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Ausgabe:

1923 Nr. 1

Spalte:

224-225

Autor/Hrsg.:

Kittel, Gerhard

Titel/Untertitel:

Sifre zu Deuteronomium. 1. Lfg 1923

Rezensent:

Staerk, Willy

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Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 10/11.

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als primitiv ist, hat Eißfeldt gezeigt; umfassendere Versuche
, aus P das ältere Material und die Vorstufen herauszuschälen
, haben Kittel und Sellin gemacht. Alle
diese Arbeiten, auch die RQG., sind Dussaud, der doch
sonst in der deutschen Fachliteratur gut Bescheid weiß,
offenbar unbekannt geblieben. Der Wert seines Buches
soll mit dieser Feststellung nicht vermindert werden;
gerade daß eine völlig unabhängige Untersuchung zu
ähnlichen Ergebnissen kommt, spricht ja für deren Richtigkeit
. Zudem enthält es des Neuen und Wertvollen
auch sonst genug. Außer der großen Zahl guter textkritischer
Bemerkungen nenne ich nur die Ausführungen
zum salomonischen Tempel (S. 48 ff.), die Unterscheidung
von ruah und näfes als „äme spirituelle" und „äme
vegetative" (S. 83 f.), die Bemerkungen zu den puni-
schen Opfertarifen, die dadurch unserm Verständnis wesentlich
näher gebracht werden (S. 134 ff.), den Exkurs
über das Menschenopfer (S. 163 ff.) usw. Von besonderer
Bedeutung aber ist die Entdeckung, daß der aus
den Elefantine-Papyri bekannte Gott Betel auch im AT.
mehrfach vorkomme (Gen. 31, 13; Jer. 48, 13; Am.
3, 14) und noch öfter getilgt worden sei; ursprünglich
selbständig und eine Erscheinungsform Hadads, namentlich
im Nordreich verehrt, wurde er dann mit Jahwe
identifiziert und vom Elohisten zum Gott Isaaks und Jakobs
gemacht, was zugleich neues Licht auf das Werk
des Elohisten wirft (S. 69 f. 231 ff.).

Sehr angenehm berührt neben den gediegenen
Kenntnissen und der guten Methode auch die Umsicht,
die den Verfasser — im Gegensatz zu so manch anderem
— davor bewahrt hat, deswegen, weil er manche literar-
kritische Aufstellungen ablehnen muß, nun gleich die
ganze Pentateuchkritik über Bord zu werfen; so oft er
auch im einzelnen mit Eerdmans zusammen gegen Wellhausen
geht, so scharf zieht er doch die Grenze, die ihn
von Eerdmans trennt (S. 7).

Zum Schluß noch ein paar Worte der Kritik: Der Beweis, daß
die Propheten nur gegen den Mißbrauch der Opfer kämpfen und auch
die Psalmen sie nirgends völlig ablehnen (S. 16ff., 21 ff.), scheint mir
nicht geglückt. — Daß der Name Kerub aus dem Assyrischen stammt,
sollte heute nicht mehr bestritten werden (gegen S. 55); der von D.
vorgezogene Zusammenhang mit ypvtfi ist damit ja nicht notwendig
ausgeschlossen. — In I. Reg. 18,32 ff. sieht D. im Wasserausgießen
einen Ritus, der den Regen herbeiführen soll (S. 203ff.); allein jener
Wassergraben soll doch nur das Wunder der Feuerentzündung verstärken
, und zudem ist die Ursprünglichkeit der Verse mit Grund angezweifelt
worden. — Am meisten Bedenken kommen mir bei Kap. IV;
seine Art, die Geschichten aufzurollen, ist zwar originell, erscheint mir
aber vielfach willkürlich, ja geradezu verfehlt. S. 228 f. wird nicht
genügend zwischen dem einen „Engel Jahves" und „den Engeln" unterschieden
; vor seiner Deutung, Jahve erscheine dem Abraham in Gestalt
dreier Männer, dem Lot als einer Persönlichkeit minderer Bedeutung
in Gestalt von zweien, verdient diejenige Gunkels entschieden den
Vorzug. — Die Entstehung des Josuabuches denkt er sich zu künstlich
und äußerlich als eine bloße Verdopplung der Moseerzählungen (S.
251 f.). — Bei den Samuelgeschichten lehnt er die so wohl begründete
Verteilung auf die bekannten zwei Stränge als willkürlich ab und ersetzt
sie durch die sehr viel weniger glückliche Zerlegung in eine
Saul-Ahia-Quelle und deren prophetisch-priesterliche Weiterbildung
zu einer Saul-Samuel-Quelle (S. 267 ff.), wobei er nicht einmal den
unerträglichen Widerspruch zwischen c. 7 und c. 8 fühlt und den ursprünglichen
Samuel gar in dem Richter findet! — Ebenso wird Eli —
auf Grund der deuteronomistischen Formel I. Sam. 4,18 b — zum
„chef vaillant" gemacht (S. 278)1 — Auch seine Korrektur der
Atalia-Ueberlieferung (S. 289ff.: ihre angeblichen Frevel eine spätere
tendenziöse Erfindung und sie selber das Opfer einer Militärverschwörung
, da „logischerweise" Jojada als Haupt der Verschwörung
nicht Priester, sondern Gardekommandant gewesen sein müsse!), kann
ich nicht überzeugend finden. — Warum die Umschrift des sewa
quiescens mit e (tiqeddas S. 30, maleak S. 228, jaradeti S. 2624)?
Marburg. W.Baumgartner.

