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Ausgabe:

1923 Nr. 21

Spalte:

439-440

Autor/Hrsg.:

Buhl, Fr.

Titel/Untertitel:

Hebraeer-Brevet fortolket 1923

Rezensent:

Mosbech, Holger

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439

Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 21.

440

immer der Untersuchung Bedürftiges. Der Verf. vertritt
aber in seiner Arbeit, die auch systematisch-christolo-
gische Gedanken und grundsätzliche Erwägungen enthält
(S. 27 f. und besonders S. 40 über Versuchung und
Sündlosigkeit!), eine Lösung der Probleme, die für
mein Urteil nicht überzeugend ist. Und zwar richtet sich
meine Kritik schon gegen die von B. befolgte Methode.
Es ist die Art der „Biblischen Theologie" im alten Sinn,
die Stellen und Zitate sammelt, um an sie die „theologischen
" Fragestellungen heranzubringen. B. handhabt
diese Methode allerdings mit taktvoller Ermäßigung
des mit ihr notwendig verbundenen Modernisierungsstrebens
; er rechnet mit einer an den Verf. gelangten
Tradition und bewahrt in den Fragen der kenotischen
wie der emanatistischen Theologie eine gewisse Zurückhaltung
. Trotzdem verrät schon der Aufriß seines
Buches die Schwäche der Methode; denn von Rechts
wegen müßte das Thema des dritten Teils, die Darstellung
des Hohenpriesters Christus, voranstehen und, wie
im Hebr. selbst, alles übrige beherrschen. Christus tut
im himmlischen Heiligtum vor Gott den Dienst des
Hohenpriesters; auf dieser Szene, deren wesentlichstes
Moment B. richtig in dem Treten vor Gottes Angesicht
erkennt, ruhen die Blicke des Verf. Und von diesem
kultischen Bilde aus ist alles andere zu bestimmen. Das
Erdenleben Jesu wird Etappe zu diesem Ziel, und ich
möchte — im Gegensatz zu der heute herrschenden Auslegung
— denn doch erwägen, ob Leiden und Gehorsam
hier nicht einfach als Weihe zum Priesterdienst bestimmt
werden sollen. Wieviel von diesem Bilde aus konstruiert
ist, wieviel aus Gemeindetraditionen übernommen, wieviel
aus dem A. T. heraus exegesiert, das sind die Fragen,
die, so scheint mir, zu beantworten wären, ehe man
über den angeblichen Hiatus von Geschichte und Spekulation
ein Urteil fällen kann. Die Forschung hat ihre
Themenstellung zunächst aus dem Text selber zu entnehmen
, ihn mit philologischer Kunst (im edelsten Sinn
des Wortes) abzuhören, um dann erst das also Gehörte
in die Geistesgeschichte einzubauen. Dieser Grundsatz
würde, auf unser Thema angewandt, nicht nur eine Umgruppierung
in B.'s Buch, sondern auch eine wesentliche
Änderung seiner Ergebnisse zur Folge haben.

Heidelberg. Martin D i b e 1 i u s.

Buhl, Prof. D. Dr. Fr.: Hebraeer - Brevet fortolket. Kopenhagen
: H. Hagerup 1922. (192 S.) 8°

Der auch in Deutschland wohl bekannte Kopenhagener
Alttestamentler und Semitist, der sich zugleich
eingehend mit dem Spätjudentum und dem Hellenismus
beschäftigt hat, veröffentlicht jetzt eine neutestamentliche
Arbeit. Er hat schon in den achtziger Jahren über den
Hebräerbrief gelesen, und die Grundlage dieser Erklärung
bildet eine Vorlesung, die er seit 1914 — nach besonderer
Aufforderung der theologischen Studentenschaft
— dreimal gehalten hat. Der Zweck des Buches
ist gleichfalls in erster Linie, den Studenten zur Einführung
in die Gedanken des Briefes zu dienen, und der
Verf. ist deshalb bestrebt gewesen, alles überflüssige
Beiwerk zu vermeiden, um die Erklärung kurz und klar
hervortreten zu lassen; man spürt doch überall sein
sicheres Judizium und seine Vertrautheit mit der einschlägigen
Literatur. Den Hebräerbrief betrachtet er als eine
Homilie, die ein Lehrer vor einem bestimmten Kreis von
Zuhörern gehalten und zugleich aufgezeichnet hat; eine
Abschrift seines Konzeptes ist dann nach einer anderen
Gemeinde geschickt worden und ein Briefschluß, wahrscheinlich
das ganze Kap. 13 umfassend, beigefügt; ob
das vom Verfasser der Homilie selbst oder von einem
anderen besorgt worden ist, muß dahingestellt bleiben,
die letztere Möglichkeit hat doch viel für sich. Wegen
13,24 wird der Brief nach Rom oder Italien gerichtet
sein, und an eine Gemeinde, in welcher der Unterschied
zwischen Judenchristentum und Heidenchristentum keine
Rolle mehr spielt; dagegen können wir nicht wissen, wo

die Homilie gehalten worden ist. Die Untersuchung über
den Verfasser endet ebenfalls in ein non liquet; in Betracht
käme wohl Barnabas oder Apollos, nicht dagegen
Aquila und Priscilla, wie Harnack meint. Abfassung
in den achtziger Jahren.

Kopenhagen. Holger M osbech.

