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Ausgabe:

1923 Nr. 9

Spalte:

213-216

Autor/Hrsg.:

Pfannkuche, August

Titel/Untertitel:

Religionsfreiheit, Staatsschule und Religionsunterricht in Deutschland und in den übrigen Kulturländern. Ein Wort zur Verständigung 1923

Rezensent:

Schuster, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 9.

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Pfannkuche, Pfarrer Dr. phil. A.: Religionsfreiheit, Staatsschule
und Religionsunterricht in Deutschland u. in den übrigen
Kulturländern. Ein Wort zur Verständigung. Berlin: Hutten-Verlag
(1919). (32 S.) 8° (2)

Religionsunterricht oder nicht? Verhandlungen der außcrordentl.
Vertreterversammlung des Sächs. Lehrervereins am 30. März 1919 in
Dresden. Nach den Stenograph. Niederschriften hrsg. v. Vorstand
des Sächs. Lehrervereins. Dresden: O. und R. Becker 1919. (48 S.)
8° (3)

Schmidt, Prof. Ferdinand Jakob : Die Entchristlichung der Schule.

Ein Protest. Berlin: Hutten-Verlag (1919). (15 S.) 8° (4)
Richter, Dir. Dr. A.: Religionsunterricht oder nicht? Ein

philosophisch-pädagog. Gutachten zum Kampf der Geister um die
Seele des deutschen Volkes. 2., verm. Aufl. Langensalza: Beyer
und Söhne 1919. (VII, 209 S.) 8° = Pädagogisches Magazin
Heft 286. (5)

Zange, D. Dr. Friedrich: Evangelische Schulerziehung und
evangelischer Religionsunterricht. Berlin: Verl. des Kv. Bundes
1920. (31 S.) 8° = Volksschriften zum Aufbau, Heft 9. (6)

Clausnltzer, Sem.-Dir. Dr. E.: Die religiöse Unterweisung
unter dem Gesichtspunkte der Trennung v. Kirche und Staat.

Rom. 1, 16. Kiel: W. G. Mühlau 1919. (32 S.) gr 8° — Schriften
zur Frage der Trenng. v. Staat und Kirche. Hrsg. vom Kieler Ausschuß
2. Heft. (7) Gz. 0,1.

Franz, Studienrat Dr. Erich: Religion und Schule. Kiel: W. G.
Mühlau 1919. (39 S.) gr. 8° = Schriften zur Frage der Trennung
v.Staat und Kirche. Hrsg. v. Kieler Ausschuß. 1. Heft. (8) Gez. 0,1.

Kessel er. Oberlehr. Lic. Dr Kurt: Brauchen wir Religionsunterricht
und welchen ? Eine Apologetik und Methodik des
evangel. Religionsunterrichts. Leipzig: J. Klinkhardt 1919. (53 S.)
gr. 8» (9)

Schuster, Prof. D. Herrn.: Die Zukunft des Religionsunterrichts
in d. Staatsschule. Berlin: Reuther u. Reichard 1919.
(III, 24 S.) gr. 80 (10) Gz. 0,2.

J ä h n e, Realgym.-Oberlehr. Gern.: Wozu noch Religionsunterricht?
Ein prakt. Beitrag zur Beantwortung der Frage, insbes. f. Eltern und
Laien. Leipzig: B. G. Teubner 1919. (40 S.) 8° (11) Gz. 0,8.

Reu kauf, Schuir. Dr.: Freiheitlicher Religionsunterricht.
Nach e. Vortrag, geh. am 19. Februar 1919 im Coburger Landeslehrerverein
. (Stimmen zur Reform des Religions-Unterrichts, gesammelt
und hersg. v. Prof. Dr. W. Rein. VII.) Langensalza: H. Beyer
und Söhne 1919. (53 S.) 8° — Pädagogisches Magazin, Heft 720
(12)

Prlblll a, Max, S. J.: Religionsloser Moralunterricht. Freiburg
i. B.: Herder 1920. (29 S.) 80 = Flugschriften der „Stimmen der
Zeit", 13. Heft. (13)
Tögel, Prof. Dr. Hennann: Moralunterricht und Religionsunterricht
. Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht 1920. (24 S.)
gr. 80 (14) Gz. 0,25

Franke, Theodor: Lehrkunde des Sittenunterrichts. Ein Beitrag
zum inneren Ausbau der neuen deutschen Grund- und Volksschule
. Leipzig: H. Broedel und Co. 1921. (68 S.) 8° (15)
Franke, Gymn.-Oberlehr. Dr. W.: Die Zukunft des Religionsunterrichtes
. Moralunterricht? Interkonfessioneller oder konfessioneller
Religionsunterricht? Leipzig: B. G. Teubner 1919. (IV.
88 S.) 80 (16) Gz. 1,2.

von Schroeder. Leopold: Religionslehre. Ein Hilfsbüchlein
für Lehrer und Schüler. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Prof. Dr.
Karl Völker. Leipzig: H. Haessel 1921. (74 S.) kl. 8° (17) Gz. 1,5.
Volkelt, Prof. Jobs.: Religion und Schule. Leipzig: F. Meiner
1919. (64 S.) 8° (18) Gz. 1,5.

