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Ausgabe:

1923 Nr. 19

Spalte:

388-389

Autor/Hrsg.:

Moberg, Axel

Titel/Untertitel:

Le Livre des Splendeurs 1923

Rezensent:

Lidzbarski, Mark

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Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 19.

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man unsere Teilnahme in Anspruch für in Aussicht
stehende Exkurse über so spannende Themata wie: Zur
altjüdischen Dämonologie, über das Fasten, das Gleichnis
von den Arbeitern im Weinberg, Scheol, Gehinnom
und Gan Eden, der Synagogenbann, Elias, Stellung des
Judentums zum Heidentum, Vorzeichen der messia-
nischen Zeit, Pharisäer und Sadduzäer, die Passahfeier,
die Auferstehung der Toten. Diese zusammenhängenden
Auseinandersetzungen sind nicht nur um ihre Gegenstände
willen von bedeutendem Wert, sondern auch deshalb
, weil sie uns deutlicher noch als die Stoffsammlungen
der ersten Bände zeigen werden, wie sich die
Verf. die Nutzbarmachung des Materials denken.

Schon ohne solche Anleitung kann man freilich den
Kommentar zum Matthev. mit großem Vorteil gebrauchen.
Hier haben wir in ausgiebiger Weise den Stoff beieinander
, um uns den Hintergrund des Lebens Jesu aufzubauen
. Schon für das Verständnis der semitischen Grundlage
der evangelischen Oberlieferung fällt allerlei ab.
Doch liegt darauf nicht der eigentliche Nachdruck. Die
sachliche Förderung, die wir erfahren, ist weit höher anzuschlagen
als die sprachliche. Das Buch gewährt
eine Fülle von Belehrung auf den Gebieten der allgemeinen
Geschichte, der Rechtsgeschichte, Kultur- und
Naturgeschichte, Literaturgeschichte, Geographie und
Archäologie. Doch allem voran steht die Religionsgeschichte
. Einmal werden wir über die Religion der
Juden in Palästina, ihre theologische Behandlung und
ihren praktischen Betrieb unterrichtet. Unzählige Stichworte
wären aneinanderzureihen, um das im einzelnen zu
belegen. Aber auch Gegenstände von allgemein religionsgeschichtlichem
Interesse erfahren fördernde Behandlung
. Endlich werden sorgfältig die Berührungen
gebucht zwischen der rabbinischen Literatur und dem
Christentum, die sicheren oder mutmaßlichen Anspielungen
von Talmud und Mischna auf Jesus und die
christliche Religion (S. 84 f. 95. 147. 159. 236. 471).
In diesem Zusammenhang ist besonders lehrreich die
Ausführung über „eine jüdische Petruslegende" (S. 530
bis 535).

Eine wissenschaftliche Begutachtung des Werkes,
die diesen Namen verdient, wird den ganz wenigen
Forschern vorbehalten bleiben müssen, die im jüdischen
Schrifttum mit Einschluß der rabbinischen ebenso zu
Hause sind wie im Neuen Testament. Doch möchte
ich einem Eindruck Worte geben, der mich bei der
Lektüre dauernd begleitet hat. Das Buch gibt sich als
Materialsammlung und -richtung, nicht als Materialverarbeitung
, und das ist es im wesentlichen auch. Aber
die Zusammenbringung und Anordnung des Stoffes verrät
doch eine ganz bestimmte Einstellung. Daß die Verf.
auf der äußersten Rechten stehen, sieht man aus dem
Fehlen aller sachlichen Kritik am Matth.-evangelium.
Sie unterbleibt nicht deshalb, weil sie etwa außerhalb
des Programmes läge — oft genug wird in eine Erörterung
von Fragen der evangelischen Geschichte eingetreten
—, sondern sichtlich darum, weil St. und B. nichts
am Neuen Testament auszusetzen finden. Wir erhalten
keine Parallelen zur matth. Darstellung des Lebens Jesu,
sondern zu diesem selbst. Einen Unterschied zwischen
beiden gibt es nicht. „Jesus", heißt es zu 5, 32, „erkennt
nur die JtOQveia als Entscheidungsgrund an". Daß „du
sollst deinen Feind hassen" 5, 43 läßt sich zwar quellenmäßig
nicht belegen. Das begründet jedoch keinen
Zweifel, daß Jesus doch die Auffassung der Juden so gekennzeichnet
hat. „Das Ganze wird eine populäre
Maxime sein, nach der der Durchschnittsisraelit in Jesu
Tagen sein Verhalten gegen Freund und Feind eingerichtet
hat". Der Umstand, daß die Urteilsfällung im
Prozeß Jesu mit dem jüdischen Recht der mischnisch-
talmudischen Periode nicht zu vereinen ist, veranlaßt
lediglich Zweifel daran, ob dieses Recht schon zur Zeit
Jesu gegolten hat (S. 1024). Das grenzenlose Zutrauen
zu Matth, findet 916 einen fast rührenden Ausdruck:
„Wenn aber Matth, über eine geringfügige Einzelheit,

