Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1923 Nr. 1

Spalte:

346-347

Autor/Hrsg.:

Bees, Nikos A.

Titel/Untertitel:

Kirchliches und Profanes vom nachchristlichen Platäa 1923

Rezensent:

Dibelius, Martin

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

345

Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 16/17.

346

(Gal. 2,10 = Apg. 11,29 f., nicht 9,29, wie S. 34 irrtümlich steht),
und zwar in Südgalatien; sie fällt also in den Zeitraum zwischen
Oal. 2, 1 ff. und 2,11 ff. Nach dem antiochcnischen Konflikt des Paulus
mit Petrus (Gal. 2, 11 ff.) machen Gesetzeseiferer den Versuch, zuerst
in Antiochien, hernach in die galatischen Gemeinden einzudringen.
Das führt zu einer ersten mündlichen Besprechung der Gesetzesfrage
in Antiochien (Apg. 15,2), sodann zu der heftigen schriftlichen Bekämpfung
der „Falschbrüder" im Gal.brief, der in diese Zeit zu setzen
ist; endlich zu dem Gemeindebeschluß, den gesamten Komplex der
strittigen Fragen auf dem sog. Apostelkonzil in Jerusalem zu erörtern
(Apg. 15,6 ff.). Dieses „ist das wichtigste und folgenreichste Ereignis
in der Geschichte des Urchristentums".

Die Untersuchnng ist recht scharfsinnig, doch scheinen mir
auch jetzt nicht alle Gründe der geläufigen Anschauung widerlegt, die
Glcichsetzung der Kollekten in Oal. 2,10 und Apg. 11,29 kann lebhaftem
Zweifel begegnen. Schade auch, daß der Verf. sich gar nicht
mit neueren Aufstellungen (z. B. Max Webers glänzenden Bemerkungen
in Oes. Aufsätze zur Religionssoziologie 111,439) auseinandersetzt.
Breslau. Ernst Lohmeyer.

S c h u 11 z e, D. Dr.Victor: Altchristliche Städte und Landschaften.
11. Kleinasien. Erste Hälfte mit 58 Abbildungen. Oütersloh: C.
Bertelsmann 1922. (XII, 477 S.) gr. 8° Oz. 12,— ; geb. 14,—.

Ein Stück Geschichte kleinasiatischer Landschaften
und Städte aus den ersten fünf christlichen Jahrhunderten
entsteht in mannigfaltigen Bildern vor unseren Augen.
Die Bilder sind vor allem wie der Verf. betont, aus
reicher Verwertung archäologischer Funde gewonnen;
daneben hat eigene Anschauung des Landes, und häufig
genug auch das literarische Material ihnen, wo es möglich
war, farbige Lebendigkeit gegeben. Aber diese
Bilder sind nicht um ihrer selbst willen entworfen,
sondern sollen „der Erfassung des Ganzen kleinasiatischer
Kirchengeschichte in seinen inneren Zusammenhängen
und in der Fülle seiner Lebensenffaltung" dienen
. Zu diesem Zweck gibt ein erster Teil in großen
Umrissen eine allgemeine Schilderung kleinasiatischen
Lebens, des außen- wie innerpolitischen, des kulturellen
wie religiösen, und verfolgt seine wechselreiche und oft
dunkle Geschichte von der vorchristlichen, römischen
Zeit bis etwa in die Regierungsjahre Justinians. Erst
dann wendet sich die Untersuchung den einzelnen Provinzen
zu, gibt auch hier zunächst eine allgemeinere
Darstellung der provinzialen geographischen wie nationalen
Zustände und der geschichtlichen, besonders der
christlichen Lebensäußerungen, und erst innerhalb dieses
größeren Rahmens eine Schilderung der einzelnen
Bischofsitze und Diözesen. So ziehen Bilder aus Pontos,
Paphlagonien, Honorias, Bithynien, Hellespontos und
Phrygien vorüber.

Das Programm, dem die Heranziehung des weitverzweigten
archäologischen Materiales dienen soll, ist
groß und wertvoll; aber es entsteht hier, wo der Verfasser
nicht wie in dem 1911 erschienenen ersten
Teile seines Werkes über Konstantinopel eine Welthauptstadt
, sondern Provinzen von wechselnder historischer
Bedeutung zum Gegenstand seiner archäologisch-historischen
Forschung gemacht hat, die Frage, ob das vorhandene
Material die Durchführung nicht nur des Programms
, sondern auch der Einzelschilderungen erlaubt.
Mit großer Sorgfalt ist zwar aller archäologischer Stoff
aufgenommen, „der sich finden ließ", und nichts wesentliches
scheint dem Verf. entgangen; aber er gesteht
z- B. für die Provinz Paphlagonien, die freilich wenig
durchforscht ist, daß „die Gesamtzahl der bisher bekannten
, sicher christlichen Inschriften nicht einmal zwei
Dutzend erreicht", und sie verteilen sich über einen
Zeitraum von 5 Jahrhunderten. Es müssen deshalb doch
weitgehend literarische Quellen den Mangel archäologischen
Materiales ersetzen; aber auch sie sind häufig für
die Geschichte einzelner Bischofssitze nicht gerade ergiebig
. Was sie geben, ist nur zu oft eine Reihe bischöflicher
Namen, die gar nichts, und eine Reihe Anekdoten
und Legenden, die wenig sagen. Nur dort kann die
Darstellung belebter werden und ihrem großen Ziele
näher kommen, wo sie aus bekannteren literarischen
Quellen schöpfen kann, etwa über Nikomedien, über
Phrygien; wo sie aber zur „Erfassung des Ganzen" ausholt
, wie in dem ersten allgemeinen Teile über kleinasiatisches
Leben, da ist sie bisweilen zu allgemein und
dringt nicht — worauf doch gerade ein archäologische
Forschung Wert legen muß, — in die Tiefe und Fülle
der Konkretionen; ich denke etwa an die Ausführungen
über die Bedeutung der hellenistischen Stadt in Kleinasien
, über die provinziale und kommunale Verwaltung,
über den Formenreichtum heidnisch und christlich religiösen
Lebens.

