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Ausgabe:

1923

Spalte:

13-15

Titel/Untertitel:

Festgabe, von Fachgenossen und Freunden Karl Müller zum siebzigsten Geburtstag dargebracht 1923

Rezensent:

Ritschl, Otto

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13

Theologifche Literaturzeitung 1923 Nr. 1.

nutzung bezw. Erläuterung des Diateffarontextes das
Wort des Herrn über Petrus und die Kirche gelefen zuhaben
fcheine; Ephram habe bei Tatian wahrfcheinlich noch
nicht den Satz getroffen, der den Simon als ,Fels der
Kirche' hinftelle. Ich habe meinerfeits in neuerer Zeit
wiederholt, mit im Anfchluß an Harnack und doch fehr
anders, die Matthäusftelle gewürdigt. Vgl. fpeziell
meinen Auffatz ,Der Spruch über Petrus und die Kirche
bei Matthäus' in .Neuteftamentl. Forfchungen. Sonderheft
der Theol. Stud. u. Kritiken' (1922). Ich bin
durch Euringers fehr gelehrte und gediegene Arbeit auch
indirekt nicht mitbetroffen. Denn meine Deutung der
jivlai aSov konnte er noch garnicht berückfichtigen
und fie 'ift völlig unabhängig von der Frage, die er im
Auge hat. Ich beanftande die von v. H. beargwöhnten,
vielmehr ausdrücklich für Interpolation im textus receptus
unteres NT.s erklärten Worte garnicht. Immerhin fehe
ich Punkte, wo ich meinerfeits gern, wenn fich mir die
Gelegenheit bietet, mit Euringer diskutieren werde.
— Nr. 13: A. M. Koeniger, Prima sedes a nemine ju-
dicatur (verfolgt das Werden diefes Gedankens in eindringlicher
Unterfuchung der Ideen über Richten und
Gerichtetwerden in der Urchriftenheit bis hin zu der
Vorftellung vonderUnabfetzbarkeit derBifchöfe und zuletzt
der Befonderung der unbefchränkten Souveränität des
Amts auf die Päpfte).

Noch enthält der Band folgende 13 Auffätze: Nr. 2:
P. B. Albers, Über die erfte Trauerrede des hl. Am-
brofius zum Tode (eines Bruders; Nr. 6: A. Dyroff,
Zu Ephräms (?) Rede über ,Alles ift Eitelkeit und Geiftes-
plage' (Unterfuchungen über antike Vergleiche, Infonder-
heit, den des Lebens mit einem Traume); Nr. 12:
J. P. Kirfch, D. Martyrologium Hieronymianum u. die
römifche Depositio martyrum im Chronographen vom 354;
Nr. 3: A. Baumftark, Liturgifchcr Nachhall aus der
Verfolgungszeit. Ferner: Nr. 4: A. Bigelmair, Zur
Frage des Sozialismus u. Kommunismus im Chriftentum
der erften drei Jahrhunderte; Nr. 14: J. Lortz, Das
Chriftentum als Monotheismus in den Apologien des
zweiten Jahrhunderts; Nr. 18: W. Rothes, Heidnifches
in altchriftl. Kunft u. Symbolik; Nr. 19: A. Schenz,
Glaube u. Praxis im Frühchriftentum (erbaulich); Nr. 20:
F. M. Schindler, D. Lüge in der patnftifchen Literatur
(eine, fo viel ich weiß, noch nie angelteilte Sonderunter-
fuchung; Sch. führt fie hinaus bis auf Auguftin und feine
beiden Schriften de mendacio und contra mendacium,
die er fbrgfältig analyfiert). — Schließlich: Nr. 21: H.
Vogels, Zur Texteinteilung in altlateinifchen Evangelien-
handfchriften. (Meinesteils auf diefem Gebiet ganz unerfahren
, kann ich nur bemerken, daß mir die Beobachtungen
, die hier regiftriert find, durchaus wichtig für
manche cruces in den Handfchriften erfcheinen); Nr. 23:
C.Wey man, Analecta sacra et profana (allerhand Notizen
zu Cicero, Salluft, Quintilian, Apulejus, Nonnus, Pf.
Origenes i. e. Gregor von Elvira, Hieronymus, Auguftin,
Sulzicius Severus, Taurenlius, Eucherius, Sedulius u. a.,
Hinweis auf erläuternde Stellen, Verifizierung von Citaten
u. dgL). — Last not least: Nr. 16: S. Merkle, Ein pa-
triftilcher Gewährsmann des Tridentinums (ein unglücklicher
Titel für ein kleines Kabinetftück aus der inneren
Gefchichte, der Werkftatt des Tridentinums) und Nr.
17: Hans Meyer, Zur Lehre von der ewigen Wiederkunft
aller Dinge (bei den Griechen und Origenes, —
Widerfpruch Auguftins vielfach intereffant).