Mayer, Prof. Dr. Heinrich: Deutsche Nationalerziehung und
katholisches Christentum. Kempten: J. Kösel u. F. Pustet 1921.
(IV, 120 S.) gr. 8° _ Religionspädagogische Zeitfragen, hrsg. v.
Dr. J. Göttke, Nr. 6. (19) Qz. 2,1.

Besig, Kons.-R. Hans: Die Grundsätze über die religiöse
Kindererziehung nach dem Reichsgesetz v. 15. Juli 1921. Berlin:
Verlag d. Evang. Bundes 1921. (15 S.) 8° (20)
Der Kampf um den Religionsunterricht in unsern öffentlichen
Schulen und um ihren religiösen Charakter überhaupt ist noch nicht entschieden
, das Reichsschulgesetz ist noch nicht da. Die folgenden
Schriften haben also, obwohl sie z. T. einige Jahre alt sind, immer noch
mehr als nur theoretisches Interesse.

Eine sehr nützliche Materialzusammenstellung zum „Kampf um
die evangelische Schule in Preußen" hat uns der Evangelische
Preßverband1 geboten: er skizziert in seinem „Merkbuch" das
*ltt Recht und gibt die wichtigsten Dokumente der neuen Entwick-
lung vom November 1718 bis Ende 1719, die Erlasse der preuß. Re-
g'erungi die Kundgebungen der kirchl. Körperschaften und der Par-
.el^,• die einschlägigen §§ der Reichsverfassung, Kundgebungen der
,. erschaff, 'ehrreiche Pressestimmen u. dgl. Es wäre dankenswert,
"^ese Arbeit fortzusetzen und auf das übrige Deutschland auszudehnen.
Auch Pfannkuches2 Schrift ist in gewissem Sinne als Materialsammlung
lehrreich. Denn sie gibt eine kurze und bequeme Uebersicht

über die Regelung des Verhältnisses von Staat und Kirche hinsichtlich
des Rel.-Unt. in den wichtigsten außerdeutschen Kulturländern.
Er teilt uns aber auch seine eigene Meinung mit: Einheitlichkeit
der nationalen Volkserziehung, Erziehungsschule, Glaubens- und Gewissensfreiheit
sind seine drei Grundforderungen. Er sieht sie am besten
verwirklicht, wenn ein nach Konfessionen getrennter, aber nicht klerikal
gebundener Rel.-Unt. in den Staatsschulen verbliebe. — Als Materialsammlung
werden unsere Leser auch die Veröffentlichung des Sächsischen
Lehrervereins3) willkommen heißen. Der Bericht des
Hauptberichterstatters, des sozialistischen Lehrers Hiemann-Leipzig (mir
auch aus einem Vortrag in unerfreulichster Erinnerung) mit seinem
öden flachen Aufkläricht lohnte der Lesung nicht, wenn er nicht leider
für einen großen Teil der politisch verhetzten und daher pädagogisch
verblendeten sozialistischen Lehrerschaft typisch wäre. Wohl kamen
im Zweitbericht von Prof. Dr. K1 c p 1 und auch in der Aussprache
bessere Einsichten zu Worte. Aber die „Leipziger Thesen" mit ihrer
Forderung der „weltlichen Schule", Ablehnung religiöser Erziehung,
geschweige kirchlicher Mitwirkung, und Bekenntnis zu Moral-Unt. und
objektivem Unterricht in Religionsgeschichte wurden doch einstimmig
oder mit großer Mehrheit angenommen.

