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Ausgabe:

1923 Nr. 1

Spalte:

226

Autor/Hrsg.:

Achelis, Werner

Titel/Untertitel:

Die Deutung Augustins, Bischofs von Hippo. Analyse seines geistigen Schaffens auf Grund seiner erotischen Struktur 1923

Rezensent:

Bauke, Hermann

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225

Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 10/11.

226

terien in wissenschaftlich zuverlässiger deutscher Ueber-
setzung und Bearbeitung vorzulegen. Bisher gab es nur
eine Uebersetzung der sog. Mekhilta zu Ex. 12 ff. von
Winter und Wünsche (Leipzig 1909). Der Herausgeber
von Sifre erweist sich in der vorliegenden 1. Lieferung
, die die aus der Schule Jisma'els, des Zeitgenossen
Aqiba's, stammenden Bruchstücke Dt. 1,1—30; 3, 23—29;
6,4—9 u. 11,10—28 (32) bietet, als guter Kenner dieser
sprachlich und inhaltlich nicht leichten tannaitischen Exegesen
, dem man sich gern als Führer anvertraut. Den
Wunsch, es hätte dem von Kittel zu Grunde gelegten, und
mit Benutzung der Venediger Erstausgabe (1545) und
der Zitate im Jalqut gebotenen Texte von M. Fried-
mann (Wilna 1864) eine revidierte Neuausgabe desselben
als Frucht langer gemeinsamer Arbeit mit dem
gelehrten Dr. Kahan vorausgeschickt werden mögen,
muß man wohl unterdrücken angesichts der Not der Zeit
und der geplanten Ausgabe von Sifre im Corpus Tan-
naiticum der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft
des Judentums. Aber wann wird davon ein weiteres
Stück erscheinen? Umso erfreulicher, daß uns K.
am Schlüsse als Beilage eine Sammlung wichtigerer
Textvarianten aus der Feder Dr. R a b i n ' s , des Herausgebers
von Sifre im Corpus, verspricht.

Die Kommentierung des übersetzten Textes erstrebt
Förderung des sprachlich-stilistischen und theologischen
Verständnisses von Haggada und Halakha mit möglichst
reicher Beziehung auf das neutestamentliche Schrifttum.
Auch in dieser Hinsicht läßt das in der 1. Lieferung
Gebotene baldige Vollendung des Ganzen (in 4 Lfg. zu
8—10 Bg.) wünschenswert erscheinen. Von den versprochenen
Beigaben wird die Einleitung in die
für den Neutestamentier wertvollen tannaitischen Mi-
drasim gewiß als sehr begehrt, das ausführliche Sachregister
aber als unbedingt notwendig zur Nutzbarmachung
der Ausgabe begrüßt werden. Inzwischen
können wir dem verdienten Herausgeber nur von Herzen
wünschen, er möchte — Deo volente —die vor 10 Jahren
begonnene Arbeit nunmehr rasch und ohne Störung zu
Ende bringen können.

Jena. W. Staerk.

Knoke, Friedrich: Der christliche Glaube nach Paulus. Osnabrück
: Rackhorstsche Buchh. 1922. (47 S.) 8°

Eine ins Dogmatische hinübergreifende Abhandlung.
Danach ist bei Paulus der „christliche Glaube" keineswegs
die Ueberzeugung, daß durch Jesu Tod die Gerechtigkeit
Gottes beschwichtigt worden sei. So stellt er sich zwar,
wie bekannt, in den lutherischen Bekenntnisschriften,
speziell in der Augustana und Apologie dar. So jedoch
nicht bei Paulus. Für diesen ist der christliche Glaube
die „Wiederholung" der „Erlebnisse" Jesu, wie sie im
Neuen Testament geschildert werden; er ist „das Einleben
in die Person Christi", das Absterben und Wiederaufleben
mit dem Herrn; ein „fortgesetztes inneres Erlebnis
, das in dem Sicheinsfühlen mit unserem Heilande
sich erweist".

Die hiermit aufgestellte These wird wesentlich begründet
durch solche Aeußerungen in den paulinischen
Briefen, die von den Wirkungen des Glaubens, insbe-
dere den sittlichen, und vom Erfolg des Werks Christi im
allgemeinen handeln. Das hellenistische Mysterienwesen,
aber auch die antike klassische Literatur werden vielfach
zur Erläuterung herangezogen. Ueberhaupt zeichnet sich
die kleine Schrift durch einen großen Aufwand von
Scharfsinn, durch sorgfältiges Abwägen und eindringliche
Gelehrsamkeit aus. Methodisch wäre es indessen
vielleicht empfehlenswert gewesen, die Untersuchung zunächst
zu konzentrieren auf Wesen und Inhalt des Begriffs
„Glaube" bei Paulus, um dann erst — eine andere
Reihenfolge einhaltend als der Verfasser — das volle
Verständnis zu erstreben für die Art, wie der Apostel von
den Wirkungen des Glaubens und dem Erfolg des Werkes
Christi spricht. Bei solchem Vorgehen hätte sich
am Ende noch deutlicher gezeigt, daß Paulus kein

schlossenes Lehrsystem vorträgt, daß er vielmehr in sehr
verschiedenen Lehrtropen, in mannigfachen Bildern und
Symbolen, je nach dem Hörer- oder Leserkreis, mit dem
er es zu tun hat, auszudrücken bestrebt ist, was er in
eben jenem Glauben erlebt und sich zum Bewußtsein
gebracht hat.

Gießen. E. W. Mayer (Straßburg).