Halle a. S. F. Kattenbufch.

Fellgabe, von Fachgenoflen und Freunden Karl Müller zum fiebzigften
Geburtstag dargebracht. (VII, S.) gr. 8°. Tübingen, J. C. B.
Mohr 1922. Gz. 8.

Die in dem vorliegenden Bande vereinigten Arbeiten
flehen durchschnittlich auf einem höhern Niveau als
manche andere bei gleichartigen Gelegenheiten veröffentlichte
Beiträge zu Fcftfchriften. In ihrer Mehrzahl verteilen
fie fich über die von der neuern Forfchung bevorzugten
Gebiete der Kirchengefchichte, und es ift ein
reichhaltiger Stoff von der verfchiedenften Art, der in
ihnen dargeboten wird.

Im erften und wieder im letzten Artikel ift es die Geftalt des
Apoftels Petrus, die fich die beiden alterten unter den 21 Mitarbeitern
als Thema erwählt haben. A. v. Harnack fammelt und befpricht in
lehrreicher Weile einige in patriftifchen Schriften zerftreute Stellen heid-
nifcher Schriltfteller, aus denen hervorgeht, mit welchem Haß die damalige
Polemik gegen das Chriftentum das Bild des Petrus entftellt hat,
und erkennt in dielen bisher nicht beachteten Zeugnifien einen Reflex
des hohen Anfehens, in dem Petrus vor allem in der römifchen Chriften-
gemeindc geftanden habe. — F. Kattenbufch befaßt fich mit der
Stellung deslelben Mannes in der TJrgemeinde zu Jerulalem und bringt
in feiner gedankenreichen und tiefgründigen Forlcherart neue Fragen
und Gelichtspunkte vor, die genauer Durchprüfung wert find. Er würdigt
Petrus als den Theologen und dtääaxaXoq der Urgemeinde, vertritt die
Herkunft von Matth. 16, 18 aus Jerufalem und zeigt, daß es ,das
mächtige Selbftbewußtfein der Jerufalemer' war, ,an fich, den Jelus-
jüngern, das Wefen des Gottesvolkes, das Israel nach dem Geifte, an-
fchaulich zu machen, vorzuleben, was Beruf der Gefamtheit der Nation
vollends jetzt in der letzten Zeit fei'.

In die nachapoftolifche Zeit der alten Kirche führen hinüber die eingehenden
Auslührungen von Wilhelm Weber über den Briefwechfel
zwilchen Plinius und Trajan. — Darauf ftcllt II. Lietzmann mit fcharf-
finniger Begründung das Verhältnis des lateinifchen zu dem nach feinen
Ermittelungen urfprünglichern griechifchen Text der Passio Carpi, Papylae
et Agathonices feft. — Dann macht es Hugo Koch in feiner Unterfuchung
wahrfcheinlich, daß die pfeudoeyprianifche Schrift adversus
aleatores ,der dem Donatiftenftreit vorangegangen n fchwülen Stimmung
in Afrika entfprungen fei: hier redet ein katholilcher Bilchof, dem die
Nachficht der Kirche und das viele Losfprechen aufs Gewiffen ging
und der darum an die alte ftrenge Kirchenzucht erinnerte'. — Fr. Loofs
bringt für die von ihm fchon feit 1905 vertretene Auffaffung des Nicä-
nums neue Gründe vor, indem er deffen abfichtliche Vieldeutigkeit nicht
mehr ,durch die Weitherzigkeit der Synodalen', fondern mit E. Schwartz
,durch die Politik des Kaifers' bedingt (ein läßt. Paul von Samofata
rechnet er wegen des bei ihm feftzuftellenden Gebrauchs von oftoovotoq
nicht mehr zu den Monarchianern, fondern zu den Vertretern einer
,altern, ftrenger monotheiftifchen und den Sohnesbegriff auf den gefchicht-
lichen und erhöhten Chriftus befchränkenden Form' der ökonomifeben
Trinitätslehre und hebt die nahe Verwandtfchaft diefer Anfchauung mit
derjenigen Marcells von Ancyra hervor.