Wenn so diese sorgfältigen und im Einzelnen dankenswerten
Untersuchungen das Ziel nicht zu erreichen
scheinen, das sie sich selbst gestellt haben, so sind auch
die Gründe dafür wohl erkennbar. Das Programm des
Werkes ist von dem glänzenden Bilde hergenommen, das
aus der Fülle antiker oder hellenistischer archäologischer
Funde im letzten Jahrhundert uns erstanden
ist; was hier eine mit eindringendem Blick und reicher
Kombinationsgabe begnadete Forschung erreicht hat,
das soll auch für die Kirchengeschichte begonnen weiden
. Aber es scheint dabei nicht genug beachtet, daß
kein glückhaftes Geschick und keine Mäzenatengunst
bisher einer Wissenschaft vom christlichen Altertum
I auch nur vergleichbare Mittel zu ihrer Forschung hat
liefern können. Und das scheint nicht zufällig; denn
man darf grundsätzlich zweifeln, ob je christliches Leben
der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung wieder
aus Steinen erwachen kann wie antikes und hellenistisches
Leben in farbiger Blüte aufgegangen ist. Denn
die christlichen Generationen drängen nicht mehr wie
ihre anders gesinnten heidnischen Vorgänger, nach Verewigung
in Stein und Werk, zum mindesten nicht in
den ersten drei Jahrhunderten. Dann aber waren die geschichtlichen
Stürme, die in byzantinischer und späterer
Zeit über Kleinasien gingen, verheerender als etwa die,
welche Italien trafen; und in Kleinasien beseelte kein
Kulturwille die Zerstörer und nur geringe Tradition
schlang sich zwischen den neuen Herren und den alten
Untertanen. Unter solchen Umständen aber sind die
Aussichten nur gering, aus archäologischem Material „ein
Gesamtbild christlichen Altertums" in Kleinasien zu entwerfen
; vielmehr werden so lange die alten, d.h. literarischen
Quellen in alter, fast einziger Geltung bleiben,
bis eine systematische Forschertätigkeit versunkene
Schätze zu heben vermag, wie es gerade auf kleinasiatischem
Boden etwa für das Hethiterreich begonnen
ist, und wie sich für die Geschichte christlicher Kunst
schon hoffnungsvolle Anfänge gezeigt haben; so lange
wird man sich auch bescheiden müssen, in glücklichen
Fällen vereinzelte Bestätigungen und Ergänzungen aus
archäologischen Funden zu dem Bilde geschenkt zu erhalten
, das aus anderen, vor allen literarischen Dokumenten
sich erschlossen hat. Und darin gibt auch dieses
Werk manche förderliche Züge und Winke.

Das Buch ist in seiner jetzigen Gestalt ein Torso.
Die Reihe der Schilderungen einzelner Provinzen hat um
äußerer Druckschwierigkeiten willen vorzeitig abgebrochen
werden müssen. So fehlen gerade die Landschaften
, von deren archäologischer Erforschung vielleicht am
ehesten neue historische Erkenntnis zu erwarten wäre,
die westlichen und südlichen Küstenprovinzen, aber auch
solche wichtigen binnenländischen wie Kappadokien und
Galatien. Möchte es dem Verf. vergönnt sein, sein
Werk zu glücklichem Ende zu bringen, nicht zum wenigsten
, um einen Teil der Bedenken zu zerstreuen, die sich
jetzt gegen den Torso erheben müssen.

Breslau. Ernst Lohmeyer.

Bees, Nikes A.: Kirchliches und Profanes vom nachchristlichen
Platäa. (Separatabdruck aus „Janus" Heft 1. Festschrift
zu C. F. Lehmann-Haupts 60. Geburtstage.) (S. 214—224.) gr. 8°
Wien 1921.

Es handelt sich um epigraphische und andere Zeug-
I nisse über Platää aus der Zeit zwischen dem IV. Jahr-
! hundert und der Türkenherrschaft; sie sind bereits ver-
! öffentlich! (die epigraphischen meist in IG VII), wer-
I den aber hier zusammengestellt und auf ihren orts- und