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Ausgabe:

1923 Nr. 14

Spalte:

294-295

Autor/Hrsg.:

Cappeller, Carl

Titel/Untertitel:

Buddhas Wandel. Frei übertragen 1923

Rezensent:

Franke, R. Otto

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Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 14.

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wiesen und charakteristische Texte ihrer Literatur in
Originalübersetzungen aus dem Sanskrit zugänglich gemacht
zu haben. Das vorliegende Buch, das eine vorzügliche
Auswahl aus dem Schrifttum der vischnuitischen
Anhänger der Lehre von der Erlösung durch die Gottesliebe
gibt, ist bereits bei seinem ersten Erscheinen in
dieser Zeitschrift (42. Jahrg., Nr. 24/25) von mir nach
Gebühr gewürdigt werden. In der Neuausgabe hat es
bedeutsame Verbesserungen erfahren. Die Übersetzungen
sind wo nötig, berichtigt und im Ausdruck ist Manches
geändert worden (so schreibt der Verf. jetzt „Theopantis-
mus" statt des früheren „Theopanismus"); vor allem
aber hat das Werk durch Hinzufügung neuer Stücke beträchtlich
gewonnen. Die neuen Übersetzungen aus dem
Mahäbhärata, dem Bhägavata-Puräna und anderen heiligen
Schriften der Vishnuiten, sowie die von J. Appasämy
beigesteuerten Proben aus dem Näläyiraprabandham fördern
das Verständnis des Bhakti-Glaubens in hohem
Maße; nützlich ist auch die Beigabe der Tabelle der
fünf „Geschmäcke des religiösen Gefühls" nach der Dog-
matik der Bhägavatas. Sehr treffend handelt Otto in
dem neuen Abschnitt S. 53 ff. über das Verhältnis von
Bhakti und Advaita und betont, daß es ungerechtfertigt
ist, von Mystikern eine strenge Scheidung der persona-
listischen und inpersonalistischen Auffassung von der
Gottheit zu fordern; ich möchte jedoch glauben, daß man
auch in der Bhagavadgitä Theismus und Theopantismus
nicht in der Weise trennen darf, wie dies Garbe, und ihm
beipflichtend, Otto (S. 16) tun. Das Buch ist in seiner
neuen Gestalt Rabindranäth Tagore gewidmet, sehr passend
insofern, als der Dichter (wie er auch mir wiederholt
versicherte,) Rämänuja, mit dem sich das vorliegende
Werk mit besonderer Liebe beschäftigt, von den indischen
Philosophen am höchsten stellt; zur Klarlegung
des Verhältnisses Tagores zu Rämänuja muß hier aber
daran erinnert werden, daß Tagore auf's stärkste von
europäischen Gedanken beeinflußt ist und daß die Gottesidee
, die in vielen seiner Werke zum Ausdruck kommt,
dem ästhetisierenden Pantheismus europäischer Diehter-
philosophen näher steht als dem Theomonismus Rämänu-
jas. Ottos Werk wird sich in der neuen Ausgabe zu
seinen alten Freunden viele neue erwerben; vor allem gehört
es in die Hand eines jeden religionsgeschichtlich-
interessierten Theologen, denn es berichtigt nicht nur
manche Irrtümer, die vielfach noch über das Hindutum
verbreitet sind, sondern es ist geradezu ein Muster verständnisvoller
und eindringender Interpretation eines
tiemden ülaubenslebens, indem der Vertasser dieses, bei
aller Wahrung des christlichen Standpunktes, seinem
vollen Werte nach zu würdigen weiß.

Berlin. H. v. Olasenapp.

Eberhardt, Paul: Der Weisheit letzter Schluß. Die Religion
der Upanishads im Sinne gefaßt. 5. bis 8. Tausend. Jena: E. Diede-
richs 1«22. (125 S.) 8°. Qz- 3; geb. 5,5.

