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Ausgabe:

1923 Nr. 21

Spalte:

436

Autor/Hrsg.:

Zapletal, Vincenz

Titel/Untertitel:

Das Buch der Richter. Übersetzt und erklärt 1923

Rezensent:

Hertzberg, Hans Wilhelm

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436

Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 21.

436

Samuel); die drei Religionen, Mosereligion, Priesterreligion
und Volksreligion, sind klargestellt, und treffend
wird ausgeführt, wie die Grundzüge der mosaischen
Religion trotz aller Kulturentwicklung und sonstiger Einflüsse
festgehalten wurden. Besonders gewichtig ist
Sellins Urteil über den fremden Einfluß auf die israelitische
Eschatologie, z. B. bei Hosea; bei aller Anerkennung
der religionsgeschichtlichen Arbeit betont Sellin
doch nachdrücklich die Selbständigkeit der prophetischen
Eschatologie, die nicht aus ägyptischen oder babylo-
lonischen Quellen abgeleitet werden dürfe.

Wird in diesen grundsätzlichen Thesen Sellin bei
den meisten Zustimmung und Dank finden, so fürchte
ich, daß die Zustimmung zu den einzelnen neuen und besonderen
Thesen nicht ebenso einheitlich sein wird. Die
Textbehandlung und Exegese, durch die S. seine These
vom prophetischen Glauben an Mose, vom Märtyrertod
und dergl. begründet, wirken nicht überzeugend, und es
macht den Eindruck, die Idee sei das Prius gewesen, dem
dann der Text sich fügen mußte. Die Grunastellen Num.
25, Hos. 9, 7—14 müssen stark umgeändert werden, um
das Ergebnis vom Märtyrertod zu liefern, und man entschließt
sich nicht leicht, diese so frei behandelten
Stellen dann als sichere Grundlage für die folgende Beweisführung
gelten zu lassen. In Hos. 13,1 deutet S.
das Nlil auf den Propheten Mose und versteht die
Worte „er büßte wegen des Baal" so: Mose wurde als
Schuldopfer für den Abfall zum Baal getötet; wenn Hos.
12,11 von Propheten in der Mehrzahl spricht, so sei das
aus Ex. 24 zu erklären, wo mit Mose noch andere, besonders
die 70 Ältesten den Gottesberg besteigen; Jes.
45,19 wird „der Ort des Landes der Finsternis" auf das
„Heiligtum in der Wüste, den Sinai" gedeutet; Jes. 42,1
ist für die Worte „ich lege meinen Geist auf ihn" als
mögliche Deutung angeboten: „ich belebe ihn, nämlich
zu einer wunderbaren Mission", so daß „puris verbis gesagt
wäre, es handle sich um einen aus dem Tod Zurückkehrenden
(daher in V. 4 der Gedanke an sein Nicht-,
vergehen"; der Ursinn des jetzt übermalten Textes von
Ex. 15,26 sei gewesen, Jahwe wolle die Krankheit, die
er über die Ägypter verhängt habe, auf Mose legen (als
Versuchung) usw.

Daß Dtjes. an einen wiederkehrenden Mose geglaubt
hat, wird man für möglich halten. Aber die Deutung
von Jes. 53 auf den geächteten und getöteten Mose, die
Verbindung des in Jes. 53 sprechenden Volksgewissens
mit dem Märtyrertod Moses wird schwerlich einleuchten;
700 Jahre nach dem Ereignis konnten doch die Volksgenossen
, die sich die erlebte Schuld vorhalten, kaum
sagen: wir hielten ihn für einen, der von Gott gezeichnet
war.

Strenger als Sellin es tut, wird man scheiden müssen
zwischen der Mose r e 1 i g i o n , deren Kraft durch das
ganze Alte Testament hindurch wirkt, und dem Akt der
Mosestiftung am Sinai; manche Stellen, in denen die
Propheten auf die fortdauernde Mosereligion zurückgreifen
, deutet S. auf die Geschichte Moses am Sinai
und in der Wüstenzeit. Und noch in einem anderen Punkt
möchte ich neben die hier vertretene Methode eine andere
stellen. Wir haben für die 1200 Jahre der alttestament-
lichen Religionsgeschichte wenig Quellenmaterial und
wenig Namen führender Persönlichkeiten. Manche Forscher
streben darnach, auf die wenigen bekannten Persönlichkeiten
alles vorhandene, insbesondere das textlich
unsichere, der Auslegung freibleibende Material (Jes. 53,
gewisse Psalmen usw.) zu häufen und sie dadurch ins
Licht zu rücken. Mir scheint das Umgekehrte richtiger.
Bei dem Umfang des Zeitraums, der in das Alte Testament
eingespannt ist, haben wir wohl anzunehmen, daß
die israelitische Religionsgeschichte noch viel reicher
an Persönlichkeiten und Vorgängen war als wir wissen,
und empfiehlt es sich nicht, exegetisch zu zentralisieren.

Tübingen. , P. Volz.

