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Ausgabe:

1923 Nr. 1

Spalte:

221

Autor/Hrsg.:

Legrain, Leon

Titel/Untertitel:

Historical fragments 1923

Rezensent:

Meissner, Bruno

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Seite 1

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221

Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 10/11.

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schung geltend zu machen. Und wahrscheinlich tut man
L. Unrecht, seine Leistung allein an diesem ersten Band
zu messen. Im zweiten Band kommt er auf die Gestalten,
für die er eine besondere Liebe hat, und ich sehe seiner
Darstellung Baader's, den er besser als andre kennt,
mit Spannung entgegen. Für Baader besteht in unsrer
Forschung eine Lücke, deren Ausfüllung dankenswert
wäre.

Güttingen. E.Hirsch.

Legrain, Leon: Historical fragments. (University of Pennsylvania
The Univ. Museum. Puhl, of the Babylonian Section XIII).
Philadelphia: University Museum 1022. (108 S. 4 Tafeln u. 1 Kart.)
Der Inhalt der Historical fragments ist sehr mannigfaltig
und äußerst wichtig. Den wertvollsten Teil des
Buches bilden die neuen Fragmente (Nr. 1—2) der
Königslisten aus Nippur, die unsere Kenntnisse der
Chronologie der ältesten babylonischen Zeiten in erfreulicher
Weise erweitern. Wie sie wohl einzureihen sind,
habe ich schon in der Zeitschr. d. Deutschen Morgenl.
Gesellsch 76, 85 ff. besprochen. Vor allem ist es wichtig
, daß wir jetzt die Reihenfolge der Könige der Dynastie
von Akkad und ihre Regierungsdauer erfahren:
Sargon I : 55 J.; sein Sohn Rimusch: 15 J.; dessen Sohn
Mahischtusu: 17 J.; dessen Sohn Naräm-Sin: 56 J.; dessen
Sohn Schargani-scharri: 25 J. u. s. w. — Vom alten
Sargon handelt ein Fragment (Nr. 15), wonach Ellil
ihm das Königtum verliehen hat. — Zwei Bauinschriften
(Nr. 43; 47) erwähnen den Naräm-Sin. — Die Abschrift
einer Inschrift Schargani-scharris (Nr. 14) ist ein Duplikat
einer bekannten Inschrift dieses Königs; vgl. Hil-
precht, Babyl. Exped. I Nr. 2. — Zwei Siegelabdrücke
auf Ton geben uns vielleicht die Bildnisse der Könige
Gimil-Sin (Nr. 13) und seines Sohnes Ibi-Sin (Nr. 5). —
In die Kämpfe dieses Ibi-Sin, des letzten Königs der
3. Dynastie von Ur, mit Ischbi-Urra, dem Stifter der Dynastie
von Isin, führen uns einige Briefe (Nr. 3; 6; 9) ein.
— In nicht viel spätere Zeit gehört vermutlich die lange
Baugeschichte des Tummal-Tempels in Nippur (Nr. 48),
die den von Poebel, Histor. a. gramm. texts V, 6f.
publizierten Text nicht unwesentlich ergänzt. — Die unter
Nr. 18 gegebene Inschrift Arad-Sins ist uns bereits aus
C 1 a y, Yale Oriental series I, 31 bekannt, bietet aber einige
interessante Varianten. — Nr. 61 gibt eine Uebersicht
über die jährlichen Lieferungen Hammurapis für den Tempel
des Nusku (?) in Nippur. — Die Inschrift Samsu-ilunas
betreffend die Wiederherstellungsarbeiten an der Stadtmauer
und dem Sonnentempel in Sippar (Nr. 57) ist, was
L. übersehen hat, ein Duplikat zu P o e b e 1 a. a. O. Nr.
101; vgl. auch dessen Bearbeitung in der Oriental.
Lit.-Ztg. 1915, 106ff. — In Nr. 69 wird vielleicht eine
militärische Expedition des Kossäerkönigs Nazimarut-
tasch nach dem Lande Namri erwähnt. — Aus dem 5.
Jahre desselben Königs ist eine Liste von Schmuckgegenständen
aus Gold und Edelsteinen datiert (Nr. 80),
die aus Nippur und Dür-Kurigalzi nach der Stadt Arad-
Belit gebracht worden sind. — Nr. 81 ist wahrscheinlich
das Fragment eines Zylinders Asarhaddons, nicht, wie
L. meint, Sargons II. — Nr. 82; 83 stammen aus Nippur
und sind datiert aus dem „1. Jahre des Assur-etil-iläni,
des Königs der Länder". Man sieht daraus, daß Nippur
also auch noch nach Assurbanipals Tode dem Assyrer-
könige gehörte. — Nr. 79 ist datiert aus der Regierung
eines neubabylonischen Königs, dessen Namen nicht deutlich
zu lesen (Nabu____ibni?) ist. — Nr. 84 schließlich

stammt aus dem 42. Jahre des Artaxerxes (!)•

Wie die Edition der Texte ausgefallen ist, läßt
sich, ohne die Originale gesehen zu haben, schwer sagen.
Die Uebersetzung und Bearbeitung läßt nicht selten zu
wünschen übrig.

