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Ausgabe:

1923 Nr. 19

Spalte:

402-403

Autor/Hrsg.:

Valk, M. H. A. van der

Titel/Untertitel:

Zur Beurteilung des Propheten der Mormonen Joseph Smith jun 1923

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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401

Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 19.

402

macher, Nitzsch, J. Müller, Beyschlag, ja v. Hofmann
(vgl. dazu B.s Aufsatz in der Hauckfestschrift, 1915, der
an der Hand der Hengstenbergkorrespondenz die Anfänge
der Kz. beleuchtete). Für die Beurteilung der
Halleschen Denunziation durch Tholuck (im Gegensatz
zu Raumer S. 30, Rudelbach S. 53 u. A.) vgl. dessen
Briefe S. 85 ff. mit ihren ernsten Gewissensmahnungen
und ihrer persönlichen Kritik an Hengstenberg. Die
Spannung zwischen den konfessionalistischen Theologen
und dem „juste milieu" Beyschlags, den man an den
Rationalismus heranzurücken geneigt ist, tritt am deutlichsten
in Wuttkes Briefen (S. 134 ff.) hervor, während
die Auseinandersetzung mit Hegel, von dem Hengstenberg
selber ja bekanntlich meinte, daß seine Philosophie
eine weit mehr „antichristliche, ja diabolische Tendenz"
entwickeln werde als der gewöhnliche Rationalismus,
merk würdig zurücktritt; nur Tholuck (S. 90) verspricht
einmal, gründlich Hegel studieren zu wollen: „das ist
doch eine geistige Macht in der Zeit, mit der man bestimmt
wissen muß, wie man dran ist". Die Leidenschaftlichkeit
, mit der man innerhalb des v. Hofmann-
Philippischen Streites (s. Philippibriefe S. 24 ff.) Hofmanns
Theologie abgelehnt hat, um so durch deren „Eli-
minierung" an dem „Läuterungsprozeß" zu arbeiten, hat
bemerkenswerterweise Nichttheologen wie Raumer (S.
34f.) und Scheurl (S.68L) veranlaßt, zur Besonnenheit zu
raten, damit „die Erlanger theologische Fakultät nicht
ihre Stärke durch einen inneren Krieg verliere", und davor
zu warnen, „daß man wegen mangelhafter Orthodoxie
über den Menschen und Christen als solchen den
Stab bräche", wie dies bei Philippi Hofmann gegenüber

Valk, Dr. M. H. A. van der: Zur Beurteilung des Propheten
der Mormonen Joseph Smith jun. Acyptologische Phantastereien
d. Mormonenproplieten. Aus d. Holl, übers, v. A. Basedow. Leipzig:
J. C. Hinrichs 1923. (VIII, 56 S., 8 Taf.) gr. 8° Gz. 1,5.

Es ist außerordentlich viel über die Mormonen
geschrieben, speziell auch über die Persönlichkeit des
Gründers der Sekte, Joe Smith (geb. 23. Dez. 1805, umgekommen
24. Juni 1844). Sogar Eduard Meyer
hat dem „Profeten" und seiner „Kirche" ein sehr eindringendes
, wertvolles Buch gewidmet („Ursprung und
Geschichte d. Mormonen", Halle, 1912). Er nimmt den
Mann ernst, sieht In den Visionen deren er sich berühmt,
wirkliche Erlebnisse desselben, keine Aufschneidereien,
meint schließlich gar, die Entstehungsgeschichte des
Mormonentums parallel setzen zu dürfen der des
Christentums und Islams. (Schon auf dem Titel vermerkt
er: „Mit Exkursen über die Anfänge des Islams und des
Christentums"; was er im Vergleich mit dem Mor-
monentum über lezteres S. 277—300 ausführt, ist seither
überholt, auch korrigiert durch seine neueren Forschungen
, aber nicht etwa preisgegeben). Das oben bezeichnete
kleine Schriftchen ist nur ein Teil eines 1921
erschienenen Werks, das einen holländischen „Predi-
kant" zum Verfasser hat. Ich habe dieses Werk s. Z.
gelesen, und fand es etwas umständlich, aber mannigfach
beachtenswert. Im Deutschen erhalten wir das
„Tweede hoofstuk" („Hoe Josef Smith jr. profeetwas":
Wie es mit J. Sm. als Profet bestellt war) in Verkürzung
und zum Teil in Überarbeitung. Was van der
Valk im übrigen bot, gereicht der Charakteristik des
„Profeten" zu weiterer Beleuchtung, doch reicht d,as,

i was der Ausschnitt im Deutschen gewährt, sicher aus,
drohe. Für die Art, wie man sich in diesen rechtsge- ( um VQn dem BildC) das y d y gewonnen hat eil^

richteten Kreisen auch sonst doch immer wieder gegen- ; richtige Vorstellung zu erhalten. Außer einer „kurzen

seitig beargwöhnte, sei nur noch aut die Kritik an | Opnpalnmp" Hn-i rhrn«nUm«« ..«^ «:-----ü_ i-----

Hengstenbergs Unionswillen (z. B. S. 24. 32; dort ein
Brief Raumers an Ludw. v. Gerlach) hingewiesen oder
auf Wuttkes Angst vor Tholucks Teilnahme am Protest
gegen die Evg. Kz. 1866 (S. 140 f.), „daß er sich vor
den Augen der ernst Gläubigen nicht noch mehr kompromittierte
"! _ „ ,..