Achelis, Werner: Die Deutung Augustins, Bischofs von Hippo.
Analyse seines geistigen Schaffens auf Grund seiner erotischen
Struktur. Prien am Chiemsee: Kampmann und Schnabel 1921.
(VIII, 137 S.) gr. 8° Gz. 3,5.

Der Verfasser, der sich als einen „Theologen von Fach" vorstellt
und sich versteckter als Schüler Harnacks zu erkennen gibt, den er mit
der Zensur „dies ehrwürdige Haupt der protestantischen Theologie" bedenkt
, hat eine Idee gefaßt, nämlich die psychoanalytische Methode
Freuds und die darauf beruhenden Gedanken FL Blühers für das historische
Verständnis Augustins wirksam zu machen. Gegen diese Idee
wäre an sich nichts einzuwenden; ein Versuch in dieser Richtung
könnte immerhin gemacht werden. — Außerdem hat der Verfasser aus
der psychoanalytischen Literatur und einigen modernen Autoren eine
ganze Menge gelesen. Dagegen von seinem Gegenstande, nämlich von
Augustin, kennt er nur die Konfessionen und das Kirchenhistorische
Seminar Harnacks über diese. Wer selbst Harnack gut kennt, der
wird überall auf ihm bekannte und geläufige Dinge aus diesem Glanzstück
der akademischen Tätigkeit Harnacks stoßen, die nur freilich sehr
oft mißverstanden oder falsch angewandt sind. Ueber die genannten
Stücke hinaus aber bringt der Verf. au sachlicher Kenntnis nichts mit,
er kennt weder die dogmatische noch die kirchenpolitische noch die
übrige Schriftstellern A.s, noch die kirchen- und dogmen- und reli-
gionsgeschichtlichen Zusammenhänge, in denen A. steht. Mit diesem
gänzlich unzureichenden Rüstzeug — wobei noch zu bemerken ist, daß
auch die Kenntnis des für seine methodische Absicht notwendigen modernen
Materials sehr unzusammenhängend und lückenhaft ist — , geht der
Verf. an eine Aufgabe heran, vor der bekanntermaßen die größten
„Theologen von Fach" heut zurückschrecken. Daß mit solchen Mitteln
die „Deutung Augustins" nicht gelingen kann, darüber braucht kein
Wort verloren zu werden. Darum haben auch die vorgebrachten Einzelheiten
wissenschaftlich-historisch keinen Wert; was daran richtig ist,
haben wir von Harnack gelernt und gewußt. Das Neue aber, was
uns geboten werden soll, bedarf erst einer ganz anderen wissenschaftlichen
Fundamentierung und muß erst ganz anders zur Darstellung
gebracht werden können, ehe in eine wirkliche Diskussion
darüber eingetreten werden kann.

Halle/Saale. Hermann B a u ke.

Festschrift der Stadt Pforzheim zur Erinnerung an den 400. Todestag
Johannes Reuchlins. Pforzheim: Otto Riecker 1922. (86 S.)
8° = S.-A.a.d.Ztschr.f.d.Geschichte des Oberrheins N.F. Bd.
37, H. 3. Gz. 0,5.

Auf knappem Raum eine Fülle von Gelehrsamkeit in fesselnder
und farbenfrischer Darstellung. Das bewegte Gelehrtenleben Reuchlins
entrollt der biographische Ueberblick von Jakob Wille. Ihm
schließt sich, aus der Feder Johannes Fickers, durch bildliche Beigaben
veranschaulicht, eine Untersuchung über das Bildnis Reuchlins
an: ein ikonographisches Kabinettstück. Karl Schottenloher und
Wilhelm Brambach vermitteln mit der Schilderung des Verhältnisses
des großen Humanisten zur Welt des Buches einen lebhaften
Eindruck von der geistigen Fülle und Bewegtheit seiner Zeit. Zeugnis
ihrer musischen Heiterkeit sind die gelegentlich eines Gastmahls dem
Freisinger Domdekan Johann von Lamberg gewidmeten Verse Reuchlins
, die — ein Fund Schottenlohers — von Joseph Schlecht mitgeteilt
und erläutert werden. Dem Dank für die reiche Gabe soll die
Frage keinen Eintrag tun: hätte nicht der Hebrais t Reuchlin noch
eine bedondere Würdigung verdient?

Königsberg i. Pr. Theodor Krueger.

Thomas Murners deutsche Schriften mit den Holzschnitten
der ersten Drucke. Herausgegeben von Franz Schultz. Berlin:
Walter de Oruyter u. Co. 1923. VIII, 205 S.) = Kritische Gesamtausgabe
elsässischer Schriftsteller des Mittelalters und der Reformationszeit
, veröffentlicht vom wissenschaftlichen Institut der Elsaß
-Lothringer im Reich. Bd. IV, Die Mühle von Schwindelsheim
und Gredt Müllerin Jahrzeit. Herausgegeben von Oustav
Bebermeier.

Daß die große Murneraiisgabe, deren verheißungsvolle
Anfänge wir an dieser Stelle begrüßten, in einer
vornehmen, allen Anforderungen der Wissenschaft und
nationalen Würde entsprechenden Weise fortgesetzt werden
kann, ist ein hohes Verdienst des „Elsässischen
Instituts", das die opferwillige Förderung jedes deutschgesinnten
Arbeiters auf dem Gebiet der üeisteswissen-
eigentlicher " Dogmatiker ist,"der "ein einheitliches ge- | schaft verdient.