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Ausgabe:

1923 Nr. 18

Spalte:

374

Autor/Hrsg.:

Schwartz, Eduardus

Titel/Untertitel:

Acta Conciliorum Oecumenicorum. Tom. I: Vol. 4 1923

Rezensent:

Koch, Hugo

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373

Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 18.

374

in die Rolle von Tyrannen geschoben werden. Zu loben
scheint mir, daß A. sich bemüht mit dem handschriftlich
überlieferten Texte auszukommen, auch entbehrliche
Konjekturen Försters zurückweist, wie er denn in der
Regel eine gesunde Exegese bietet. Von vorläufig noch
unentscheidbaren Zweifelsfällen abgesehen, führe ich
nur zwei Ausnahmen an, beide von S. 44. Sollte Liba-
nius cp. 91 bei 1'toxgaTirjg auftßaivwv Tq>

tqoma rqg Ttökewg statt des schlanken Hinweises
auf die Übereinstimmung zwischen Sokrates und dem
Geist Athens, die Einschränkung Apelts beabsichtigt
haben: „Sokrates, in seiner Denkungsart ganz mit dem
damaligen Gemeinwesen übereinstimmend, war sich
völlig klar darüber"? Und^läßt sich rj. 90 xahoi
luv ye xahxvxwv exelviov ovre 7tknvg ovre aXhq rig
rtfüTo TaXairtiogiu übersetzen: Und doch hätte ihnen
die Annahme jener Talente nicht nur das weitere Ausharren
auf den Schiffen, sondern auch jede andere Not
erspart"? Und deckt sich damit die Erklärung S. 91, hier
heiße qyelod-ai „bestimmend für etwas sein", Einfluß
auf etwas haben? Genügt es nicht, auch statt aller
Conjecturen, für rjytiait-ai die stark rhetorische Metapher
anzunehmen: vor etwas hergehen? Also: dabei
ging dem Anerbieten des Mardonius — eben den Talenten
— weder längeres Verbleiben auf den Schiffen,
also eine Art Exil, noch sonst eine Quälerei voraus; bildlos
: Mard. hatte die Auslieferung des Goldes an keine
für die Athener quälerischen Vorbedingungen geknüpft.
S. 34, 5 ff. wird durch A.'s Wortlaut nicht klar, wer auf
der Bühne erscheinen soll, S. 42, Z. 3 v. u. nicht, wer
sich unterhält, ob Anytos oder Sokrates oder Pindar.
A. scheint wie Foerster an Homer den Dichter zu
denken, aus dem Zusammenhang allein wird dies aber
kaum ein Leser erraten.

Marburg. Ad. Jülicher.

Premerstein, Anton von: Zu den sogenannten alexandri-
nischen Märtyrerakten. Leipzig: Dictcrich'sche Verlh. 1023
(III, 76 S.) gr. 8° = Philologus. Suppl. Bd. 16, H. 2. Oz. 3,50.

Adolf Bauer hat 1901 für eine Gruppe von Papyrus-
Stücken aus dem 2. und 3. Jahrh. n. Chr. den Namen
heidnische Märtyrerakten vorgeschlagen; sie haben das
mit einander gemein, daß in ihnen alexandrinische Gesandte
vor dem kaiserlichen Gericht in Rom Gelegenheit
erhalten, angesichts der über sie verhängten Todesstrafe
ihren Adel, ihren Mut wie ihre geistige Überlegenheit
gegenüber der fremden Staatsgewalt demonstrativ
zu betätigen. Diese Akten sind immer wieder gründlich
untersucht worden, namentlich U. Wilcken, R.
Reitzenstein und W. Weber haben die Forschung gefördert
. Angesichts des fragmentarischen Charakters
der Überlieferung ist gleichwohl vieles ungeklärt geblieben
, wie im Verständnis der einzelnen Sätze und
Worte, so betreffs der Zusammenhänge zwischen den
Hauptbestandteilen. Soll der Zufall uns eine Reihe von
Flugblättern, die aus amtlichen Protokollen über die
Schicksale alexandrinischer Gesandtschaften unter mindestens
4 Kaisern, Claudius, Trajan, Hadrian, Commodus
berichteten, erhalten haben? Und erklärt sich ihre starke
Übereinstimmung in Tendenz und Haltung, aber auch im
Wortlaut, wirklich aus der Benutzung der immer gleich
genauen amtlichen Quelle? Der Historiker A. v. Premerstein
hat, indem er das Quellenmaterial noch um einiges
erweitert, diese Probleme neu geprüft und mit Scharfsinn
und Umsicht allerlei kleine Schäden verbessert,
vornehmlich aber die Frage nach dem Ursprung und geschichtlichen
wie literarischen Wert dieser Stücke auf
Gne mir durchaus einleuchtende Weise beantwortet. Nur
für ein Stück nimmt er Glaubwürdigkeit in Anspruch,
für die Paulus- und Antoninusakten aus der Zeit Hadrians
, die, wenn auch nicht aus Staatsprotokollen geschöpft
, so doch unmittelbar auf den Berichten der beteiligten
Alexandriner fußen. Alles Übrige gehört zu einem
vielleicht um 214 unter Caracalla verfaßten Ten-
oenzroman, der die blassen Erinnerungen der alexandri-

