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Ausgabe:

1923 Nr. 23

Spalte:

503

Autor/Hrsg.:

Grimm, Eduard

Titel/Untertitel:

Die zwei Wege im religiösen Denken 1923

Rezensent:

Schuster, Hermann

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Seite 1

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503

Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 23.

504

Kaufmann. Das Ergebnis ist: Die schleswig-holsteinische
Landeskirche ist ein Staatsteil, ihr Konsistorium eine
Staatsbehörde. — Schon in 2. Auflage ist erschienen —
ein Zeugnis des damaligen Wohlstandes des Vereins —
F. Witts Quellen und Bearbeitungen der schleswig-holsteinischen
Kirchengeschichte, für andere lokalkirchen-
geschichtliche Vereinigungen ein nachahmenswerter Vorgang
. Die 2. Auflage ist der 1. gegenüber um ein Drittel
vermehrt.

Ilfeld a. Harz. Ferdinand Cohrs.

Grimm, D. Eduard: Die zwei Wege im religiösen Denken.

Oöttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht 1922. (11 S.) 8° Gz. 1.20
Ein anregendes Büchlein. Es will ein Beitrag sein zur Religionspsychologie
, und zwar nicht zur Psychologie des religiösen Gefühls,
sondern des religiösen Denkens. Nur eine psychologische Wesen
s Schilderung, aber damit, wie der Verf. hofft, indirekt auch ein
Beitrag zur Lösung der W a h r h e i ts frage.

Die beiden Wege des religiösen Denkens finden wir, wenn wir
die beiden Methoden der Induktion und der Deduktion auf
das religiöse Denken anwenden. Der nächste Weg ist der der Induktion:
wir suchen Gott näher zu kommen, ihn zu finden und zu fassen. Das
Abhängigkeitsbewußtsein, der Verehrungsdrang (sehnsüchtige Hingabe
), Einheitstrieb und Ewigkeitssehnsucht sind die Mittel der Induktion
. Wenn der Durchbruch zum Gott-begreifen und Gott-haben geschieht
, so erfolgt damit auch die Wendung zur Deduktion und alle
Dinge werden jetzt sub specie aeterni betrachtet; aus dem feststehenden
Gottesgedanken werden alle religiösen Gedanken über Welt und
Mensch abgeleitet. Damit erst kommt das religiöse Denken zum
Abschluß. Erst mit der Deduktion gewinnt es Größe, Wucht und
Geschlossenheit. Aber das deduktive Denken behält seine Schranken:
Es ist inhaltlich an die Induktion gebunden. (Man fühlt sich an
Kants Satz erinnert: Begriffe ohne Anschauung sind leer). Die letzten
Folgerungen der Deduktion führen zu unmöglichen Konsequenzen:
Aufhebung aller menschlichen Eigentätigkeit und damit Ertötung aller
Sittlichkeit. Die Deduktion, die durch keine neue Induktion berichtigt
wird, muß unbedingt zur dogmatischen Erstarrung, zur Scholastik
führen. (Es lohnte sich, diesen Gedanken am Beispiel katholischer
und protestantischer Scholastik näher auszuführen). Daher ist
stets eine gegenseitige Ergänzung von Deduktion und Induktion nötig,
damit das religiöse Denken beides besitze, geschlossene Wucht und
frische Lebendigkeit. — Ein letzter Teil gibt „Folgerungen und Anwendungen
". Hier erscheint mir erwägenswert besonders der Abschnitt
über Glaube und Werke: der protestantischen Methode, deduktiv
die Werke aus dem Glauben abzuleiten (ohne die Entstehung des
Glaubens psychologisch näher zu erklären und pädagogisch vorzubereiten
), steht die katholische Methode der Induktion aus den Werken
gegenüber. Auch das Gebetsleben wird mit diesen zwei Gesichtspunkten
durchleuchtet. Die betenden Gedanken steigen in menschlichen
Sorgen und Wünschen zu Gott empor, um schließlich mit seinen
großen Augen das menschliche Getriebe zu überschauen. Abschließend
wagt der Verf. dem Credo ut intelligam ein Intelligo ut credam
voranzuschicken. Ich gehe allen Religionspädagogen zu bedenken, ob
nicht einseitige Deduktion die Quelle des Mißerfolgs ist.

Hannover-Kleefeld. Hermann Schuster.