Zeitschrift für Kirchengeschichte begründet von Theodor Brieger f.
In Verbindung mit der Oesellschaft für Kirchengeschichte herausgegeben
von Otto Scheel und Leopold Zscharnack. XL. und
XLI. Band, Neue Folge HI und IV. Stuttgart-Gotha: F.A.Perthes
1922. (272 u. III, 250 S.)

Die Zeitschrift für Kirchengeschichte, von der im Jahre 1922 zwei
Bände ausgegeben wurden (NF III u. IV), bietet in beiden außerordentlich
wertvolles Material. In NF III behandelt zunächst R. Seeberg
die Frage nach der Entstehung des apostolischen Symbols, in dem er
seine Ansicht Forschern wie Harnack, Haußleiter, Holl und Lietzmann
gegenüber präzisiert. Aus dem alten christologischen Bekenntnis ist
nach ihm zugleich mit dem Aufkommen der triadischen Taufformel
durch Hinzufügung des 1. und 3. Artikels, die durch die Heidentaufe
erforderlich wurden, ein Ursymbol gebildet, das ca. 140 in Jerusalem
entstanden sein mag und durch dessen Autorität überall verbreitet
wurde. Dies bildet die Grundlage sowohl für O 1 wie für Rl. R2 stellt
eine Erweiterung dar, die von Calixt ca. 210 vorgenommen wurde.

W. Köhler bringt Randglossen Zwingiis zu seinen Büchern, zunächst
zu Aristoteles und Athanasius, zum Abdruck.

O. Clemen untersucht in einem Aufsatz „Zur Kritik der
Quellen über Luthers Lebensende" den einzigen katholischen Bericht
des Johann Landau auf seine Glaubwürdigkeit. Er hält ihn für gut
unterrichtet, glaubt aber nicht, daß die protestantischen Quellen dadurch
widerlegt würden.

Karl Müller geht kritisch Calvins Äußerungen über die
Libertiner nach. In Wirklichkeit sind die Leute, die C. als Libertiner
brandmarkt, quietistische Mystiker nikodemischer Art aus dem Kreise
der Margarethe von Navarra, die fälschlich in den Verdacht liber-
tinistischer Neigungen gekommen sind. Ein Irrtum Calvins, der nunmehr
endgiltig aus der Geschichtschreibung zu verschwinden hat.

In NF IV analysiert Eylenstein unter dem Titel „Ludwig
Friedrich Gifftheil. Zum mystischen Separatismus des 17. Jahrhunderts
in Deutschland" die Schriften und Gedanken Gifftheils und zeigt ihre
Wirkungen auf. Er macht wahrscheinlich, daß G. und seine Schüler
einen direkten Einfluß auf die englische Revolution gewonnen haben. —
Bedauerlich ist, daß der Zusammenhang der Ideen G.'s nicht auch
nach rückwärts klargelegt ist.

Hashagen untersucht die reformatorische Bedeutung des spätmittelalterlichen
landesherrlichen Kirchenregiments. Er warnt durch
den Hinweis auf den „Kurialismus" der Landesfürsten vor Überschätzung
, zeigt aber doch, daß das landesherrliche Kirchenregiment
in mehrfacher Hinsicht der kirchenpolitischen Ausgestaltung der
Reformation vorgearbeitet hat.

Paul Gabriel gibt eine Darstellung der Kämpfe, die sich um
die bekannte Predigt Reinhardts am Reformationsfest 1800 entwickelt
haben, in der dieser die Rechtfertigungslehre gegenüber Gedankengängen
des Rationalismus betonte.

Eine Fülle von Anregung und Belehrung bieten beide Bände auch
unter der Rubrik „Lesefrüchte und kleine Beiträge", auf die hier aber
nicht im Einzelnen hingewiesen werden kann.

In den Forschungsberichten behandelt in NF III Greßmann
„Das religionsgeschichtliche Problem des Ursprungs der hellenistischen
Erlösungsreligion" in Auseinandersetzung mit Reitzenstein. v. Soden
berichtet über A. v. Harnacks Marcion und John Knipfing über
das angebliche „Mailänder Edikt" v. J. 313 im Lichte der neueren
Forschung. In NF IV setzt zunächst Greßmann die Auseinandersetzung
mit Reitzenstein fort, dann weist C u n i b e r t M o h 1 b e r g auf die
liturgiewissenschaftliche Forschung der letzten Jahre hin.

Ein ausgedehnter Abschnitt mit literarischen Anzeigen schließt
jeden der beiden Bände.

Erichsburg. Kurt Dietrich Schmidt.

Diepgen, Prof. Dr. med. et phil. Paul: Die Theologie und der
ärztliche Stand. Berlin: Dr. Walter Rothschild 1922. (68 S.) gr. 8°
= Studien zur Geschichte der Beziehungen zwischen Theologie und
Medizin im Mittelalter I. Gz. 4,— .

Diese wertvolle Arbeit des Freiburger Historikers der Medizin ist
ein Beitrag zur Klärung der Stellung der mittelalterlichen Theologie
zur Medizin ihrer Zeit und zur Erkenntnis, wie die damalige Theologie
als „geistige Großmacht" und bedeutendster Kulturfaktor das
Denken des Volkes in ärztlichen Dingen, das Denken der Ärzte selbst,
den ärztlichen Stand und seine Ethik nachhaltig beeinflußt hat.

Der gelehrte Verfasser zieht nur autoritative Quellen heran und
zwar vor allem die Verordnungen der Konzilien, die Dekretalen der
Päpste, das Corpus juris canonici, bischöfliche Erlässe, Kanones-