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Ausgabe:

1923 Nr. 20

Spalte:

417-418

Autor/Hrsg.:

Haefeli, Leo

Titel/Untertitel:

Geschichte der Landschaft Samaria von 722 v. Chr. bis 67 n. Chr 1923

Rezensent:

Dalman, Gustaf

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417

Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 20.

418

H a e f e 1 i, Dr. theol. et phil. Leo: Geschichte der Landschaft Samaria
von 722 V.Chr. bis 67 n. Chr. Eine historisch - kritische Untersuchung
. Münster: Aschendorff 1922. (VIII, 125 S.) gr. 8° =
Alttest. Abhandlungen. Hrsg. v. J. Nikel, VIII. Bd. 1.—2. Heft.

Gz. 3.5.

Der geographischen Abhandlung „Samaria und Pe-
räa bei Flavius Josephus" (1913) hat derselbe Verfasser
nun eine Geschichte von Samarien folgen lassen,
die ohne Zweifel einem Bedürfnisse entspricht, um so
mehr, als wir nur zerstreute Notizen, die fast durchgängig
von den Rivalen im Süden stammen, als Material
für die Geschichtsdarstellung besitzen. Die in sich widerspruchsvolle
und mit assyrischen Berichten nicht stimmende
biblische Erzählung vom Untergang des israelitischen
Nordreiches rechtfertigt Haefeli durch Hinweis
auf ihren religiösen Zweckgedanken, dem die historischen
Daten untergeordnet wurden; mit Quellenschei-
dung, wie Winckler sie versucht, sei hier nicht zu helfen.
Hosea habe übrigens bei rechtem Verständnisse von 2.
K. 15,29 das westliche Galiläa bis zur Grenze des
phönizischen Hamath behalten, obwohl dort nur die
Deportationen Tiglat Pilesers beschrieben werden und
Janoach in jedem Fall die Nordgrenze einschränkt.
Sargon sei es dann gewesen, der um 710 das entvölkerte
Gebiet neu besetzte. 2. K. 17, 24 und die Andeutung
eines assyrischen Berichtes iießen sich so vereinigen
. Esr. 4, 2 sei der den biblischen Erzählern unbekannte
Sargoii durch Assarhaddon ersetzt worden, und
die Deportation des „großen Asnappar" Esr. 4,8 ff. weise
wohl auf die Heimsendung der Juden durch die Perser
(so muß S. 21 die Verweisung auf 11,2 verstanden werden
, obschon dort diese Vermutung nicht näher begründet
wird). Daß Josephus die Löwen von 2. K. 17, 25
in eine Pest verwandelte, möchte er durch Ableitung des
Wortes arje von ärä „brennen" erklären. Die Löwenplage
gab Veranlassung zu der Einführung der nach
Samarien deportierten Mesopotamier in den Dienst des
Landesgottes. H. macht dabei aufmerksam auf den Unterschied
des Zeugnisses von 2. K. 17, 34 ff. über den andauernden
Götzendienst der Deportierten und des Urteils
von Josephus, daß die Samaritaner seit jener Zeit den
wahren Gott vertreten. Diese widerspruchsvolle Beurteilung
sei zum Teil durch die unentschiedene Haltung
der Samaritaner, zum Teil durch den Gegensatz der
Juden zu der rivalisierenden benachbarten Sekte zu erklären
. Aber in Wirklichkeit wird die Veranlassung des
Zwiespaltes im Urteil sein, daß Josephus die Sachlage
seiner Gegenwart in die Vergangenheit übertrug und es
sich nicht anders vorstellen konnte, als daß die israelitischen
Priester die Samaritaner die Religion des vollen
mosaischen Gesetzes gelehrt hätten. Davon sagt aber der
biblische Bericht nichts. Die Belehrung über das „Recht
des Landesgottes" (2. K. 17,27) durch die israelitischen
Priester wird sich vor allem auf die Art des ihm schuldigen
Opferdienstes bezogen haben und konnte sich deshalb
mit fortdauernder Verehrung der heimischen Gottheiten
vereinigen. H. erwähnt S. 59, daß das von Esra
promulgierte Gesetz die Gemeindeurkunde der Samaritaner
geworden sei. Aber das wichtigste Problem der
samaritanischen Geschichte, wie es dazu kam, wie sich
das „Recht" von 2. K. 17, 27 zu diesem Gesetze verhielt,
welche Folgen seine Annahme haben mußte, mit welchem
Rechte die Samaritaner ihren Gegensatz zu dem Heiligtum
von Jerusalem auf dies Gesetz begründeten, auch,
ob wirklich alle Nachkommen jener Einwanderer sich
dieser Gesetzesgemeinde anschlössen, alles dies bleibt
unerörtert, — vielleicht, weil die Pentateuchkritik nicht
berührt werden sollte. Bei genauerer Beachtung der vor-
exilischen religiösen Verhältnisse hätte H. wohl auch
nicht die Jerem. 41, 4 f. nach dem zerstörten Heiligtum
von Jerusalem mit Gaben ziehenden Leute des Nordlandes
für heimkehrende Judäer gehalten (S. 37). Es
mußte sich doch dabei nicht um „Anerkennung der religiösen
Hegemonie Jerusalems" handeln, sondern um
den Schmerz darüber, daß die letzte große Anbetungsstätte
des Gottes Israels in Trümmern gesunken war.