König, Prof. D. Dr. Eduard: Die messianischen Weissagungen
des Alten Testaments, vergleichend, geschichtlich und exegetisch
behandelt. Stuttgart: Chr. Belser 1923. (VIII, 366 S.) gr. 8°

In vier einleitenden Kapiteln stellt der Verfasser
erst den Begriff der messianischen Weissagung fest —
solche, die für die Vollendungsperiode des Gottesreiches
einen persönlichen Mittler des Heils in Aussicht stellt,

in weiterem Sinn dann überhaupt alle Voraussagung
von der Vollendung der alttestamentlichen Theokratie
(S. 8) —, untersucht die Frage nach dem Vorkommen
ähnlicher Weissagungen bei andern antiken Völkern,
lehnt einen Zusammenhang mit ägyptischen oder babylonischen
Ideen ab und findet ihren Ursprung vielmehr
in der „gottberufenen Propheten enthüllten Verkündigung
vom einstigen Sieg der Gnade über die Verletzung
der Gerechtigkeit und vom Vermittler dieses Sieges"
(S. 56f.); sie ist so alt wie die atl. Religion selber und
„mit ihr geboren" (S. 65), stammt nicht aus der Geschichte
, geht ihr aber in ihrer Einzelgestaltung parallel
und hat auch im Inhalt eine Geschichte durchlaufen.
Der Hauptteil (S. 74—339) gibt eine „Auslegung der
messianischen Weissagungen, geordnet nach ihrem
Gleichlauf mit den aufeinanderfolgenden Wendungen
der Heilsgeschichte". Sie beginnt bei Gen. 3, 15, den
Noahsprüchen, der Abrahamsverheißung, dem Judaspruch
Gen. 49; behandelt aus der mosaischen Zeit
Nu. 24, 17 und Dt. 18, 15, aus der ersten Königszeit die
Natanweissagung II. Sam. 7, IIb—16 und die von Unabhängigen
Stücke II. Sam. 23, I. Reg. 5, 19, u> 110. 2.
72; dann Arnos, Hosea, Zach. 9—11, Jes. 11, Mi. 5,
Zeph., Joel, Zach.12—14, Jer., Ez., II. Jes., Hag., Zach.,
Mal., die Chronik und Daniel, und verfolgt die messi-
anische Idee bis in Apokryphen und Pseudepigraphen
und das rabbinische Schrifttum hinein. Der Schluß (S.
340—356) handelt von der Erfüllung.

Seit Hengstenberg, v. Hofmann, Böhl und v. Orelli
die erste so eingehende und umfassende Behandlung des
Gegenstands — die kritische Forschung der letzten vier
Jahrzehnte hatte dafür aus naheliegenden Gründen geringeres
Interesse — bedeutet das Buch auch sachlich ein
bewußtes Festhalten an heute meist aufgegebenen Positionen
, vor allem in der Ausdehnung der Weissagung
über den gesamten Zeitraum der atl. Religion, in der
Herleitung aus göttlichem Gnadenakte und in der Beziehung
auf Jesus Christus. In der eingehenden und
gelehrten Begründung und Verteidigung dieses Standpunktes
liegt für uns sein Wert. Im einzelnen stimmt
man ihm oft bei und profitiert dankbar von des Verfassers
Belesenheit; die Gesamtauffassung und die Stellung in
zahllosen literarischen und exegetischen Fragen (Joel
und Zach. 9—14 noch ebenso datiert wie in seiner Einleitung
von 1893; IL Sam. 7, 13 und alle messianischen
Stellen in den älteren Propheten echt, e< HO von David,
V 2 von Salomo verfaßt; Gen. 3, 15 als Protevangelium
verteidigt; auch für Hos. 2, 20 Jes. 11, 6—8 jede Spur
von mythischem Hintergrund bestritten usw.) können
nicht überzeugen und zeigen nur den tiefen Graben, der
König von der überwiegenden Mehrheit der heutigen
Alttestamentier, mit Einschluß von Kittel, Sellin, Eichrodt
, trennt und eine Verständigung oder auch nur eine
fruchtbare Diskussion unmöglich macht.

Dunkel bleibt mir, warum bei Jes. nur c. 11, nicht auch c. 7
und 9 behandelt werden. — Auf S. 23 f. (persische Zukunftserwartung)
vermisse ich die Nennung von Greßmann und Eichrodt. Auch in c*III
(S. 41 ff.) hätte die Frage nach der Herkunft aus Iran erörtert werden
dürfen, die doch viel ernstlicher in Erwägung zu ziehen ist als eine
solche aus Babylon oder Aegypten. — Bei der Besprechung des angeblichen
babylonischen Prophetentums (S. 18) wäre immerhin zu fragen,
ob nicht mahhü als Bezeichnung einer Priesterk'.assc auf ein ekstatisches
Priester (- und Propheten-?)tum hindeute. — Lietzmanns „Weltheiland"
ist heute nicht mehr die „neueste Hauptarbeit" zu Vergils 4. Ekloge,
wie es S.271 heißt.

Marburg. W. Baumgartner.

Kittel, Prof. D. Gerhard: Sifre zu Deuteronomium. 1. Lieferung.
Stuttgart: W. Kohlhammer 1922. (144 S.) gr. 8° Gz. 1,5.

Wer nicht Singers Jewish Encyclopaedia zur Hand
hat (Bd. VIII 548ff., bes. 555f. XI, 331ff.), kann sich jetzt
in Kürze aus Stracks sorgfältigem Literaturabriß über
die Midrasim (Einl. in Talmud u. Midras 6 1921, 195ff.)
Belehrung über Wesen und Bedeutung der Stücke rabbi-
nischer Schriftbehandlung holen, die unter dem Titel
Sifre überliefert sind. Er wird daraus auch ersehen,
wie nötig es war, diese nicht jedem zugänglichen Ma-