Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1923 Nr. 18

Spalte:

379-380

Autor/Hrsg.:

Rauch, Wendelin

Titel/Untertitel:

Engelbert Klüpfel, ein führender Theologe der Aufklärungszeit 1923

Rezensent:

Zscharnack, Leopold

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

379

Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 18.

380

Friedrich von der Recke's, des Gründers des Kurländischen
Provinzialmuseums, der s. Z. u. a. Göttingen und
Bonn mit lettischen Drucken versorgt hat (S. 263 ff.).
Die Aufgabe bleibt trotz der veränderten Verhältnisse bestehen
.

Breslau. L. Zscharnack.

Rauch, Priv.-Doz. Dr. Wendelin: Engelbert Kiüpfel, ein führender
Theologe der Aufklärungszeit. Freiburg i. Br.: Herder & Co.
1922. (VIII, 273 S.) 8° = Abhandl. zur oberrhein. Kirchengesch.
Hrsg. von Dr. Emil Göller. I. Band. Gz. 4.

Während andere kirchenhistorische Territorialvereine nicht einmal
in der Lage sind, ihre Jahrbücher wie früher herauszubringen, ist es
dem Kirchengeschichtlichen Verein für das Erzbistum Freiburg vergönnt
, neben seinem Diözesan-Archiv eine Reihe von selbständigen
größeren Abhandlungen zur Kirchengeschichte seines Bezirks, für die
das Badische Kultusministerium einen namhaften Beitrag gespendet
hat, ins Leben zu rufen. Es ist erfreulich, daß der vorliegende l.Bd.
mit seiner Behandlung eines katholischen Aufklärungstheologen eine
notwendige, auch katholischerseits in der Vorkriegszeit in Angriff genommene
, aber dann wieder zum Stillstand gekommene Arbeit wieder
aufnimmt, um durch biographische Forschungen das wirkliche Bild
der Aufklärungsbewegung im katholischen Deutschland festzustellen
Und in dieser fortschrittlichen Bewegung des 18. Jahrhundert steht
Freiburg i. Br., seitdem hier die österreichische Regierung die antijesuitische
Reform in die Hand genommen hatte, bekanntlich nicht an
letzter Stelle, sodaß z.B. Sägmüller in seiner bekannten Fehde mit
Merkle über „Wissenschaft und Glauben" bzw. „Unwissenschaftlichkeit
und Unglauben" in dieser katholischen Aufklärung auch stark
mit Freiburger Beispielen operiert und auf Kiüpfel, Wanker, Danncn-
mayer, Schwarzl und „ähnliche Subjekte" (!) öfters hingewiesen hat
Betreffs Klüpfels, des Freiburger Dogmatikers, hatte freilich auch
Sägmüller trotz der von keinem Geringeren als J.A.Möhler (Ges.
Schriften und Aufsätze, 1839, S. 178f.) an diesem geübten, von S.
übernommenen scharfen Kritik und der Feststellung seiner ungeistigen
und ungeistlichen Wirkung auf den Badenschen Klerus zugegeben,
„daß er nicht als voller Aufklärer bezeichnet werden könne". Aber
schon bei Möhler, der doch in seiner „Kirchengeschichte" (III, S.310)
Klüpfels Dogmatik als „mit Talent und Geschick nach den Bedürfnissen
der neueren Zeit bearbeitet" hat charakterisieren können, und
noch in den späteren Darstellungen der Freiburger Verhältnisse war
Klüpfels Bild so schwankend, daß man eine eingehende biographische
Behandlung dieses Theologen nur dankbar begrüßen kann. Und wenn
Rauch dabei der Frage der Reform des dogmatischen Studiums und
des Inhalts der Kl.schen Dogmatik den breitesten Raum gibt, so
entspricht dies nicht nur der hauptsächlichsten Interessenrichtung Kl.s
und seiner stärksten Wirkung — seine ,Institutiones Theologiae dog-
maticae' (zuerst 1789) waren fast ein halbes Jahrhundert das offizielle
Lehrbuch der Dogmatik an den österreichischen Universitäten; sondern
gerade dadurch mußte am meisten Licht fallen auf die theologische
Art Kl.s, der einerseits ein ausgesprochener Gegner der alten dogmatischen
Methode, der Jesuiten, der üblichen Ablaßpraxis, einer päpstlichen
Unfehlbarkeit u. dgl. war, anderseits in seinen jahrelangen
Fehden mit Semler so scharf von dessen vermeintlichem christusfeindlichen
Geist, Voltaireschem Deismus, Indifferentismus und Naturalismus
, überhaupt von dem Aufklärungsprotestantismus, wie er ihn sah,
abgerückt ist, sodaß im Blick auf ihn, der als Kritiker ohne Frage
in diese kritische Bewegung hineingehört, doch das Merkmal des
Naturalismus und eines durchgängigen folgerichtigen Kampfes gegen
den Supranaturalismus aus dem Begriff der kirchlichen Aufklärung
ausgeschieden werden muß. Das hatte u. a. schon Merkle gegen
Sägmüllers Kennzeichnung der kath. Aufklärung richtig gesehen.
Rauch sieht leider nicht, daß aber auch die von Kl. so charakterisierte
protestantische kirchliche Aufklärung auch keineswegs als konsequenter
Naturalismus gewertet werden kann; daraus gerade erklärt sich
ja z. B. auch Semlers Kampf gegen den „Ignoranten" und „Kalumnianten
" Kl. und seine „infame" „Inquisition" (S. 205ff.), dessen
„persönlichen" Ton Rauch nur deswegen nicht begreift, weil er den
Aufklärungsbegriff, den er von Kl. mit Recht abwehrt, für die
protestantische Aufklärung festhält.

