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Ausgabe:

1923 Nr. 14

Spalte:

298-299

Autor/Hrsg.:

Bartlet, J. Venon

Titel/Untertitel:

Christianity in History. A Study of Religions Development 1923

Rezensent:

Weinel, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 14

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zieht, trifft nach Caspari für Alt-Israel so garnicht zu.
Auch sinds nach ihm nicht die Kriegswagen, sondern
die Schwerbewaffneten, die den Heerbann allmählich zurückdrängen
. Desgleichen steht das „Volk" nicht am
Anfang der Geschichte Israels, sondern ist erst Produkt
dieser Geschichte. Die Wüstenschwärme einen sich unter
religiösem Antriebe zu Sippen, aus denen dann erst —
namentlich durch das Siedeln im Lande — ein Volk wird.
Diese Religion ist nach Caspari El-Religion, wovon noch
der Name Israel (wie Ismael) zeugt, in die dann der
Jahwismus hineinwuchs (S. 170 ff.). Der Bund aber der
mit dem Sinaj verknüpft ist, ist kein Vertrag auf Gegenseitigkeit
, sondern ein „Bescheid", eine „Regelung" von
seiten Jahwes (S. 151)! Es ist wahr: man steht diesem
Buch von Caspari mit geteilten Gefühlen gegenüber.
Doch überwiegt der Dank für mancherlei Anregung
und Belehrung. Es ist gut und wichtig, daß er zu dem
bedeutsamen Werk von Weber mancherlei Warnungstafeln
aufstellt.

Bonn. Johannes Mein hold.

Hau Gleit er, Prof. D. Dr. Johannes. Die Eigenart der beiden
apostolischen Evangelien. Leipzig: Dörffling & Franke 1921.
(32 S.) 8° Qz. 0,5.

Die Schrift, ein Sonderabdruck aus der Allg. Ev.-
Luth. Kirchenzeitung, will als „theologisches Testament"
des Verf. gelten. Sie setzt voraus, daß Mk. aus Mt. geflossen
, Mt. also älter und originaler ist, und bemüht
sich nun zu zeigen, daß Mt. und Joh. in gewissen Zügen
übereinstimmen und daß dies wirklich in dem Apostelcharakter
der beiden Verf. begründet ist. Solcher Gemeinsamkeiten
nennt H. drei: 1. die großen Reden, die
sich H. durch redigierende Bearbeitung echter Jesus-
Reden entstanden denkt. „Es ist äußerst charakteristisch
, daß sich die Apostelschüler, Mk. und Lk., bei der
Mitteilung der einzelnen Worte Jesu der komponierenden
Tätigkeit enthalten haben; diese bleibt das Merkmal
der berufenen Zeugen" (S. 27). — 2. die Glaubensfrage,
die bei Mt. und Joh. in der überragenden Bedeutung der
Person Jesu hervortrete. — 3. die durchgehende Beziehung
auf das AT.

Es ist mir allerdings schon fraglich, ob damit die
Evangelien des Mt. und des Joh. richtig gekennzeichnet
sind. Was mich (und manchen anderen)
aber zu allermeist von dem Verfasser trennt, das ist
seine Auffassung von dem individualistisch - schriftstellerischen
Charakter der Evangelien. Die Annahme,
daß die Evangelisten bereits formulierten Gemeinde-
Überlieferungen in ihren Büchern Raum geben, liegt
ihm völlig fern. Er sieht, daß Mt. viel einheitlicher
ist als Mk., doch er deutet diesen Umstand zugunsten
der Mt.-Priorität. Wenn die Evangelien aber
aus der Tradition herausgewachsen sind, so spricht der
Mosaik-Charakter des Mk. gerade für relativ hohes Alter.
Mit Recht freilich kann sich H. auf die Papias-Zeugnisse
berufen. Aber die Kirche des 2. Jahrhunderts hat über
die literarische Tätigkeit der Apostel Vorstellungen entwickelt
, die ihren Ursprung aus dem Kreise einer Bildungsschicht
allzu deutlich verraten; sie sieht die Apostel
entweder selbst als Schriftsteller oder doch von Sekretären
wie Mk. und Lk. begleitet. Es ist an uns, dieses
Bild nach den Zeugnissen der ältesten Quellen, etwa der
Paulusbricfe und der Aussendungssprüche, zu korrigieren
. So lange über diesen für die ganze Auffassung
des Urchristentums grundsätzlich wichtigen Punkt noch
keine Uebereinstimmung erzielt ist, hat es wenig Zweck,
Unterschiede in der Deutung einzelner Stellen aufzuzählen
.

Heidelberg. Martin Dibelius.

Beckman n, Hanptpastor Heinz : Das lebendige Wort. Eine neue
Bibclerklärung. 2. Band: Das neue Testament. 2. Lfg. Wiesbaden.