Gegen die in derartigen Bestrebungen zutage tretende „Entchristlichung
der Schule" hat Ferdinand Jakob Schmidt,4 der bekannte
Berliner Philosoph und Pädagoge lebhaften Protest erhoben. Er
stellt unser Problem in einen weiteren Rahmen, die Krisis unseres evangelischen
Christentums, wie sie in der unfruchtbaren Historisierung
unserer Theologie, der bürokratischen Erstarrung unserer Landeskirchen
und der erzieherischen Unzulänglichkeit unserer Schulen sich
bezeugen. Er kämpft gegen die Gesetzlichkeit der „Moralisten" für
die Persönlichkeitsbildung im Geist der evangelischen Freiheit Luthers.
— In diesen Protest stimmt ein großer Chor mit ein. A. Richter5
läßt seine ursprünglich gegen die Bremer Denkschrift (Antrag der
Bremer Lehrerschaft auf Abschaffung des R. U. vom Mai 1905) gerichtete
Schrift in 2. stark vermehrter Auflage erscheinen. Er übt seine
Kritik vom Standpunkt des christl. konfessionellen R. U. aus. Gegen die
naturalistische Weltanschauung der Bremer und ihrer neuesten Genossen
entwickelt er, in unnötiger Breite, Euckens Neuidealismus und
leitet aus ihm einen R.U. ab, der im ganzen sympathisch berührt, besonders
in der auf Dörpfeld und Rein gestützten Betonung des Familienprinzips
, der aber auch durch einige altertümliche Reste befremdet
, z. B. Ueberschätzung des religionspädagog. Werts der Augustana,
doktrinäre Ausschaltung der ostasiatischen Kulturreligioncn, weil nicht
zum germanischen Kulturkreis gehörig (dagegen: Weltwirtschaft, Weltverkehr
, Mission!) — Vom Standpunkt einer milden Orthodoxie aus
bekämpft der ehrwürdige Nestor der Religionslehrerschaft D. Zange1',
die weltliche Schule, den Moralunterricht, und objektiven, überkonfessionellen
R.U. Er fordert evangelische Schulen mit Bezeugung des
„lauteren, vollen Evangeliums" im R.U. Die durch die Weimarer Verf.
geschaffene Lage beurteilt er m. E. zu ungünstig. Der R.U. ist dort
nicht für „wahlfrei" erklärt (wie Hebräisch und andere fakultative
Fächer) sondern für „ordentliches Lehrfach", von dem allerdings (um
des Gewissens willen) Befreiung möglich ist. Das ist ein bedeutsamer,
praktischer Unterschied: nicht Anmeldung der Teilnehmenden, sondern
Abmeldung der Befreiten ist erforderlich. — Für den üblichen R.U.
ohne wesentliche Abstriche oder Reformen bemüht sich Claus-
nitzer7 in sympathischer Weise um eine Ehrenrettung gegen Unkenntnis
und Verkennung. Wertvoll sind seine Anregungen für Ersatztätigkeit
der Kirche an den Erwachsenen. — Bedeutsamer noch
ist das erste Heft derselben Kieler Sammlung von Dr. Erich
Franz.8 Hier ist überzeugend und klar der Standpunkt vertreten, den
m. W. die große Mehrheit der akademisch gebildeten R.-Lehrcr an
höheren Schulen einnimmt. Der R.U. muß der öffentlichen Schule
erhalten bleiben, um die Einheitlichkeit der Erziehung und Bildung zu
gewährleisten. Er ist gründlich zu reformieren, Moralunterricht ist ein
wesentlicher Bestandteil des R. U., kann ihn aber nicht ersetzen. Der
R.U. untersteht in keiner Weise der Kirche. Er ist nicht konfessionell
im dogmatischen Sinne, aber im Sinne der Trennung nach Konfessionen
. Die Forderung der Toleranz wird besser als durch fakultativen
Charakter dadurch befriedigt, daß man ihn innerlich so frei gestaltet
, daß er kein Gewissen bedrückt. Er soll objektiv sein im Sinne
geschichtlicher Gerechtigkeit, aber nicht im Sinne persönlicher Teil-
nahmlosigkeit. — Die Schrift von Kessel er9 kann in ihrer größeren
Ausführlichkeit Franz mehrfach ergänzen. Moralunterricht (Lebenskunde
) für die vom R.U. befreiten, kein besonderer Katechismusunterricht
, Ablehnung der Herbart-Zillerschen Formalstufen, weil auf falscher
intellektualistischer Psychologie aufgebaut, die Methode muß
wahrhaft religionspsychologisch sein, die religiöse Lage des Kindes
sorgsam berücksichtigen und aus den geschichtlichen Stoffen die ausgesprochen
religiösen Werte den Kindern zum Bewußtsein bringen. Oegen
Ende gibt K. noch bedeutsame Fingerzeige über die Wissenschaftl
und pädagogische Vorbildung der R.-Lehrer sowie über religiöse Volksbildung
. — Mein10 Schriftchen zeichnet das Bild eines R.U., der
nicht direkt erbaulich wirken, sondern durch schlichte beseelte
Darbietung (Anbietung, nicht Aufnötigung) der Stoffe den inneren
Menschen bilden will, der grade weil er von kirchlicher Bevormun-