Um die Religion der Upanisaden „im Sinne" zu fassen, muß man
natürlich die Upanisaden selbst im rechten Sinne fassen. Tut das E.?
Er spinnt Phantasien um Themen, die er den Upanisaden entnimmt.
Im l. Stück (Brh. Up. I, 1) wird im Original die Universalgottheit
als zerlegtes Opferroß aufgefallt, dessen Teile die Naturerscheinungen
sind: „die Morgenröte" z.B. „ist sein Haupt". E. macht daraus: „im
Dänimcrgrauen schüttelt es die Mähnen, als Morgenrot umflattern
sie sein Haupt". Das ist doch etwas ganz andres! „Die Oestirne
seine Gebeine", E.: „und jetzt, in jähen Sprüngen sprühen Sterne um
den rasend schnellen Lauf"! „Der Wind sein Odem", E: „es schnaubt
der Sturm". E. spitzt überhaupt den Oedanken auf die schnelle und
ruhelose Bewegung zu: „Gerissen wird es ruhelos",... „So jagen
wir durch dieses Aethers blaches Feld, Du, ich, die Erde und die
ganze Welt". Das klingt ganz hübsch, verfehlt aber den Sinn dieser
Up.-Stelle, daß das absolute Wesen alles Erscheinende ist, durchaus.
Was E. daran nicht paßt, läßt er zudem ganz weg. Das zweite Stück
(p. 2, aus Brh. Up. 1, 4) beginnt er mit den Worten „Im Anfang
war der Geist", es steht aber da: „Im Anfang war dieses alles
allein der Atman" (d. h. das Selbst, die Weltseele, das Seinsprinzip),
das ist etwas andres als „Geist". U.s.w.S. 12 sagt E: „Die Sonne,
die dort scheint, sie ist ein Abbild dieses Stofflichen", im Original
(Brh. Up. II, 3) aber steht: „Von diesem Gestalteten ... ist jener, der
dort glüht, der Saft" (rasa, d.h. die Essenz). S. 12 ferner: „Der

Bau des Auges kann ein Abbild dieser Art von Dasein sein", es steht
aber da in Brh. Up. 11,3,4: „von diesem Gestalteten ... ist jenes,
das Auge, die Essenz" (rasah). S. 13: „Das allein Wirksame ist eben
das allein Wirksame", es steht aber da (11,3,6): „Sein Name aber ist:
,das Wahre des Wahren'" (satyasyasatyam). S. 20 „Seele", wo
(1,3,6 und Chänd. Up. 1,2,6) „Denkorgan" (manas, d. h. die
Funktion des Begriffbildens steht. S. 16 sagt E. in seinem ganz
hübsch klingenden Gedicht genau das Gegenteil von dem, was das
Original (Chänd. Up. 1,4) besagt: „Sic gehen in Kirchen, um sich
selbst zu retten... Nein, wandelt fröhlich durch die weite Welt...",
Ch. Up. aber: „Om, diese (heilige) Silbe soll man verehren... Wer...
diese Silbe ... ertönen läßt, ...,so unsterblich die Götter sind, so unsterblich
wird auch er". S. 17 „und jeder trug eine brennende
Fackel in der Hand. Dieses aber war das Zeichen, daß sie wie Schüler
zu dem Lehrer kamen". Nein, das war nicht das Zeichen, sondern
Brennholz mußte man in der Hand mitbringen, und „Brennholz"
steht auch da (Ch. Up. VIII,7,2, samidh). S. 18 hat E. durch
seine vollkommene Verständnislosigkeit die Pointe totgeschlagen. Es
werden in Ch. Up. VIII, 7,4 das Absolute Suchende aufgefordert, jemandem
ins Auge zu sehen oder ins Wasser oder in einen Spiegel.
E. läßt den Belehrenden dann sprechen: „Das" (was ihr erblickt) „ist
das Wesen"... Es steht aber natürlich da esa ätmä „Das ist das
Selbst", denn Atman „das Selbst" ist ja die bekannte Bezeichnung., des
Absoluten, und was man im Spiegel sieht, ist eben das Selbst (wenn
auch hier ein vom zu Belehrenden falsch verstandenes), nicht das
Wesen. Beinahe wie ein schlechter Witz mutet an, was E. (S. 56 f .)
aus Yäjnavalkyas Darlegungen über das universale „Selbst" als das einzig
Wesentliche in den Einzelpersonen (Brh. Up. II, 4) gemacht hat. S.
81 macht er aus dem „Glauben" ein „kindliches Bedenken" (wohl weil
man im Deutschen von „glauben" über „meinen", „denken" zu „sich
bedenken" kommen kann). Mit „Glauben" wie an der betreff. Käth.
Up.-Stelle meinte aber der damalige Inder immer das feste Vertrauen
. In dem ganzen großen Prosastück S. 17—25 weicht E. vom
Original (Chänd. Up. VIII, 7—12) im Wesentlichen gar nicht ab
(außer wo es Fehler zu machen gilt). Wozu hat er dann im Einzelnen
das Ganze paraphrasiert und verschoben? Eine einfache, ruhige, verläßliche
Ubersetzung wäre doch erheblich vorzuziehen gewesen. Zu
den hineingetragenen Fehlern aber gehört E.'s Auffassung p. 22, als
solle der Traum „das wahre Leben sein" und „das Leben ein Traum".
Der Beweisgedanke, auf den es ankommt, ist vielmehr der, daß das
Selbst, auch wenn im Traume der Körper erblindet, leidet oder stirbt,
nicht mit erblindet usw. Es hat keinen Zweck, durch weitere Belege
E.'s durchgehende Verständnislosigkeit zu erweisen. Wem soll durch
solch eigenmächtiges Umspringen mit den Philosophemen der Upanisaden
eigentlich gedient sein? Laienleser werden dadurch nur irregeleitet
. Wenn E. eigene durch Upanisaden-Gedanken nur angeregte
! Philosophie verkünden wollte, so hatte er dazu das Recht. Aber er
J durfte dann nicht durch UpaniSad-Stellen-Verweise am Rande den
j Eindruck hervorrufen, das Vorgetragene gebe die betreffenden Stellen
wieder und nicht dem Buche den angeführten Untertitel geben. Und
warum er daneben gelegentlich doch ganze große Stücke nur in den
Worten verändert herübergenommen hat, bliebe dann doch unverständlich
. Etwas Kleines und Äußerliches, aber doch für die Beurteilung
von E.'s Genauigkeitssinn Bezeichnendes ist es, daß er bei der
Wiedergabe von Namen aus den Upanisad-Übersetzungen der Sacred
Books of the East die Umschriftnormen der Sacr. Books of the East
unbeachtet läßt, sodaß Namen-Ungeheuer wie Virokana, Yagnavalkya,
Vagasravasa (p. 17 u. 20, 56, 81) statt Virocana, Yäjnavalkya, Väjasra-
vasa zustande gekommen sind, denen sich als spontane Fehler noch