Mit Recht hat R. seine Aufgabe darin gesehen, nicht nur die
fertigen „Institutiones" Kl.s zu analysieren, sondern an der Hand
von Kl.s Besprechungen in seiner kritischen Zeitschrift, der „Nova
Bibliotheca Ecclesiastica Friburgensis" (1775—90), sowie der älteren
Dissertationen Kl.s die Entstehung seines Systems und die Gleichheit
seiner Tendenz zu erweisen. Aber man sähe nun gern auch die Verbindungslinien
deutlicher gezogen, die von Kl.s historischen
Erkenntnissen zu seinem „augustinisch-thomistischen" System hinführen
, und vermißt deswegen eine zusammenfassende Charakteristik
seines Geschichtsbildes. Sein Bild vom „alten" Christentum hat ihn
doch nicht zuletzt zu seiner dogmatisch antispekulativen, antischolastischen
, kirchenrechtiieh antizentralistischen und antihierarchischen
Haltung und zur Kritik anderer „Neuerungen" geführt, und seine der

Dogmatik eingestreuten, oft sehr ausführlichen dogmenhistorischen
Partien sollen die Berechtigung seiner Reduktionsarbeit erweisen.
Diese Zusammenhänge bleiben bei Rauch unklar. Man wird Kl. am
besten vergleichen können mit den konservativen, biblizistisch gerichteten
Vertretern der protestantisch-aufklärerischen „Neologie", nur
daß sich bei ihm mit dem Biblizismus, der ihn die Offenbarungswahrheit
auf Kosten der natürlichen Erkenntniskraft, aber auch scholastischer
Art und aller „Neuerungen" bevorzugen läßt, die katholische, aber
stark antik eingestellte Traditionswertung verbindet zu einer normativen
Wertung der „veneranda Antiquitas", des „verbum Dei
scriptum traditumve". Deswegen kann R. feststellen, daß bei Kl. das
Gegenteil von dem zutreffe, was Möhler als charakteristischen Zug und
als größten Fehler der Aufklärungsdogmatik angibt, daß sie nämlich
„die eigene Würde preisgab und immer nur zu beweisen suchte, daß
die Philosophie mit ihren Behauptungen einverstanden sei oder wenigstens
nichts dagegen hat"; tatsächlich gilt für KL: „ratio instrumentum
est, non iudex".

