behauptet, daß er ebenso nicht nur in der gleichzeitigen Pektorios-,
sondern auch in der vor 216 entstandenen Aberkiosinschrift zu verstehen
sei. Es ist ja auch nie bestritten worden, daß manches in dieser
christlich gedeutet werden kann; aber der ganze Charakter und viele
Einzelheiten scheinen mir diese Auffassung doch nach wie vor auszuschließen
. Allerdings wird Jesus in dem Hymnus am Schluß des Pädagogus
des Klemens noi^,rv üyiog genannt, aber das ist wohl noch etwas
anderes als 7101/j.rjf ayiog, als dessen Jünger sich Aberkios bezeichnet.
Und konnte er weiter von Jesus sagen: der mich nach Rom hin sandte,
ein Reich zu schauen und eine Königin zu sehen, d.h. konnte unter
beiden die Kirche verstanden werden? Lassen sich ferner Syrien und
der Euphrat, die Aberkios gesehen hat, symbolisch verstehen? Doch
das hält auch D. nicht für sicher; sind die Ausdrücke vielmehr eigentlich
gemeint, die Inschrift aber christlich, so könnte man doch die
Bezeichnung der Eucharistie als des überaus großen, reinen Fischs
aus der Quelle, den eine reine Jungfrau gefangen hat, auf syrische
Einflüsse zurückführen, wie es nun D. selbst mit dem Fischsymbol
überhaupt tut.

„Es ist kein Zufall mehr", schreibt er (S. 197), „daß
gerade in Syrien das Wort 1X6 YS (— 'irjootg Xg-iarbg &eov
vibg owTTjQ) in christlicher Zeit als schützende Inschrift
über dem Türsturz so vieler Häuser nachgewiesen werden
konnte. Das antike Glückssinnbild des Fisches ist
durch den christlich gedeuteten Fisch = Christus nach
einer häufig geübten Sitte der christlichen Mission verdrängt
worden". Aber daß das christliche Fischsymbol
aus Syrien stamme, ist damit noch nicht gesagt, wie
denn auch D. selbst neben dieser noch andre Erklärungen
des Symbols in Betracht zieht.

Zwar von dem johanneischen Bericht vom Mahl am
See Tiberias 21, 9 ff. sagt er (S. 453) nur: „es ist möglich
, daß die besondere Betonung der Fischspeise an
dieser Stelle nicht nur die Bevorzugung des Fisches im
Privatleben der Marcioniten beeinflußt hat, sondern auch
die Symbolik Fisch = Eucharistie gestärkt hat." Und
über das „bereits von Hermas und Polykarp zitierte
Tobiasbuch" (S. 452f.): es „gab einen starken Reiz,

die eucharistische Fischsymbolik aufzugreifen____

Der Fisch aus dem Tigris ist... ein großes Heilmittel.
Da andrerseits bei Ignatius von Antiochien am Anfang
des zweiten Jahrhunderts die Eucharistie als das große
,Heilmittel der Unsterblichkeit' bezeichnet wurde, so
ist die Möglichkeit, daß das eucharistische Fischsymbol
schon sehr frühe durch die homiletische Verwendung des
Tobiastextes beeinflußt wurde, keine geringe." Von
einer Hervorrufung durch das Tobiasbuch oder
Joh. 21 ist also keine Rede, wohl aber glaubt D. (S.
544), es sei „mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die
Christen die Speise der Eucharistie, Christus, als den
wahren mystischen Fisch dem wirklichen Fisch der
cena pura (der jüdischen Mahlzeit am Sabbatanfang)
entgegensetzten". Und weiter sagt er (S. 555): „nach
der Satzung des Totenkollegiums der Epiktete von Thera
war mit dem Jahresgedächtnis der Toten ein Fisch-
opfer verbunden. Da nun die eucharistische Feier nach
der Stiftung Jesu eine avü^ivnaig IrjOov war, so konnte
dies bei den Griechen den Gedanken an die Totenge-
dächtnisopfer der Antike auslösen. Es wäre daher nicht
gerade unmöglich, daß in solchen Gedankengängen die
Eucharistie als das wahre Fischopfer dem Fischopfer
des antiken Totenkultes entgegengesetzt wurde. Doch
lege ich hierauf noch nicht ein besonderes Gewicht.
Wertvoller ist es, daß die Eucharistie tatsächlich als
,Fisch der Lebendigen' dem ,Fische der Toten' entgegengesetzt
wurde." Und mit Bezug darauf heißt es endlich
(S. 573): „trat an Stelle der antiken Totenspeisung mit
dem Fisch die Eucharistie, so war es eine naturgemäße
Entwicklung, die Eucharistie oder Christus in Gegensatz
zu stellen zum antiken Opfer. So drängt sich von
selbst die Zusammenstellung ,Fisch der Toten' und Eucharistie
auf, und was war natürlicher, als im Kampf
mit dem Heidentum den eucharistischen Christus als
den ,Fisch der Lebendigen' zu bezeichnen?" Aber dazwischen
lesen wir wieder (S. 545): „lag auf dem Tische
der syrischen Göttin ein Fisch, so war es psychologisch
durchaus naheliegend, die Eucharistie auf dem Tische
des Herrn als den eigentlichen, großen, reinen Fisch
zu kennzeichnen, als den mystischen Fisch, der allen
christlichen Brüdern und Freunden, allen Kultgenossen
zur Speise dienen sollte im Gegensatze zum syrischen
Kulte, der nur der auserlesenen Kaste der Priester den
geopferten Fisch zusprach, die Masse der Gläubigen aber
vom Opfermahle ausschloß." Die eigentliche Meinung
D.'s wird also nicht ganz klar; außerdem spricht gegen
alle diese Erklärungen, daß nicht nur der eucharistische
Christus, sondern Christus überhaupt Ix&vg heißt
— gleich Tertullian sagt ja de bapt. 1: nos pisciculi
secundum 1X6YN nostrum Jesum Christum in aqua nas-
cimur.

Wenn D. jedenfalls (unter dem Beifall von Cumont
[bei Pauly-Wissowa IX, 850]) urteilt (S. 547. 549):
„am Anfange der christlichen Fischsymbolik steht das