Wood, P.: Moses. The founder of preventive Medicine. London :
S. P.C.K. 1920. (116 S.) kl.8° = Biblical Studies.
Verf. ist Mediziner und das Büchlein ist entstanden aus Vorträgen
über Gesundheitswesen, die Verf. den Offizieren seines Bataillons
während des Kriegs gehalten hat. Mose ist für ihn der Urheber der
Hauptbestandteile des Pentateuchgesetzes, und aus dem Erstaunen, wie-
wiel für den Mediziner, eben auch für den heutigen Kriegsmediziner,
aus dem A.T. zu holen ist, entsteht die Bewunderung für den Mann
Mose, dem Verf. geradezu ein hygienisches System zuschreibt. Während
der Kodex Hammurapi von diesen Dingen schweigt, in Aegypten neben
dem Aberglauben sich nur Spuren von Hygiene finden, ist nach seiner
Ansicht Mose der Begründer der vorbeugenden Medizin gewesen. Und
zwar baut Mose seine medizinischen Ratschläge auf der Religion auf,
das sanitäre Verhalten ist Gehorsam gegen Gott. Verf. verbindet einen
kindlichen Bibelglauben mit einem kindlichen Rationalismus; die
10 Plagen in Ägypten z. B. (auch der Tod der Erstgeburt, vom Verf.
zur Plage des Todes verallgemeinert) sind natürliche Geschehnisse, die
die Ägypter mürbe machten, aus denen aber Mose lernte, daß Mangel
an Hygiene zu Unglück und Tod führt, und in denen ,the founder of
preventive medizine'tiefe Eindrücke für seine sanitäre Weisheit empfing.
Tübingen. P. Volz.

Zap letal, Prof. Dr. Vincenz, O. P.: Das Buch der Richter.

Übersetzt und erklärt. Münster: Aschendorff 1923. (XLII, 311 S.)

gr. 8° = Exegetisches Handbuch zum Alten Testament. Hrsg. v.

Johannes Nikel VII, L Oz. 6.75; geb. 8—.

Ein überaus sympathischer Kommentar. Abgeklärtes
Urteil und wissenschaftliche Akribie zeichnen seinen
Vf. aus; er hält die richtige Mitte zwischen den Extremen
des pedantischen Kleinarbeiters und des popularisierenden
Feuilletonisten. Die Darstellung ist gewandt
und meist straff, die Übersetzung sucht „das ursprüngliche
Kolorit zu wahren" (S. VII), eine Fülle von Belegen
aus patristischen und klassischen Schriften trägt
zur Aufhellung bei. Die Auseinandersetzung mit der
Literatur, besonders auch der protestantischen, ist gründlich
und stets vornehm, nur tritt hinter dem, was andere
meinen, Z.' eigenes Urteil oft über Gebühr zurück. Da
übrigens das Buch schon 1915 fertiggestellt worden ist,
— zwischen dem Imprimatur des Ordens und des zuständigen
Bischofs liegen 6V2 Jahre, — ist auf neueste
Erscheinungen leider nicht eingegangen.

Die Gesamthaltung ist konservativ, was aber nicht
ausschließt, daß Vf. im einzelnen dem Text mit überraschender
Freiheit gegenübersteht. Seine Konjekturen
werden meist durch Versionen belegt, zudem fast immer
durch das Metrum begründet. Die starke Berücksichtigung
des Metrums ist überhaupt für das Buch charakteristisch
. Daß auch die althebräische Prosa rhythmisches
Gepräge hat, — wie die hebräische Sprache
überhaupt, — ist ohne Zweifel richtig; ob sich das aber
innerhalb der einzelnen Stücke zu festen metrischen
Gebilden gestaltet hat, ist doch recht fraglich. Deswegen
wird man manch ein Fragezeichen machen, wenn Z.
das „Metrum" als heuristisches Prinzip für Textgestaltung
(vgl. zu 3,20; 13,6; 16,6.17; 18,9 u.ö.) und
Quellenscheidung (vgl. S. 203, 302 u.ö.) benutzt. Besonders
beim Deborahlied gewinnt man den Eindruck,
der Vf. sei innerlich stark gebunden durch die metrischen
Erwägungen und dadurch in der kongenialen sachlichen
Erfassung des Stoffes gehemmt. — Seine Quellenscheidung
ist vorsichtig, sie bewegt sich, bewußt,
nicht in den ausgefahrenen Geleisen der JEP S. XXVI
u. ö.), sondern ist „unstarrer", lebendiger, und darum
wahrscheinlicher: der „alte Bau", — selbständige Volkserzählungen
, — ist durch „Zubau" jeweils „nach allen
Seiten hin durchkreuzt und erweitert" worden. Im allgemeinen
ist Z. mehr für Glossen und Schriftfehler als
für Quellen! (S. 267. 277 u.ö.). — Auch hierbei wird
des Vf.' eigene Meinung nicht immer hinreichend deutlich
.

Sehr störend sind die zahlreichen Druckfehler in
hebräischen Worten.

Das wertvolle Buch wird sich einen ehrenvollen
Platz in der Richter-Literatur behaupten.

Berlin-Schoneberg. H. W. Hertzberg.