nischen Griechen an die Mißhandlungen ihrer Gesandten
in Rom seit den Anfängen der römischen Fremdherrschaft
bis zur Gegenwart herab, ohne jede Benutzung
amtlicher Quellen, aus der Phantasie, mit wenig Sachkenntnis
, mit um so mehr Entschlossenheit zum Herunterreißen
des verhaßten Roms, aufzufrischen und in
dieser Aufmachung der Grausamkeit, der Feigheit, dem
Ungeschick und der von Weibern abhängigen Erbärmlichkeit
der Cäsaren griechischen Heldensinn, Schlagfertigkeit
und Geistesgröße gegenüberzustellen. Die
Hauptpersonen sind also geschichtlich teils nachweisbar,
wie die aus Philos Kämpfen um 39 bekannten Isidorus
und Lampon, teils wie Appianus um 190 probabel; das
meiste Übrige ist literarische Einkleidung. Der einheitliche
Charakter dieser weit mehr romfeindlichen als antisemitischen
Haß- und Werbeschrift, die den Geschmack
der Alexandriner um 215 ausgezeichnet getroffen haben
muß, wird überzeugend klargelegt, womit eine schon
1898 von Deißmann geäußerte Vermutung wenigstens
zur Hälfte eine gute Rechtfertigung erfährt.

Daß diese Studie dem Historiker der ersten 3 Jahrhunderte
an verschiedenen Punkten neue Kenntnisse und
Aufschlüsse vermittelt, insbesondre zur Geschichte der
Juden und Alexandriens, veranlaßt mich nicht in erster
Linie, sie der Aufmerksamkeit der Fachgenossen zu
empfehlen, sondern daß sie für das Studium mancher
christlicher Märtyrerakten, überhaupt dieses ganzen Literaturzweiges
schätzbare Anleitung bietet. Der Verf.
übersieht keineswegs den Unterschied zwischen diesen
heidnischen Märtyrern, die eigentlich gar keine sind, und
etwa einem Polykarp oder Pionius; e r würde den Namen
Märtyrerakten für diese Papyri nicht aufgebracht haben.
Aber daß das yhog der christlichen Märtyrerakten in
einer späteren Periode auf ein ähnliches Geleis gerät
wie das jenes alexandrinischen Romanschriftstellers, wird
nicht zu bestreiten sein, daß auch da oft die Richter nur
abgegriffene Typen sind, die Märtyrer nur noch Zeugen
menschlichen Dünkels und schmähsüchtigen Hasses.
Das älteste Exemplar dieser Gattung von Märtyrerakten
geschichtlich zutreffend eingeordnet und in seineii maßgebenden
Zügen scharf umrissen zu haben, ist das Verdienst
v. Premersteins.

Marburg. Ad. Jülicher.

Acta Conciliorum Oecumenicorum. Jussu atque mandato Socie-
tatis scientiarum Argentoratensis cd. Eduardus Schwärt z.
Tomus I: Concilium universale Ephesinum vol. IV:
Collectionis Casinensis sive Synodici a Rustico
Diacono compositi pars altera. Fase. IV. Berlin: Walter
de Gruyter & Co. 1923. Oz. 7,5.

Vorliegendes Heft 4 bringt den zweiten Teil der
Collectio Casinensis zum Abschluß mit den Nummern
309—312 (p. 241—245). Ferner enthält es die bisher
ausstehende praefatio (p. I—XXI) mit lehrreichen Aufschlüssen
über die Sammlung, über den römischen Diakon
Rusticus, den Urheber des Synodicon, über dessen
Hauptgewährsmann Irenäus und seine übrigen Quellen,
sowie über Handschriften und bisherige Ausgaben. Wo
er die ,Tragoedia' des Irenäus gefunden habe, verschweigt
Rusticus, und er wird dazu seine Gründe gehabt
haben. Wahrscheinlich befand sie sich ebenfalls,
wie seine übrigen Quellen, in der Bibliothek des Akoi-
metenklosters, wo Rusticus während seines Aufenthaltes
in Konstantinopel — mit seinem Oheim Papst Vigilius —
Wohnung genommen hatte. Eine Angabe des Fundorts
hätte dem Kloster Ungelegenheiten und dem Buch die
Gefahr des Feuertodes gebracht. Endlich bietet das
Heft sehr sorgfältige Indices zum vol. IV: Gesamtinhalt,
Schriftstellen und andere Anführungen, Bischofslisten,
Namen, Örtlichkeiten, staatliche Würdenträger, Kirchliches
, Grammatisches. Schwartz hat durch seine Gabe
den vollen Dank der Wissenschaft verdient, und ich
wiederhole den Wunsch, daß das Unternehmen allen
Gewalten zum Trotz sich erhalten möge.

München. Hugo Koch.