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Ausgabe:

1923

Spalte:

217-221

Autor/Hrsg.:

Lütgert, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Religion des deutschen Idealismus und ihr Ende. 1. Teil 1923

Rezensent:

Hirsch, Emanuel

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
Herausgegeben von Professor D. Emamiel HlTSCh unter Mitwirkung von
Prof. D. Wilh. Heitmüller, Prof. D. Dr. G. Hölscher, Prof. D. Arthur Titlus, Prof. D. Dr. G. Wobbermin

Mit Bibliographischem Beiblatt, bearbeitet von Vikar Kurt Dietrich Schmidt, Erichsburg.
Jährlich 26 Nrn Verlag: J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig Vierteljährlich 2400 Mark

Für den Fall der weiter fortschreitenden Markentwertung behält der Verlag sich eine entsprechende Erhöhung im Laufe des Quartals vor.

Bezugspreise für das Ausland vierteljährlich 12.50 s. Fr.; 31.25 fr. Fr.; 37.50 b. Fr.; 10 sh.; 27.$; 6.25 Fl.
11.25 d. Kr.; 12.50 n. Kr.; 8.75 s. Kr.; 37.50 Lire; 56.25 tsch. Kr.; 62,50 finn. Mark.

jo , . ,rt,„ Manuskripte und gelehrte Mitteilungen sind ausschließlich an Professor D Hirsch in Göttingen. je Mn;i073

48. Jahrg. [NF. lU/ll. Nikolausberger Weg 31, zu senden, Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag. x«u. mal I74d.

Die für die Umrechnung von Grundzahlen festgelegte Schlüsselzahl beträgt ab 28. Mai 3300.

Lütgert, Die Religion des deutschen Idealismus
und ihr Ende (Hirsch).

Legrain, Historical fragments (Meillner).

Dussaud, LesOrigines cananeennes du sacri-
fice israelite (Baumgartner).

König, Die messianischen Weissagungen des
Alten Testaments (Ders.).

Kittel, Sifre zu Deuteronomium (Staerk).

K n o k e , Der christl. Glaube nach Faulus (Mayer).

Achelis, Die Deutung Augustins (Bauke).

Festschrift, Johannes Reuchlins (Krueger).

Murners, Deutsche Schriften (Petsch).

Stange, Zur Einführung in die Gedanken
Luthers (Schmidt).

Norvegia Sacra (Scheel).

Schneider, Kirchliches Jahrbuch für die ev.
Landeskirchen Deutschlands (Bauer).

Freiburger Diözesan-Archiv (Bossert).

FronunannsphilosophischeTaschenbücher(Piper).

Schröder, Mystische Geisterseher (Ders.).
Christliche Theosophen (Ders.).

Schopenhauer, Versuch über das Geistersehen
(Ders.).

Fechner, Tagesansicht u. Nachtansicht (Ders.).

Schelling, Clara (Ders.).

Ludwig, Geschichte der okkultistischen (metaphysischen
) Forschung von der Antike bis zur
Gegenwart (Mayer).

Pringle-Pattison, The Idea of Immorta-

lity (Hirsch).
N i e b e r g a 11, Evangelisch. Sozialismus (Titius).
A 11 h a u s , Religiöser Sozialismus (Ders.).
Linderholm, Svensk Evangeliebok (Katz).
Sch 1 an, Die Reform des Gottesdienstes und die

hochkirchliche Bewegung (Niebergall).
Behm, Die Belebung der Kirchgemeinden

(Schian).

Bousset, Wir heißen Euch hoffen (Eger).
Saat hoff, Die Welt des Glaubens (Katz).
Hammen st ede, Die Liturgie als Erlebnis
(Smend).

Miincker, Der psychische Zwang (Niebergall).

Lütge rt, Wilhelm: Die Religion des deutschen Idealismus
und ihr Ende. Erster Teil: Die religiöse Krisis des deutschen Idealismus
. Gütersloh : Bertelsmann. (XIV, 272 S.) gr. 8° Gz. 11 ; geb. 12,5
Inhaltsverzeichnis. Die religiöse Krisis des deutschen
Idealismus. Erstes /Stich: Der Idealismus. I. Kap. Kant. 2. Kap.
Fichte. 3. Kap. Der Atheismusstreit. (1. Der innere Charakter, 2. Der
äußere Verlauf.) — Zweites Buch: Der Realismus. I. Kap. Der Streit
um Spinozas Pantheismus. 2. Kap. Goethe. 3. Kap. Die Naturphilosophie
. — Drittes Buch: Ertrag und Erbe. I. Kap. Der hellenische
Schönheitskultus. 2. Kap. Der Sinn der Geschichte. 3. Kap. Die Unsterblichkeit
der Seele und das Reich der Geister. — Schlußwort: Die
Abwendung der Gebildeten von der Kirche und der kirchlichen Sitte.
— Anhang: Literaturnachweise.