Hier ist in der Tat eine wertvolle Quelle für die
Kirchengeschichtsdarstellung des 19. Jahrh.s erschlossen,
wofür man dem Herausgeber trotz mancher Desiderien
Dank wissen wird.

Breslau. L Zscharnack.

Hesekiel, Johannes: Erinnerungen aus seinem Leben. l.Bd.:
Jugenderinnerungen. Gütersloh: Bertelsmann 1920. (278 S.) 8°.

Gz. 4,-; geb.

Neben der großen politischen Memoirenliteratur unserer Tage
treten die an Zahl auch nicht ganz geringen Selbstbiographien von
Männern des wissenschaftlichen Lebens und der außerpolitischen Praxis
naturgemäß zurück. Und doch bilden auch sie für den Historiker
eine wichtige Quelle für die Erfassung der Gegenwart. Was der frühere
Posener Generalsuperintendent D. Hesekiel in diesem 1. Band seiner
Lebenserinnerungen vor allem aus seiner Tätigkeit als Reiseprediger
des Rheinisch-Westfälischen Jünglingsbundes und als Agent des Zentral-
ausschusses für Innere Mission frisch und anschaulich zu berichten weiß,
gilt zunächst dem Praktiker. Aber die Analyse des eigenen Innenlebens
und seiner religiösen Entwicklung, in der H. selber übrigens den bei
ihm schon früh bemerkbaren „gesetzlichen" Zug als hervorstechendes

• haiakteristikum betont, sowie die Einflcchtung von Charakteristiken
der vielen Persönlichkeiten, die er kennen gelernt hat, von denen er beeinflußt
ist, mit denen zusammen er gearbeitet hat, geben diesen Erinnerungen
, die er in seinem Ruhestand seiner Tochter Elisabeth diktiert
hat, einen darüber hinausgehenden Wert trotz der Anspruchslosigkeit
der Erzählung, deren Höhenlage man nicht etwa mit der
der Dryanderschen Lebenserinnerungen vergleichen darf. Dazu fehlte

• lesekiel die Weite und Aufgeschlossenheit, wie einem schon in seinem
Bericht über seine Studienjahre in Jena, Erlangen und Leipzig
(S. 51 ff., 72 ff., 124 ff.) deutlich wird (S. 72: Erlangen „die damals
für evangelische Studenten, die dem Bekenntnis ihrer Kirche
heilige Treue halten wollten, vornehmste deutsche Universitätsstadt").
P'rank war schon in Altenburg H.s Religionsichrer gewesen und hat
theologisch auf ihn am stärksten gewirkt. Zu dessen Einfluß gesellt
sich dann in den Jahren der Praxis, soweit H. sie — zuletzt nur sehr
skizzenhaft — schildert, Wicherns Einwirkung. H.s Erinnerungen sind
leider Fragment geblieben.

Breslau. L. Zscharnack.

Genealogie", dgl. „Chronologie" und einem sehr knappen
„Schlußwort" (dem doch reichliche Anmerkungen,
S. 48—56 folgen) enthält die deutsche Schrift drei
Abschnitte, die I. Smith als „Pseudo-Philolog", II.
„Pseudo-Hebraicus", III. „Pseudo-Aegyptolog" behandeln
bzw. erweisen. Am genauesten geht v. d. V. auf die
„goldenen und messingenen Tafeln" ein, die dem Book of
Mormon zu Grunde liegen und vom Engel Moroni
dem Smith übergeben sein sollen und in der Tat
ägyptische Platten (sog. H vpokephalen, Stücke aus
einem Mumiensarge) gewesen sein dürften, die Smith
hatte kaufen können. Es ist haarsträubend, was Smith
dabei an „Sachkenntnis" an den Tag legt. Daß er dabei
einfacher Fälscher und Schwindler ist, unterliegt keinem
Zweifel. Daß v. d. V. das bis ins Detail nachweist, ist
m. E. immerhin der Mühe wert. Smith prahlt u. A. mit
den wunderlichsten Sprachkenntnissen, so mit hebräischen
Worten, denen man ansieht, daß sie ihn
von modernen englisch redenden Juden souffliert
sind. Amüsant ist die Mitteilung, die Smith selbst
macht, (ich las sie schon bei L i n n), wie das Wort
„Mormon" zu verstehen sei, er habe es sich selbst gebildet
aus „mon", was ägyptisch sei und „gut" bedeute
(v. d.V. stellt fest, daß das Unsinn ist, irgendein Mißverstand
), und englisch „more": in der Zusammenziehung
habe er, Smith, gemeint, das „e" bei Seite lassen zu
können, also „mormon" = besser, sei. (so deute ich Sm.'s
nicht gerade sachlich klare Erläuterung) das Buch des
Engels Moroni sei die „bessere Bibel". Smith hält
sich ja in seiner Weise an die Bibel, nur mit solchen
Ergänzungen, Deutungen, Umschreibungen etc., die als
neue Offenbarungen den „wahren" Bibeltext geben und
den Völkern Amerikas (den Indianern) ihre Geschichte
enthüllen, v. d. V. sieht in Smith nur den „Betrüger". Freilich
nicht ganz oder kurzweg im moralischen Sinne. Denn
Smith sei durch und durch ein degenerierter, psychisch
pathologischer, aus einer Familie solcher Art hervorgegangener
Mensch gewesen. Die Grundformel für sein
Wesen sei „Pseudologia phantastica". Was er an Visionen
und Inspirationen gehabt haben wolle, sei un-
krolierbar. Es ist schade, daß v. d.V. das Buch von
Eduard Meyer nicht gekannt hat. Ich gestehe meiner-