Alle bekannten Phasen der Geschichte von Samarien
bis zum Verzweiflungskampf der samaritischen
„Sekte" unter Vespasian werden sorgsam besprochen.
Sonderbar berührt, daß ein Schweizer ihren, freilich vergeblichen
Freiheitskampf nur unter den Gesichtspunkt
der „Untreue" gegen Rom zu stellen vermag, der dadurch
entschuldbar sei, daß der „Freiheitstaumel" den
ganzen Orient ergriffen hatte. Auch das religiöse Problem
, um das es sich hier handelte und das auch der
alternde Josephus nicht begriff, hätte der Erörterung bedurft
. Die vorsichtige und den Quellen nach Kräften
gerechtwerdende Darstellung enthält auch sonst Einzelheiten
, die zum Widerspruch reizen. Wenn die Samaritaner
sich für Sidonier ausgaben, taten sie es kaum,
weil sie die Zemariter von l.M. 10,17 ihre Vorfahren
nannten (so H. S. 61), sondern weil sie als alte Bewohner
des Landes, dessen bekannter ältester Vorort
Sidon war, angesehen sein wollten. Hyrkan hätte nach
S. 85 f. Samaria dadurch zerstört, daß er Gräben durch
die Stadt zog, welche das Winterwasser füllte. Josephus
redet aber doch nur von einer „Durchbrechung"
der Stadt, deren Folge war, daß die Mauern in die Täler
fielen und das natürlich vom Stadthügel ablaufende
Winterwasser das Zerstörungswerk vollenden konnte.
Das Scholion der Fastenrolle (nicht sie selbst) berichtet
nicht, daß Samaria „Grabenstadt" oder „Teichstadt" geheißen
habe, sondern „gepriesene Stadt", weil sie Sebaste
hieß und wie der Garizzim der „gepriesene Berg" war.
Daß beim Zuge des Varus Arus in 'ära, Sappho in saffa
zu suchen ist, hoffe ich Orte und Wege2, S.194. 196 gezeigt
zu haben. Von einem Ausschluß der Samaritaner
aus dem von ihnen verunreinigten Tempel zu Jerusalem
für die Dauer des Festes und späterer genauerer Bewachung
wird Antt. XVIII 2, 2 gemeint sein, nicht vom
Ausschluß aller Juden (so H. S. 107). Tirathana, der
Sammelpunkt aufständischer Samaritaner, wird von H.
S. 108 für et-tlre „am Ostfuß des Garizzim" gehalten,
und auf diese Lage baut er auch in seinem geographischen
Werke seine Vorstellung von dem ganzen Ereignis.
Dies liegt aber 4 km südlich vom Garizzim und gar
nicht an seinem Fuße, was auch S. Klein nicht beachtet
hat, der seinen Namen am liebsten als türä täbä „guter
Berg" lesen möchte, während tirat 'änä, wie Schlatter
wohl mit Recht deutet, die „Schafhürde" meinen wird.
Sychar wäre nach S. 110 schon für die Zeit der Has-
monaerkämpfe als En Sochar im Talmud erwähnt, aber
j. Schek. 48 d und b. Men. 64 b fehlt jede zeitliche Bestimmung
. Naphtali (S. 13), ta'eb (S. 111) sind hoffentlich
Druckfehler für Naphtali und ta'eb.

Greifswald. O. Da Im an.

Schniewind, Prof. Julius: Das Selbstzeugnis Jesu nach den
drei ersten Evangelien. Berlin: Furche-Verl. 1922. (23 S.) 8° =

Stimmen a. d. dtschn. christl. Studentenbewegung Heft 17. Qz.0.40.
„Diese Blätter geben einen Vortrag wieder, der vor einem
weiteren Hörerkreis gehalten wurde"; es ist nötig, diese Vorbemerkung
zu beachten, denn aus dem Vortragscharakter der Schrift erklärt sich
ihre Haltung wie die Grenze ihrer Betrachtung. Sie stellt keine neuen
Fragen und gibt keine neuen Antworten, sondern will „ein Bild Jesu
zeichnen", als dessen Inhalt die These sich gibt: „Hinter jedem Wort,
hinter jeder Geschichte, die uns von Jesus überliefert wird, steht
ein Selbstbewußtsein, so groß und einzigartig", daß es seinen Träger
zu „etwas ganz anderem als wir" erhebt. Der sachliche und strenge
Kern dieser etwas verschwimmenden und undeutlichen Formulierungen
besteht gewiß zu Recht; aber wie es fast unvermeidbar scheint bei
dieser nur andeutenden und verbreiternden Betrachtungsweise — in
der Durchführung sind die Probleme oft allzu einfach gesehen, die
bleibenden Rätsel zu gering gewertet. Und wenn die Betrachtungen in
der bekannten Alternative münden: „entweder Schwärmer oder mehr
als ein bloßer Mensch" — eine Alternative, die mir nicht nur historisch
sehr falsch gestellt zu sein scheint —, wenn der Weg, wie es zu einem
Verstehen dieses Selbstbewußtseins komme, einzig der „des praktischen
Verhaltens" sein soll, so ist der Kreis wissenschaftlichen Erkennens
bewußt verlassen. Deshalb ist diese kleine Schrift ein lebendiger und
warmer Appell an Herz und Gesinnung des Lesers; aber was sie
ihrem Titel nach zu sein scheint: eine strenge Untersuchung über
„das Selbstzeugnis Jesu nach den drei ersten Evangelien" das ist sie nicht.

Breslau. Ernst Lohmeyer.