Hesse, Pastor Lic.: Dogmenfreies Christentum oder geistliche

Bibelgeltung. Barmen-Wichl.: Montanus 1922. (48 S.) 8".
Das dogmenfreie Christentum wird in vielen,
recht bunt zusammengewürfelten Vertretern vorgeführt
(Dreyer, Harnack, Egidy, Joh. Müller, Naumann, Bonseis
, Bonus, Laros — der aber m. W. katholisch ist —,
Jatho, Steiner, Eucken) und abgelehnt. Bewußt reformiert
, weist H. freilich andererseits die Verbalinspiration
ab; von welcher Grenze an die Bibelkritik gottlos wird,
vielmehr die Autorität Christi, der Apostel und Propheten
gilt, das wird indessen auch nicht klar gesagt — und
eben dies wäre wichtiger gewesen als z. B. die oberflächliche
Polemik gegen die Lehrerschaft (S. 12, wo H. aus
dem Namen Zwickauer Thesen zu schließen scheint, in
Zw. seien die Kämpfe um den Religionsunterricht besonders
heftig gewesen) und der Tadel der in Marburg
„in der Kapelle des kleinen Michel" (hört, Ihr Marburger
!) gehaltenen mystischen Studentengottesdienste,
über die ein „reformiert biblisch nüchterner" Bericht des

c. th. Bockemühl mitgeteilt wird. Dreyer war Sup. nicht
in Gotha, sondern in Meiningen; S. 8 Z. 14 st. Kern
1. Keim.

Kiel. H. Mulert.

Peters, Martin u. Karl Henn iger: Hannoversches Reformationsbüchlein
. Festgabe z. 400 jähr. Gedenktage d. Reformation,
31. X. 1917 dargeb. Hannover: A. Sponholtz 1917. (79 S. mit
Abb.) 8°.

Das Büchlein zerfällt in zwei Teile; im zweiten
beschreibt Henniger die Einführung der Reformation in
der Stadt Hannover. Er erzählt auf Grund zweier Darstellungen
aus dem 18. Jahrhundert: David Meier, „Kurzgefaßte
Nachricht von der Christlichen Reformation in
den Kirchen und Schulen der Altstadt Hannover", Hannover
1731 und „Umständliche Nachricht von der Reformation
in der Altstadt Hannover", Hannover 1733
(so scheinen mir die Literatur-Angaben auf S. 42 zu berichtigen
zu sein): keine zeitgenössische, aber zuverlässige
Zeugen. Die Kapitelüberschrift: „Wie Luthers
Lehre in Hannover ... viele heimliche Freunde fand"
ist etwas irreführend, denn abgesehn von den ganz allgemein
gehaltenen Berichten aus der eben genannten
Literatur hören wir nur von Elisabeth von Kalenberg,
die aber nicht in Hannover, sondern in Münden residierte.
Im ganzen aber wird uns eine lebensvolle Darstellung
der Vorgänge geboten. Im ersten Teil würdigt Peters
Martin Luther mit gewandter Feder nach seinem Wesen
und nach seinem Werk.

Ilfeld a. H. Ferdinand Cohrs.

J.C. HIN RI CHS'sehe BUCHHANDLUNG, LEIPZIG
Soeben erschien:

Politische Ethik
und ethische Weltanschauung

Von

Ernst Rolffs

X, 359 Seiten. 8°. Grundzahl: 2,80; gebunden 4,—.

Durch die Weltereignisse der letzten Jahre ist das Verhältnis
von Moral und Politik aus einem Problem der wissenschaftlichen
Ethik zu einer Frage des öffentlichen Lebens geworden. Weite
Kreise bewegt das Verlangen, der quälenden Rätsel, die der
irrationale Gang des Weltgeschehens dem sittlich empfindenden
Menschen aufdrängt, Herr zu werden, um gegenüber dem Eindruck
eines Chaos zerstörender Gewalten den Glauben an einen
Kosmos geistiger Kräfte und sittlicher Werte zu behaupten. Dazu
will das vorliegende Werk einen Beitrag liefern. Bei seinen
jahrzehntelangen Bemühungen, sich über die Bedeutung der
Moral für die Politik klar zu werden, ist der Verfasser zu der
Oberzeugung gelangt, daß sich das Problem nicht isolieren
läßt, sondern nur im Rahmen einer geschichtsphilosophischen
Weltanschauung zu lösen ist, die rückwärts ins Metaphysische
und vorwärts ins Transzendente hinübergreift. So erweitert sich
ihm das Problem Moral und Politik zu der Aufgabe einer inner-
weltlichen und überweltlichen Ethik, die er in der Weise zu
lösen sucht, daß er als Dominante der Welt die Überwelt begreift
. Das Werk, das auch in Einzelheiten eine Fülle von
Problemen anrührt, ist der Niederschlag einer einheitlichen,
geschlossenen, in jahrzehntelangem Ringen ausgereiften Weltanschauung
. So wird es nach dem Willen des Verfassers allen
denen einen festen Standort weisen können, denen ihr Leben
sinnlos erschiene, wenn die Weltgeschichte nichts weiter wäre
als der Aufgang und Untergang einer Reihe von großen Kulturen.

In geschmackvollem Einband; daher auch zu Geschenkzwecken
geeignet.

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 1. Dezember 1923.
Beiliegend Nr. 26/27 des Bibliographischen Beiblattes.

Verantwortlich: Prof. D. E. Hirsch in Göttingen, Nikolausberger Weg 31.
Verlag der J. C. Hinrichs'schen Buchhandlung in Leipzig. Blumengasse 2. — Druckerei Bauer in Marburg.