die selbst jüdische Gelehrte von Ruf heute noch in Abrede
stellen, sich genau unterrichtet erweist, darf man
auch der ganzen Polemik in Kap. 23 Vertrauen entgegenbringen
". So überrascht es uns kaum, wenn die
Verf. 1,16 alles in bester Ordnung finden und die Auffassung
des Matth., daß Jesus, trotzdem er nur Sohn der
Maria war, durch den Stammbaum des Joseph zum
Davididen werde, durchaus teilen. Ihre Beweisführung
ist hier allerdings von unerlaubter Dürftigkeit. Denn die
eine Stelle, die sie zum Beleg der Behauptung: „diese
Meinung entspricht den eherechtlichen Anschauungen
des jüdischen Volkes zur Zeit des Neuen Testaments"
beibringen, besagt im Grunde gar nichts.

Aber wichtiger noch als die Einsicht, daß die
Kritik, welche die Verf. dem Matth, vorenthalten, an
ihnen selbst geübt werden muß, ist etwas anderes. Die
Fülle des Dargebotenen erweckt in dem Ungeschulten
leicht die Vorstellung, als ließe sich das gesamte erste
Evangelium im Grunde nur aus palästinensisch-semitischen
Voraussetzungen erklären, könne aber auch von
hier aus bis in die Einzelheiten hinein verständlich gemacht
werden. Und doch wird oft nur belegt, wie die
Rabbinen über irgend etwas gedacht haben, was im
Matth.evangelium erwähnt wird. Nun ist dieses Evangelium
doch aber ein original griechisches, auf Grund
griechischer Quellen gearbeitetes Buch. Für vieles im
Evangelium stellt uns demgemäß die griechische Welt
Gegenstücke zur Verfügung, die zeitlich und sachlich
besser passen, etwa zu der Sternerscheinung oder mancher
Wundererzählung.

Wir bedürfen deshalb als Ergänzung zu unserem
Werk einer ähnlich reichhaltigen Sammlung aus dem
Gebiet der ixrvt}. Dann erst werden wir den ganzen
Vorteil aus ihm zu schöpfen im Stande sein und die
Linie zwischen den palästinensisch-semitischen und griechischen
Elementen im Matth.evangelium zu ziehen vermögen
. Bis dahin bedarf es einer gewissen Vorsicht
beim Gebrauch des kostbaren, aber zweischneidigen
Werkzeuges, das uns in die Hand gelegt ist. Unser
Buch ist zweifellos berufen, auf die neutestamentliche
Forschung der Zukunft bestimmenden Einfluß zu gewinnen
. So möge man meine Warnung nicht als Ausfluß
undankbarer Nörgelsucht auffassen, sondern als
Ausdruck des Wunsches, daß es ungeschmälert den
Segen stiften möchte, der von seinen ausgezeichneten
Eigenschaften zu erwarten ist.

Göttingen. Walter Bauer.

Moberg, Axel: Le Livre des Splendeurs. La grande grammaire
de Gregoire Barhebraeus. Texte syriaque e'dite d'apres les manuscrits
avec une introduction et des notcs. Lund: C. W. K. Gleerup 1922.
(XCIX, 268 S.) gr. 8°

Die Kirchensprache der syrischen Christen hat ihre
Heimat im mittleren Mesopotamien mit Edessa als Zentrum
. Sie verbreitete sich mit der Bibelübersetzung über
Gegenden, in denen man im Leben anders sprach, und
auch in der Heimat blieb die alte Sprache nicht unverändert
. So stellte sich bald das Bedürfnis heraus,
das richtige Lesen der heiligen Schriften durch Beobachtung
der Eigenart ihrer Sprache und Aufstellung von
Normen für die Aussprache zu sichern. Dieses Bedürfnis
wurde noch dringender, als nach der Eroberung des
Islams das Aramäische in Syrien sehr bald durch das
Arabische zurückgedrängt wurde und die syrischen
Christen in ihrer großen Mehrzahl arabisch sprachen. In
älterer Zeit waren die Syrer in ihren sprachlichen Studien
von den Griechen abhängig; besonders war es die
Teyjvrj yQafxf.imrA.ri ^ des Dionysius Thrax, die ihren
Einfluß ausübte. Später gingen die Syrer ebenso wie
die Juden bei den Arabern in die Schule. Die älteste
umfassende Grammatik des Syrischen, die des Jakob von
Edessa, war freilich schon in arabischer Zeit geschrieben,
aber in deren Anfängen, und sie war von den Arabern
noch nicht beeinflußt. Als sechs Jahrhunderte später, zu
einer Zeit als die Kenntnis des Syrischen im Wesent-