p. 56 Matreyi st. Maitr. u. p. 62 Kandilya st. Sändilya anschließen.

Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus war nichts andres als diese
Ablehnung möglich. Zu bedauern bleibt nur der wie immer glänzend
sich bewährende Verlag.
Königsberg i. Pr. R. Otto Franke

Cappeller, Carl: Buddhas Wandel (Acvaghoshas Buddhacarita)
Frei übertragen. Jena: E. Diederichs 1922. (85 S.) 8° = Religiöse
Stimmen der Völker. Die Religion des alten Indien Bd. V.

Gz. 2; geb. 4.

Vorliegendes Buch läßt sich noch um eine Kleinigkeit vollendeter
vorstellen, es wäre nämlich noch vollkommener, wenn der Übersetzer
nicht manche Partien weggelassen und gekürzt hätte und wenn einige
kleine Versehen unterblieben wären (es sollte z. B. S. 11 nicht
„Wunderkinds", sondern „Geburtenbeendigers"; 12 nicht „die wollgen
Augenbrauen", sondern „ihn, dessen Augenbrauen [zwischen sich] die

| ÜrnB hatten"; ebd. nicht nur „Diskus", sondern „D. und Haken";
S. 12 Anm. 1 nicht „72", sondern „32 übermenschliche Merkmale";
13 nicht „voll Demut", sondern „mit Stammeln"; ebd. nicht „der

I Geburt und Tod für immer endet", sondern „der Erkenner des schwer

| zu erlangenden Schwindens (aller) Geburt"; 17 nicht „in dunkler
Monatshälfte", sondern umgekehrt „in der lichten M."; ebd. Anm. 2
nicht „Vollendung aller Dinge" als Bedeutung des Namens Sarvärtha-
siddha, sondern „mit dem alle Ziele erreicht sind", 24 nicht „das

| weiß jedermann, und keiner wünscht es", sondern „das weiß jeder-