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Ausgabe:

1923 Nr. 23

Spalte:

491-492

Autor/Hrsg.:

Dibelius, Martin

Titel/Untertitel:

Der Hirt des Hermas, erklärt 1923

Rezensent:

Hennecke, Edgar

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Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 23.

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sowie über „die Auflösung des ursprünglichen Kompositionsschemas
" gehandelt.

Einige Einzelheiten: S. 40 Z. 7 ist wohl statt Dul-azag besser
Du(l)-ku(g) zu lesen, S. 49 Z. 1 f. nach Delitzsch Sum. Ol. bar-sud
hez.w. bar-su-u statt mas-sud bezw. mas-su-u. Auf S. 69 ist in Z. 12
das „Ahn lieh" unverständlich; denn es folgt ja kein Beispiel für
das Fehlen der anäku-Formel. Die Erklärung von Ps. 5,3f. auf
S. 70 läßt sich wohl nur dann halten, wenn man absolut das obige
Normalschema verteidigen will. Auch das Problem von Ps. 109,6
bis 19 scheint mir durch St.'s Ausführungen (S. 87) nicht gelöst zu
sein. Um die doch „ernste Schwierigkeit" von v. 16—19 kommt man
damit nicht herum, daß man erklärt, daß wir schließlich von der bestimmten
Handlung, auf die der Beter anspiele, nichts Genaueres
wissen. In Ps. 13,3 (S. 90) paßt die Übersetzung von PIS^
„Pläne" garnicht, nach dem Parall. ist ein Wort wie „Kummer,
Drückendes" zu erwarten. Vielleicht hängt das Wort mit dem arab.
'äsa zusammen und ist etwa PIX^ zu lesen- Ein sumer. Zu-Ab
(S. 109) wird wohl nicht existiert haben; denn wie sollten die
Akkader auf apsü verfallen sein? Der gleiche Fall liegt deutlicher
in dem Gottesnamen En-zu vor, den man bestimmt Zu-en zu lesen
hat; vgl. mit Kompl. Zu-en-na, geschr. En-zu-na z.B. K 2507 Col. III |
Z. 63 und das ass. Sin, das aus der Kontraktion des sumer. Wortes zu

erklären ist. In der Ubersetzung von Ps. 143, 11 fehlt ~np"I2fD;
ähnliches noch an ein paar anderen Stellen. Auf S. 120 muß es statt
Ps. 51: Ps. 56 heißen, überhaupt finden sich Druckfehler noch in
großer Zahl. In Ps. 118, 2 u. 115, 9 (S. 135 f.) ist die Einsetzung

von rVÜ3 nach der G nicht erforderlich, ebensowenig in letzterem Ps.
die Verbesserung des Imp. (MT) durch das Perf. (G). Auf S. 141
gehören die Zeilen 18 f. hinter Z. 27. Gegen die Wiedergabe von
mit „Stimme" (S. 142) stehen eine ganze Reihe anderer Stellen:
Am. 1, 2, Jo. 4, 16, Jer. 25, 30, Hos. 11, 10, Hi. 37, 4. Die Erklärung
des Nebohymnus K. 1285 Z. 7—10 ist m. E. nicht besser.
Mir scheint es am nächsten zu liegen, in diesen Zeilen einen sekundären
Zusatz zu sehen, ohne den sich der Hymnus leichter und geschlossener
verstehen läßt. Der Vergleich von Ps. 60 mit der 1. Sam.
23,9—13 geschilderten Szene (S. 157) ist doch gänzlich unange-
gebracht.

Eins verdient noch an St.'s Arbeit als bes. verdienstlich
hervorgehoben zu werden, daß nämlich die Übersetzung
der zweisprachigen Texte immer in erster Linie
nach dem sum. Original gegeben ist und nicht nach der
oft fehlerhaften akkad. Übertragung. Und diese Übersetzung
ist überall sorgfältig und wohlerwogen.

Bonn. F. Horst.

ü i b e 1 i u s, Prof. D. Dr. Martin: Der Hirt des Hermas, erklärt.
(Die apostolischen Väter IV.) Tübingen: J. C. B. Mohr 1923. (V,
S. 415—644) gr. 8° = Handbuch zum Neuen Testament. Ergänzungsband
. Gz. 5—; geb. 7—.

