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Ausgabe:

1923 Nr. 22

Spalte:

463-464

Autor/Hrsg.:

Antoniades, Basileios

Titel/Untertitel:

Egcheiridion ieras ermeneutikes 1923

Rezensent:

Goltz, Eduard Alexander

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Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 22.

464

Kategorien auf den ihnen zunächst fremden Stoff der
Geschichte unvermittelt übertragen? Eben das Recht
dieser Übertragung ist durchaus problematisch, wie bei
ihrer Gegnerin der Anspruch, Geschichte gleichsam aus
sich selbst heraus zu meistern. Eine Synthese beider
Methoden scheint nur möglich, wenn für beide ein Einheitsgrund
sich finden läßt, der ihnen Dasein und Recht
zu eigen gibt und beides nicht erst von dem irgendwie
gegebenen Objekt ihres Forschens zu Lehen empfangen
läßt; das heißt aber, daß auch diese Fragen in jenes
weite Gebiet weisen, auf dem alles Auslegen und alles
historische Erkennen „einen Hauptbestandteil einer
Grundlegung der Geisteswissenschaften" bildet.

Breslau. Ernst Loluneyer.

A f t m v i a <) r] g, Baaiiscos'. EyytcgiiSiov icgcc; egarivivTcxrjc Kon-
stantinopel 1921. (142 S.). IL AyyeUd'ov.

Der Verf., Professor an der theologischen Schule
auf Chalki will eine kurze wissenschaftliche Darlegung
der Hermeneutik A. und N. T. geben. Nach
einigen kurzen begrifflichen Auseinandersetzungen bringt
er zunächst auf 48 Seiten in 18 Paragraphen einen Abriß
der Geschichte der Schriftauslegung. Der erste
Hauptteil bespricht dann die verschiedenen Arten des
Schriftsinns; der zweite Teil behandelt die Auffindung
des Schriftsinns und zwar zuerst die philologische Auslegung
, dann die harmonisierende {aQf.iovviy.rj) Auslegung
, endlich die verschiedenen Formen der Mitteilung
{uezddooig) des Schriftsinns.

Abgesehen von der sprachlichen Schwierigkeit, diese
neugriechische Abhandlung fließend zu lesen (interessant
ist die sprachliche Neubildung für die wissenschaftliche
Terminologie) wird es dem protestantischen Theologen
nicht leicht sein, sich in die griechisch-orthodoxe Auffassung
hineinzuleben, die den Kanon, die Lehre der
griech. Väter der Synoden und der kirchl. Literatur aller
Zeiten {gleichsam in einer Linie sieht. Verf. ist aber überall
bemüht, einer besonnenen wissenschaftlichen Betrachtung
Rechnung zu tragen. In dem geschichtlichen Abschnitt
ist besonders die Übersicht über die alten griechischen
Ausleger beachtenswert. Hinsichtlich des älteren
Protestantismus scheint eine eigene Kenntnis Luthers ganz
zu fehlen. Die lutherische Schriftlehre ist nach Hollaz,
Joh. Gerhard und Quenstedt dargestellt. Eine Würdigung
der großen wissenschaftlichen Arbeit des 19. Jahrhunderts
bis zur Gegenwart fehlt ganz. Nur dem alten
Heidelberger Rationalisten Paulus ist eine längere Anmerkung
gewidmet. Die deutsche, englische, holländische
und amerikanische Theologie der letzten hundert Jahre
tritt nicht in Erscheinung. Nur Volks biblische Hermeneutik
im Zöcklerschen Handbuch ist einmal zitiert.
Für uns ist jedenfalls am interessantesten die Übersicht
über die neuere griechisch-orthodoxe Schriftauslegung.

In dem systematischen Teil ist der Verf. bemüht die
Bedeutung der philologischen Auslegung zur Ermittelung
des historischen Schriftsinns voll zu würdigen,
aber auch die aQiwviyr] rQfirrvua rwv rQMpwv findet
ihren Apologeten. In der MGiQ diaepcoviwv zwv yQacpwv 7cgbg
rovg dvQwJ-ev finden auch die neueren vorderasiatischen
Forschungen (Jeremias) ihre Berücksichtigung. Aber
die avfiqxAvia rr)g kqfirjvuag nqog zrjv eyykrjOiaozixiyV rcaQcc-
dooiv y.al didagnaUav zieht eine deutliche Grenze, soll
aber auf die wesentlichen Grundlehren beschränkt
sein. Der letzte Teil gibt eine beachtenswerte Übersicht
über die Hauptformen wissenschaftlicher Auslegung
und Darbietung: Übersetzung, Paraphrasen, Anmerkungen
{ar]fieuüO£ig), Predigten, Scholien und Glossen,
Katenen {aeiQccl), trjir^iaza (quaestiones), dt« jxqayfiazEiwv
(dissertationes tractatus, excursus), Kommentare {vrtofivrjfiaza)
Hier wird jedesmal die wichtigste altkirchliche Literatur
aufgezählt.