Den Übergang zum Mittelalter bildet die geleinte Abhandlung von
A. Jülicher. Dierer unterfucht im Anfchluß an A. v. Gutlchinids
Forfchungen die Lifte der alexandrinifchen Patriarchen im 6. uud 7.
Jahrhundert und bietet zum Schluß eine Reconftruction von ihr dar,
für die er mindeftens denfelben Grad von Zuverlälfigkeit in Anfpruch
nimmt, wie für die der gleichzeitigen Patriarchen von Konftantinopel.
— H. v. Schubert erklärt in forgfamen Ausführungen Damianis
Differenzen mit Hildebrand daraus, daß jener mit Hugo von Cluny und
dem bisher fo gut wie unbekannt gebliebenen klugen Abt Adraldus
Yon Breme bei Vercelli eng verbundene Kirchenmann erfüllt war von
einer .frühmittelalterlichen Verehrung der Herrfchergewalt, deren Ausfluß
die Anerkennung ihrer ftaatsrechtlichen Stellung gegenüber der
Kirche ift'. So vertrat Damiani einen Standpunkt, auf dem er als
geradezu fatanifch Hildebrands Denkweife empfand, ,die die Menfchen

hindern wollte, den Weg der demütigen Ergebung......zu gehen,

vielmehr fie verführen wollte, den Weg der superbia tyrannidis zu
wählen. — Auf Grund einer kritifchen Unterfuchung der durch zwei
Hauptzweige vertretenen Überlieferung des Textes der fog. Reformation
Kaifer Siegmunds gelangt J. Hallcr zu dem Ergebnis, daß der Vertaner
diefer merkwürdigen Flugfchrift aus dem 15. Jahrhundert ,feinen
Titel und die fiktive Urheberfchaft Siegmunds' gewählt habe .in Erinnerung
an das entfehiedene Eintreten des Kaifers für die Reform und
wohl auch an die formellen Anträge, die fein amtlicher Vertreter dem
Konzil [von Bafel] eingereicht und die unfer Autor kennen gelernt hatte'.

An erfter Stelle der Beiträge über das Reformationszeitalter fleht
der Artikel von O. Scheel, der im Gegenfatz zu Grifar und A. V.
Müller zeigt, daß die von diefen für ihre in ihrer Tendenz allerdings
recht verfchiedenen Auffaffungen des Obfervantenftreits im Auguftiner-
Eremiten-Orden in Anfpruch genommenen Stellen aus Luthers Pfalmen-
kommentar gar nicht auf diefe befondere Begebenheit gedeutet werden
können, fondern im Zufammenhange mit leinen vielmehr ganz religiöfen
Intereffen in einem ganz allgemeinen Sinne zu verliehen feien. —
Eberhard Teufel gibt Sebaflian Francks Auslaffungen über Luther
und feine wichtigften Anflehten und über das Luthertum wieder. —
Eine befonders verdienftliche Förderung verdankt die dogmenhiftorifche
Erkenntnis F. Hirfchs Abhandlung über Schwenckfeld. Zunächft
Hellt er den grundlegenden religiöfen Einfluß feft, den auf diefen Luthers
Bußpfalmen geübt haben. Mit der unter Zwingiis Einwirkung eintretenden
Entfchcidung gegen Luthers Abendmahlslehre erfolgte dann 1525
die wichtigfte Wende in Schwenckfelds Leben. Lief auch im Unter-
fchiede von Zwingli feine Beftimmung des Heilguts auf einen fupra-
naturalcn Realismus hinaus, fo führte ihn doch andererfeits die in der
Abcndmahlslehre vollzogene Scheidung des Äußerlichen und des Innerlichen
zum Spiritualismus. Indem er als der erfte ,die Wiedergeburt
als einen fich mit organifcher Notwendigkeit durch verfchiedenc