H. Staadt 1922. (S. 161 ~ 266) gr. 8° Gz. 1,5.

Die 1. Lfg. des N. T, war von mir schon 1922, Heft 1 Sp. 6 f.
dieser Zeitschrift besprochen worden. Der nunmehr fertig gewordene

1. Bd. des N. T. umfaßt den gesamten synopt. Stoff. Die vorliegende

2. Lfg., die nur aus technischen Gründen gesondert erscheint, enthält

außer dem Reste der gemeinsamen synopt. Stücke und des Mt- Evgs. die

Sondtrstücke des Mc. und des Lc. Leider ist durch diese etwas mechanische
Anordnung das Erzählungsmaterial namentlich der Leidens- und
Auferstchungsgeschichten auseinandergerissen worden, ohne daß triftige
kritische Gründe dafür erkennbar wären.

Die Behandlung der Stoffe ist wie in der 1. Lfg.: einfühlende
Ausmalung der Erzählungen, Unterstreichung des moralischen und mystischen
Sinnes bei den Lehrstücken, reichlicher Hinweis auf historisch-kritische
Bedenken. Im Ganzen möchte man dem Verf. etwas mehr Skepsis
seiner eigenen kritischen Position gegenüber wünschen, sie enthält noeb
reichlich viel 19. Jh. Das Werk ist im guten wie im schlechten Sinne
modern. Es wird daher gute Dienste tun können, wo es sich bei der
Vorbereitung von Predigt und Religionsunterricht darum handelt, einen
Anknüpfungspunkt bei den heutigen Menschen der Städte zu
finden

Göttingen. Piper.

Bartlet, J. Vernon und Caryle, A. J.: Christianity in History.

A Studv of Religions Development. London: Macmillan and Co.

1917. (XIX, 613 S.) 8° 12 sh.

Eine geschmackvoll geschriebene, lehrreiche und
gehaltvolle Übersicht über die Entwicklung des Christentums
. Die englische Einstellung tritt nicht wesentlich
hervor, vielleicht zu wenig für ein englisches Buch.
Mir wenigstens wäre es einmal sehr interessant, die
Kirchengeschichte vom Standpunkt des Engländers zu
sehen, statt wie gewöhnlich von dem des guten Europäers
, der meist auch ein guter Deutscher ist, weil
unsere historische Theologie die englische und amerikanische
so stark beeinflußt hat. So ist es mir erstaunlich
, über den englischen Deismus nur 2 Seiten zu
finden, wenn freilich auch der Methodismus und John
Wesley dort stehen, wo man bei uns vom Pietismus
von Spener und Francke und nur anhangsweise vom Methodismus
reden würde. Aber auch das ist an sich berechtigt
, wenn man die Größe und Dauer der methodistischen
Bewegung und die Bedeutung der methodistischen
Kirche für die ganze angelsächsische Welt
bedenkt. Immerhin findet man auch wirklich englische
Gesichtspunkte hier und da, wie in dem Kapitel, das
Wordsworth mit Goethe zusammenstellt, und wenn Cole-
ridge hinter Schleiermacher behandelt ist. Auch im
einzelnen ist manches gesagt oder angedeutet, was uns
Deutschen neue Namen oder Gesichtspunkte aufleuchten
läßt. Ich hätte gern noch mehr derart gesehen.
Im ganzen ist der Abriß der uns geläufige. Er ist mit
großem Geschick gegliedert und mit klarer Knappheit
dargestellt.

Neuerer Einsicht entsprechend haben die Verfasser
die „Vorreformation" zur Reformation gezogen, also die
Entwicklung des Mittelalters über sich selbst klar hinausgeführt
, seinen Ausgang in einem Abschnitt mit
der Reformation zusammen behandelt und diesen überschrieben
„Der große Übergang". Dadurch erscheint,
wie bei Troeltsch die Neuzeit als die eigentliche, die
Zielepoche, auf die der ganze abendländische Verlauf
hinstrebt. Doch ist im einzelnen noch alles beim
Alten geblieben, auch die religiöse Erneuerung und
Luthers religionsgeschichtliche Stellung tief und klar
erfaßt. Geschickt ist die Zusammenstellung der fünf
Mächte, die an dem Untergang des Mittelalters mitgearbeitet
haben: die „babylonische Gefangenschaft" des
Papsttums in Avignon, das große Schisma und die Bewegung
der Reformkonzilien, die Unzufriedenheit mit
den finanziellen Forderungen des päpstlichen Hofes, die
nationale Bewegung, die Umwälzung im religiösen Erlebnis
und in der Theologie.

Der Schwerpunkt des Buches liegt in der Darstellung
des kirchlichen Altertums. Die ganze Neuzeit
von der Vorbereitung der Reformation an hat nur 143
Seiten zugewiesen bekommen, während alte Kirche und
Mittelalter 462 beanspruchen, und davon 349 allein auf
das Urchristentum und die alte Kirche fallen. Die Verfasser
begründen das mit der Wichtigkeit der Urzeit,
sind aber vielleicht nicht ungehalten, wenn ich es auf
die besonderen Studien und Liebhabereien des einen von
ihnen, Bartlet, mit zurückführe, der der Verfasser eines
auch in Deutschland geschätzten Apostolischen Zeit-