Von den anderen Partien des Buches sei wenigstens noch kurz
hingewiesen auf S.225ff. über das vielgetadelte Freiburger Gutachten
vom 12. Juli 1790 über die — von der Fakultät bejahte — Frage, ob
die pretres assermentes als rechtmäßige Seelsorger anzuerkennen
seien, oder auf S. 182 ff. über Kl.s zumeist positive Stellung zum
Josephinismus (vgl. auch S.240. Der von ihm herausgegebene 6. Band
der Straßburger „Vollständigen Sammlung aller Schriften, die durch
Veranlassung der kaiserl. Toleranz- und Reformations-Edikten, auch
anderen Verordnungen, größtenteils zu Wien erschienen sind", ist
übrigens nicht, wie R. Sv13 im Schriftenverzeichnis Kl.s schreibt,
1780, sondern erst 1786 erschienen; Bd. 1—5 1784).
Breslau. L. Zscharnack.

Alexander, Archibald B. D.: The shaping forces of modern
religious thought. Glasgow: Mac Lehose, Jackson and Co. 1920.
(XVII, 445 S.) 8° 14 sh.

Das Buch, dessen Verfasser in England durch eir.e
kurze Geschichte der Philosophie, eine Schrift über die
Ethik des Paulus und anderes bekannt geworden ist,
will angeblich die Faktoren zur Darstellung bringen, die
bei der Gestaltung und Ausprägung des „modernen religiösen
Denkens" wirksam gewesen sind. Was mit solchem
Unternehmen gemeint sei, soll wohl die beigefügte
Formel erklären, es handle sich um eine „Geschiente der
theologischen — versteht sich, der protestantisch - theologischen
— Entwicklung". Den sehr bunten und mannigfaltigen
Inhalt des Werkes in gebotener Kürze hier zu
veranschaulichen wird aber, falls man sich nicht bei einer
bloßen Nomenklatur beruhigen will, kaum anders möglich
sein als durch eine, freilich nur andeutende, Übersicht
über die Disposition und Gliederung des Ganzen.

Drei Hauptteile also! Der erste will diejenigen
Faktoren aufzeigen, die für die Gestaltung des gegenwärtigen
„religiösen Denkens" von fundamentaler Bedeutung
gewesen sind und bleiben. Anknüpfend an die
sogenannten Vorläufer der Reformation einerseits, an die
Renaissance anderseits, charakterisiert da der Verfasser
zunächst die Persönlichkeiten der Reformatoren, vor
allem Luthers und Calvins, jedoch unter merklicher
Bevorzugung des letzteren. Dann schildert er in verhältnismäßig
knappen Formen die unmittelbar auf die Reformation
folgende Periode: die Gegenreformation, die
dogmatischen Streitigkeiten innerhalb des Protestantismus
, insbesondere den Socianismus und Arminianismus;
während in den anschließenden Kapiteln etwas ausführlicher
folgende Themata durchgesprochen werden: das
Puritanertum und die zeitgenössischen Auseinandersetzungen
mit diesem; die Theologie des Rationalismus,
speziell die des Deismus, und ihre Gegner; die verschiedenen
Typen des Pietismus und Quietismus in Holland,
Deutschland, England, Frankreich.

Der zweite Hauptteil trägt den Titel „Con-
tributory Factors", soll also Auskunft erteilen über
solche Erscheinungen, die zwar nicht von grundlegender
Bedeutung waren, jedoch etwas beigetragen haben zur
Ausgestaltung der „modernen religiösen Denkweise"^
Es kommen hintereinander zur Sprache: die Philosophie
des Idealismus, als deren Hauptvertreter Kant, Fichte
und namentlich Hegel herausgehoben und daher eingehender
gewürdigt werden; die Bibelkritik in Deutsch-
! land und England; die Entwicklung der Naturwissen-