Nachdem M. Dibelius bereits in ,Harnack-Ehrung'
1921 eine wichtige Abhandlung zum Hirten des Hermas
veröffentlicht hatte, liefert er nun einen umfassenden
Kommentar zu dem anziehenden altchristlichen Buche,
der an Reichhaltigkeit die Kommentare der drei ersten
Hefte des Ergänzungsbandes (s, ThLZ. 1922 Nr. 10)
durch den größeren Umfang des Behandelten übertrifft.
Die Probleme der Entstehung und Zusammensetzung des
Buches, an denen sich die literarische Scheidungskunst
vielfach geübt hat (F. Spitta 1896 und E. Grosse-
Brauckmann 1910 erfahren wiederholte Berücksichtigung
), werden mit außerordentlicher Vertiefung und fein
abwägendem Verständnis behandelt mit dem Ergebnis,
daß Einheitlichkeit der Verfasserschaft anzunehmen sei,
wenn auch spätere Entstehung verschiedener Teile. Einblicke
in die Komposition erhalten wir S. 421, vgl. 453.
493. 504 f. Auf Unstimmigkeiten aus der Vorgeschichte
wird gelegentlich hingewiesen (S. 588), ebenso auf das
Zusammentreffen verschiedener Stoffe in einem und
demselben Stück (S. 576. 605). Als Leitgedanke der
Schrift wird „die Heilung der Christensünden durch die
Buße und die Bewahrung der Christen vor neuen Verfehlungen
durch sittliche Belehrung" festgestellt (Vorwort
); dieser Abzweckung gegenüber erscheint manches
in dem Offenbarungsapparat und der historischen Einkleidung
überhaupt verhältnismäßig gleichgültig, weil
zum guten Teil auf literarischer Entlehnung beruhend;
„die Prophetenwürde des Hermas wird niemals im ganzen
Buch besonders hervorgehoben" (S. 457). Er denkt
ja auch über den Empfang seiner Offenbarungen bescheiden
genug (vis. III, 4,3). Vgl. noch C. H. Turner,
Is Hermas also among the prophets? Journ. of theol.
Studies 1914, p. 404—407. Wenn für die Buße in dem
Himmelsbriefe vis. II, 2, 5 S. 447 ein naher Endtermin
gesetzt war, so wird dieser doch im Verlauf der Schrift
abgemildert oder hinausgeschoben, nachdem die dem
Hermas auferlegte Bußbotschaft inzwischen zu wirken
begonnen hatte (S. 424; vgl. über die Christenbuße
S. 510 ff.). Auf den Nachweis der Vorbedingungen der
Stoffe in der populär-philosophischen und mythischen
Umwelt des Hellenismus, insonderheit auch der jüdischen
Tradition — Hermas war kein Judenchrist (S. 423) —
fällt ein Hauptnachdruck. Wir sehen hier, daß der verhältnismäßig
enge Gesichtskreis des Verfassers mit seinen
alltäglichen Belangen und Gewohnheiten doch in
einen verhältnismäßig weiten religionsgeschichtlichen
Rahmen gespannt war. Manches Schillernde seiner Ausführungen
wie die Pneuma-Vorstellung der Mandata
(S. 517 ff.) und die unzureichende Christologie (S. 572ff.
vgl. 564 f.) wird so verständlich. Die Greisin der ersten
Visionen ist ursprünglich die Sibylle (vgl. Voelter). Unerklärt
erscheint mir noch der vis. III, 1,2 cf. 2,3 gegebene
Rückverweis auf das Versprechen eines weiteren
Gesichts (der-ersten-Turmvision S. 459 f., deren Unterschied
von der zweiten S. 602 gekennzeichnet wird).
Für den Meerdrachen in vis. IX, die verschiedenen Hirtenkostüme
, wohl auch die Sackleinwand des Arbeiters
in sim. VIII, 4, 1, hätte ein Hinweis auf die Katakombenmalereien
aus der Umgegend Roms, eben der Gegend
von Hermas' Auftreten, zur Illustrierung beitragen können
, wie als Kopfleiste die Umrißzeichnung aus einer
andern Katakombe (zu den ursprünglichen Veröffentlichungen
mangelhaft stimmend) beigegeben ist. Die
negativen Folgerungen aber, die Dibelius aus seinem
Nachweis literarischer Berührungen des Hermas mit anderweitigen
Autoren inbezug auf die Authentie von dessen
Erlebnissen zieht, erscheinen mir zu weit gegriffen.
Ist denn auch bei der offenkundigen Naivität dieses
Schriftstellers anzunehmen, daß die Zeit- und Ortsangaber
. seiner (angeblichen) Visionen bloß literarisches
Füllwerk sind? Wenn auch sein Lebensgang aus der
Schrift nicht ganz deutlich wird (er stammte nicht aus
Rom, sondern nach einer späteren Angabe, wie sein
Bruder der „Bischof" Pius, aus Aquileja S. 421), so
trägt doch die Beschreibung seiner Familienverhältnisse
so sehr das Gepräge naiver Ursprünglichkeit, daß man
sie unmöglich als konstruierten Typus oder bloßes Modell
für Christensünde und Christenbuße (S. 423. 445 f.)
ansehen kann. Auch die zu Anfang der Schrift und im
„Minnespiel mit den Jungfrauen" sim. IX S. 618 f. anklingenden
erotischen Züge, da sie christlich temperiert
sind, scheinen mir keineswegs dem Standpunkte eines
naiven Christentums zu widersprechen; sieht doch auch
später ein so stark sittlich gerichteter Geist wie Walter
v. d. Vogelweide (Nr. 17 ed. Pfeiffer) unbefangen seine
Geliebte dem Bade entsteigen. Als seitliche Ergänzung
der reichen Nachweise über die sonstigen literarischen
Berührungen wäre der Versuch einer Zusammenfassung
der einigermaßen erkennbaren Entlehnungen aus der
biblischen Literatur (vgl. S. 424 Jak. Brief) mit Einschluß
der Evangelien (vgl. schon C. Taylor 1892),
so spärlich und unsicher sie bei dem prophetischen Charakter
des Buches auch sein mögen (viel spärlicher als in
der Offenb. Jon.), und etwa auch der Urdidache (vgl.
S. 522), gerade von Dibelius' Hand willkommen gewesen
.

Betheln (Hann). E. Henneckc.