L. legt hiermit den ersten Band eines auf drei Bände
berechneten großangelegten Werkes vor. Der zweite
Band wird behandeln: Idealismus und Erweckungsbe-
wegung im Kampf und im Bund, der dritte Band: Die
Aiiflüsuiig des Idealismus. Das ganze Werk soll bis
Ende des Jahres vollendet vorliegen. Als erster Versuch,
die religiöse Geschichte der Zeit in Zusammenfassung
der theologischen und philosophischen Bewegung zu behandeln
, wird das Werk auf jeden Fall die Aufmerksamkeit
der Fachgenossen finden. Nach der Größe des
Gegenstands und der Weite des Plans beurteilt, fordert
es zu einem Vergleich mit A. Ritschl's Geschichte des
Pietismus heraus. Auch darin trifft sich L. mit Ritsehl,
daß sein Werk eine Tendenzschrift im großen Stile ist. Es
will zur Ueberwindung des Idealismus den entscheidenden
Beitrag liefern. Nur daß Ritsehl den Pietismus bewußt
an den reformatorischen Grundwahrheiten und
an der Stellung zur Kirche beurteilte, L. dagegen den
Idealismus auf idealistische Weise, durch Aufweis der
inneren Selbstauflösung der Bewegung selbst, abwerten
will. Es erinnert an Hegel, wenn er im Vorwort (S.
V1|I) erklärt: „Es ist nicht meine Kritik, sondern die
objektive Kritik der Geschichte, die ich darstelle."

Es entspricht nur der Billigkeit, wenn ich das Buch nun
ernsthaft an dem hohen Maßstabe messe, den es damit
selbst für sich aufstellt. Wollte ich es allein literarisch
ästhetisch beurteilen, so würde ich gewiß nur Gutes zu
sagen haben. L. ist ein glänzender Unterhalter, und die
Scheinwerfer seiner geistreichen Rede erzielen z. T.
undervolle Wirkungen. Blitzschnell tauchen die Gegenstände
aus dem Dunkel auf, — um ebenso schnell wieder
darin zu verschwinden. Sollte ich es allein nach der
Tendenz beurteilen, so würde ich mich auch wohl einverstanden
erklären können. Auch ich bin der Meinung, daß
ein ernsthaftes Sicheinleben in das reformatorische
Christentum notwendig zur Kritik am Idealismus führt.
Doch bei der näheren Bestimmung, die L. der Tendenz
gibt, erwachen schon die Bedenken. L. leugnet den Einfluß
der Reformation auf den Idealismus. Er sieht ihn
als aus der Aufklärung hervorgegangen an, und die
Vorgeschichte der über die Aufklärung hinausreichenden
Elemente liegt ihm in Humanismus und Mystik. Von
den Versuchen, den tiefgehenden Einfluß der Reformation
auf die neuere Geistesgeschichte nachzuweisen,
hat L. Kenntnis nicht genommen. Es wäre angesichts'
dieser Versuche doch wohl nötig gewesen, daß L. seine
Auffassung vom Ursprung des Idealismus exakt bewiesen
hätte. Aber es findet sich nicht einmal ein Ansatz
zu einem solchen Beweise. Die bekannte Tatsache,
daß Kant in seiner Frömmigkeit, aufs Große und Ganze
gesehen, der Aufklärung nahe stand, ist das einzige was
er. zu sagen weiß. Auf die Vorgeschichte des Idealismus
einzugehen, den religiösen Gegensatz, den der Idealismus
selbst gegenüber der Aufklärung empfand, innerlich zu
untersuchen, ist ihm nicht beigekommen. Für die Frage
nach dem Ursprung des Idealismus lernt man also nichts
bei L. Die erste aller historischen Fragen, die nach der
Genesis, ist nicht klar gestellt.

Das führt mich zu dem entscheidenden Einwand:
das Buch ist unter Verachtung jeder Methode gearbeitet
. Es nimmt einen fast wunder, daß L. bei einem
Teil seiner Zitate noch Seitenzahlen angeführt hat. Das
widerspricht dem Stile des Ganzen durchaus. Ich meine
aber mit dem Wort Methode durchaus nicht bloß die
pedantische Frisur, die wir in Deutschland bei einem
wissenschaftlichen Buche so gerne sehen. Ich meine es
auch in tieferem Sinne: es ist ein Buch überwiegend der
geistreichen Einfälle, ohne jede Straffheit oder Selbstkritik
. Dinge, über die der Autor gerade etwas weiß
werden ausführlich erzählt, z. B. auch der äußere Verlaut
des Atheismusstreits, der wahrhaftig nicht zur Sache
gehört, und dessen wiederholte Darstellung auch nicht

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