Berlin. Bruno Meißner.

ussaud, Rene: Les Origlnes canan^ennes du sacrifice
israfilite. paris. E. Leroux 1921. (334 S.) 8"

Dieses Buch, nach dem Vorwort eine völlige Neube-
beitung eines mir unzugänglichen früheren „Le sacrifice
en Israel et chez les Pheniciens" (1914, bezw. 1915),
will eine „description explicative" der wichtigsten israelitischen
Opfer, vor allem der in Lev. beschriebenen,
geben. Gerichtet ist es gegen die „ecole critique", d. h.
die Schule Wellhausens, deren Hauptergebnisse Dussaud
zwar anerkennt, der er aber vorwirft, die literarkritischen
und religionsgeschichtlichen Probleme nicht genügend
getrennt zu haben. Der grundsätzliche Unterschied, den
man zwischen vor- und nachexilischen Riten behauptet,
bestehe nicht; „nous croyons pouvoir demontrer que la
codification postexilique reste dans l'esprit des regles
depuis longtemps etablies et qu'elle les enregistre sans
modification profonde". Ezechiel werde in seiner Bedeutung
als Zeuge wie als Reformator überschätzt, die
Quellenscheidung zu weit getrieben. Demgegenüber verspricht
er ein zutreffenderes Bild der geschichtlichen Entwicklung
der Opferpraxis zu geben und eine Anzahl
bisher unklar gebliebener oder mißverstandener Opfertermini
genauer zu bestimmen.

Die Einleitung, die Ausgangspunkt und Ziel der
Untersuchung dermaßen umschreibt (S. 3—13), zeichnet
dann die dem Opferwesen zugrunde liegenden religiösen
Vorstellungen. Das älteste Opfer ist das blutige, das die
Seele des durch Handauflegung dem Opfernden gleichgesetzten
Opfertieres freimacht, worauf diese befreite
Seele die Sünde mit sich fortnimmt; zugleich schafft das
Blut eine Gemeinschaft zwischen dem Opfernden und
der Gottheit. Weiter bespricht D. den Begriff der Heiligkeit
, die rituelle Kleidung des Priesters und den salomonischen
Tempel mit seinen Geräten. Kap. I behandelt
dann die verschiedenen Opferarten: 1. 'clä (Holo-
kaust), 2. minhä (unblutiges Speiseopfer), 3. zäbah sela-
mim (Kommunionsopfer), 4. hattät (pro peccato), 5.
'äsäm (pro delicto), 6. Räucheropfer. Kap. II vergleicht
die karthagischen Opfertiere und Opferarten und kommt
zum Ergebnis einer — im Gegensatz zum babylonischen
— so weitgehenden sachlichen Identität mit den Opfern
von Lev., daß eine gemeinsame Quelle, das phönikisch-
kanaanäische Ritual angenommen werden müsse. Ein
Exkurs bringt das Ergebnis einer Untersuchung von
Prof. Isidore Levy in Lille über das kalll in Aegypten,
wo es seit Psammetich als krr, im koptischen dann glil,
vorkommt — sicher aus Kanaan entlehnt. Kap. III bespricht
zusammengesetzte Riten, wo das Opfer eine wichtige
Rolle spielt oder verschiedene Opferarten kombiniert
sind: Weihung des Hohenpriesters, Altarweihe,
Reinigung des Aussätzigen, der Frau nach der Niederkunft
, Eiferopfer, rote Kuh und Reinigungswasser, Sündenbock
, Naziräat, Regenopfer, Passah. Kap. IV behandelt
„mythes sacrificiels", d. h. „mythes construits sur
les rites sacrificiels": Bundesschluß, Geschichten von
heiligen Steinen, Weihung der Leviten, Durchzug durch
den Jordan,. Fall Jerichos, Gideon, Jephta, Simson, Samuel
, Eliden, Gibeoniten, Atalia. Anhangsweise folgen
in Uebersetzung sachlich geordnet die wichtigsten Gesetzesstellen
und die Opfertarife von Marseille und Karthago
. Den Schluß bilden zwei Register.

Eine solche Uebersicht gibt nur ein dürftiges Bild
vom reichen Inhalt dieses Buches, das auf völliger Beherrschung
des archäologischen, sprachlichen, literarischen
und religionsgeschichtlichen Materials' fußend
eine selbständige und scharfsinnige Verarbeitung des
ausgedehnten Stoffes gibt und zu höchst bedeutsamen Ergebnissen
kommt; vgl. die Besprechung von H. Greß-
mann, Or. Lit. Ztg. 25 (1922) Sp. 455 ff. Der Hatipt-
these, daß die in Lev. beschriebenen Opfer in alten religiösen
Vorstellungen wurzeln, im wesentlichen in die
Königszeit hinaufreichen und aus dem kanaanäischen
Ritual stammen, möchte ich ohne weiteres beistimmen.
Sie ist auch gar nicht so neu und revolutionär. Es scheint
D. entgangen zu sein, daß innerhalb der deutschen Forschung
selber schon seit längerer Zeit ähnliche Gedanken
geäußert werden. Daß minhä und Räucheropfer nicht
erst nachexilisch sein können', haben Gunkel und Greß-
mann betont; daß der vorexilische Kult nichts weniger