Der wissenschaftliche Gewinn dieser Darstellung
ist für uns ein ganz geringer; er beschränkt sich im
Wesentlichen auf die Kenntnisnahme neugriechischer

Literatur. Aber sehr lehrreich ist die Schrift zur Charakteristik
der Auffassung einer strebsamen griechischen
Theologie der Gegenwart, der man die Achtung nicht
versagen kann; hier liegen hoffnungsvolle Anknüpfungspunkte
für weitere Entwicklung.
Greifswald. Ed. v. d. Goltz.

Dal man, Prof. D. Dr. D. Gustaf H.: Aramäisch-neuhebräisches
Handwörterbuch zu Tantum, Talmud und Midrasch. 2. verb.
und verm. Aufl. mit Lexikon der Abbreviaturen v. G. H. Händler
und einem Verzeichnis d. Misehna-Abschnitte. Beides bearb. v.
Prof. Dr. J. Kahan, Znaim. Frankfurt a. M.: Kauffmann Verlag 1922.
(VIII, 460, 120 S.) gr. 8° Gz. 45—,

Das Aramäische hat sich im Laufe des ersten vorchristlichen
Jahrtausends mit überraschender Intensität
über ganz Vorderasien verbreitet. Als die Griechen
dahin kamen, war wohl im ganzen Gebiete zwischen
Tigris, Mittelmeer und Taurus das Aramäische die
Sprache des Volkes. In der Literatur und im Kultus
wurden freilich die alten Sprachen noch lange beibehalten
, aber vom Volke wurden sie nicht verstanden.
Über die Verhältnisse bei den Juden sind wir ziemlich
gut unterrichtet; bei den Nachbarvölkern, von denen
wir keine literarische Überlieferung haben, wird es nicht
anders gewesen sein. Bei den Juden war es üblich, an
den Vortrag aus den heiligen Schriften eine Übersetzung
in der Volkssprache anzuschließen, um die Gemeinde
über den Inhalt des Vorgetragenen zu unterrichten.
Diese Übertragungen, erst frei gehalten, wurden später
in den sogenannten Targumen schriftlich fixiert. In den
Lehrhäusern, in denen das Gesetz ausgelegt und fortgeführt
wurde, bediente man sich Anfangs der hebräischen
Sprache, aber auch hier drang immer mehr das Aramäische
ein. Freilich ist auch das Hebräische stark
durch die gesprochene Sprache beeinflußt. Für das
sprachliche Verständnis dieses aramäischen und hebräischen
Schrifttums der Juden aus nachbiblischer Zeit
bis zum Beginne des Mittelalters sind die besten Hilfsmittel
die lexikalischen Werke von J.Levy. Aber die
Werke waren schon in normalen Zeiten für viele unerreichbar
, namentlich das große, vierbändige Werk über
die Sprache der Talmude und Midraschim. Zwei andere
Werke, die Bearbeitung des Arukh durch Kohut und ein
in Amerika erschienenes Wörterbuch von M. Jastrow
wurden noch weniger benutzt. Daher unternahm es Dal-
man, auf engerem Räume die Sprache der Targume, Talmude
und Midraschim zusammenzustellen. Die Targume
sind immerhin eingehender behandelt. Dalman
verwertete früher unbenutzte Handschriften, er verzeichnete
auch Einzelformen und gab bei diesen die Stellen
an. Hingegen ist die Sprache des aggadischen und
halakhischen Schrifttums knapper zusammengefaßt, in Anbetracht
der Schwierigkeit des Materials zu knapp. Ein
Wörterbuch hat eine doppelte Aufgabe. Es soll über den
Wortschatz und die Wortformen eines Idioms Aufschluß
geben, es soll aber auch, ja vor allem, dem Unkundigen
das Verständnis der Sprache in ihrem gesprochenen und
besonders im geschriebenen Worte ermöglichen. Ob
nun selbst ein jüdischer Talmudjünger ein Stück aus
dem rabbinischen Schrifttum mit Hilfe dieses Wörterbuches
lesen kann, ist mir sehr fraglich. Aber zur
raschen Orientierung über das vorhandene Sprachgut ist
es wohl geeignet, und ich benutze es seit seinem ersten
Erscheinen zu diesem Zwecke. Daß D. für Talmud und
Midrasch im Großen und Ganzen von den größeren
lexikalischen Arbeiten abhängt, ist selbstverständlich.
Aber diese bedürfen immer der Nachprüfung, denn sie
hängen zu stark von der Tradition ab, und von einer
wissenschaftlichen Durchforschung des Materials durch
die Verfasser ist keine Rede. Dies ist auch für andere
schwierig, da keine brauchbaren Textausgaben vorliegen.
Trotzdem kann durch Berücksichtigung der verwandten
Mundarten manche Dunkelheit aufgehellt werden; dies
sei nur an einem Beispiele gezeigt. Sanhedrin Babli,
f. 88 b wird als der zukünftigen Welt teilhaftig bezeichnet