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Ausgabe:

1923 Nr. 9

Spalte:

207-208

Autor/Hrsg.:

Rolfes, Eug.

Titel/Untertitel:

Aristoteles Lehre vom Beweis 1923

Rezensent:

Goedeckemeyer, Albert

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207

Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 9.

208

Berthold sind auch schon die beiden letzten Stücke von „Am Fuße des
Altars" deutsch „bearbeitet" worden. — Durch K.s Erbauungsschriften
ist an sich schon nicht leicht durchfinden, weil K. zu gewissen Lieblingsthemen
immer wieder zurückgekehrt ist. Das Chaos, das die
deutschen Herausgeber schaffen, ist aber vollends undurchdringlich. Es
ist zu fordern: 1. daß man künftig die Oruppenbildung K.s nicht mehr
zum Zweck willkürlich eigener Gruppenbildung zerstöre, 2. daß man
wissenschaftlich genau angebe, wo der übersetzte Text dänisch zu
finden ist.

Was nun den Wert der Uebersetzung betrifft, so möchte ich mich
über Julie v. Reincke's Nachlaßarbeit nur mit Schonung äußern. Sie
ist recht gewissenhaft gemacht, doch muß man sich hüten, K.s Dänisch
nach dem in ihr gebrauchten Deutsch zu beurteilen. Die Flickworte
kommen meist auf das Verdeutlichungsstreben der Uebersetzerin. —
Theodor Haccker ist ein begabter Uebersetzer. Er hat Sinn für den
Rhythmus in K.s Sprache und sucht ihn nachzubilden. Leider ist er
aber nicht überall sorgfältig. Gudelighed wird besser nicht mit Andacht
, sorgelig nicht mit sorgenvoll übersetzt. Und dgl. mehr.

Die hier neu zugänglich gemachten Stücke können
uns dazu dienen, das bei K. bestehende Gleichgewicht
zwischen erbaulicher und ästhetisch - philosophischer
Schriftstellerei zum Bewußtsein zu bringen, und dadurch
beitragen zur Korrektur des durch Schrempf verschuldeten
Vorurteils, daß alle Schriften K.s als vorbereitende
Stadien seines Angriffs auf die Christenheit verstanden
werden müßten. Sie können aber auch, und das
ist mehr, uns tiefer hineinführen in K.s Verhältnis zu
Gott. Haecker macht in seinem Nachwort zu „Am Fuße
des Altars" darauf aufmerksam, wieviel näher als die
ästhetisch-philosophischen Schriften die erbaulichen Reden
den Tagebuchaufzeichnungen stehen. In der Tat, wir
wissen noch zu wenig von der seligen Anbetung Gottes
durch Tränen hindurch, die im Herzen dieses Menschen
gelebt hat. Trotz Schuld und Leid war ihm das Verhält-*
nis zu Gott „die glückliche Liebe" seines Lebens. Dem
Mittelpunkt seiner Frömmigkeit — der (nicht ungefährlichen
) Erkenntnis, daß gerade bleibende Sünde die betende
Gemeinschaft mit Gott zur ganzen tief innigen Hingabe
macht — kommen von den hier übersetzten Schriften
am nächsten die Predigt über den „Pfahl im Fleisch"
und die von 1851 über die „Sünderin".

Für sich steht die Schrift über die Schauspielerin. K. hat selbst
damit sich gequält, ob er diese von seinem eigentlichen Werk abliegende
Kleinigkeit veröffentlichen dürfe. Er hat mit dieser Schrift also all die
Schwierigkeiten durchgemacht, die Johannes Climacus an der Frage
hatte, ob er in den Tiergarten fahren dürfe. Daß K." die bejahende
Antwort fand, spricht dagegen, daß er damals schon im negativen
Weltverhältnis stand.

Die Vor- und Nachworte Haecker's sind mir
zu umfangreich, trotz mancher feiner Bemerkungen. Die
Wiederholung der allbeliebten groben Deutung von K.s
geheimnisvoller Schuld (im Vorwort zum „Pfahl im
Fleisch") wäre besser unterblieben. Daß die Möglichkeit,
vielleicht Vater geworden zu sein, nicht K.s Lebensqual
gewesen ist, geht z. B. aus Papirer IX A 50 (S. 29) (1848)
hervor: „Ein Verdienst habe ich doch: ich habe keinen
Menschen in die Welt gesetzt." Die wahre Lösung des Geheimnisses
kann nur in einer genauen Darlegung von K.s
gesamter innerer Entwicklung gefunden werden. Ich
möchte hier auf zwei Veröffentlichungen von Eduard
Geismar-Kopenhagen hinweisen, die mir für mein Verständnis
K.s selten viel gegeben haben und auf eine ganz
andere Deutung des Geheimnisses führen: Saren Kierkegaards
Ungdomsliv (Gals Danske Magasin 1922 S. 115
bis 126) und Det etiske Stadium hos Seren Kierkegaard
(Teologisk Tidsskrift 1923 S. 1—47).
Göttingen. E. Hirsch.

Rolf es, Dr. theol. Eug.: Aristoteles Lehre vom Beweis. (Des
Organon vierter Teil) oder zweite Analytik. Neu übersetzt und mit
einer Einleitung und erläuternden Anmerkungen versehen. Leipzig:
Felix Meiner 1922. (XVIII, 164 S.) 8° = Philosophische Bibliothek.
Band 11. Gz. 4,5; geb. 6.

Die Uebersetzung der 2. An., die in ihrem Aeußern
mit den schon früher besprochenen Uebertragungen
übereinstimmt — Einleitung, Inhaltsverz., Uebertragung,
Anmerkungen, Namen- und Sachverzeichnis —, ist durch
die Einleitung besonders beachtenswert. In ihr führt R.

in gedrängter Kürze einiges über die ar. Logik als Ganzes
ihrer Beschaffenheit, Bestimmung und erkenntnistheoretischen
Grundlage nach aus. Er lehnt sowohl ihre
traditionelle Auffassung als einer rein formalen Disziplin
ab, als auch den von H. Maier erhobenen Vorwurf, daß
sie sich nicht eng genug an die Wirklichkeit anschließe.
Für ihn ist die Logik des Aristoteles „keine andere als
die Natur der Logik sie fordert" (V). Hat er damit im
wesentlichen recht, so glaube ich doch, daß in der Bemerkung
, daß die aristot. Fassung des Wahrheitsbegriffes
der erkenntnistheor. Kritik nicht standhalten
könne, das Recht auf Maiers Seite liegt.

Der vorliegende Band bildet den letzten in der Reihe
der log. Werke des Arist. R. hat damit eine Aufgabe
durchgeführt, die große Mühe und noch größere Opferwilligkeit
erfordert. Er hat die alten und vielfach veralteten
Uebertragungen durch neue ersetzt, für die ihm
jeder Dank wissen wird, der die Schwierigkeiten kennt,
die in dem Organon der Ar. enthalten sind.

Königberg i. Pr. Goedeckemeyer.

Bapp, Karl: Aus Goethes griechischer Gedankenwelt. Goethe
u. Heraklit nebst Studien üb. d. Dichters Beteiligung an d. Altertumswissenschaft
. Leipzig, Dieterich'sehe Verlh. 1921. (VIII, 99 S.
m. 1 Abb.) gr. 8°. Das Erbe der Alten. 2. Reihe, 6. Heft.

Oz. 1; geb. 3.

Barthel, Ernst: Goethes Wissenschaftslehre in ihrer modernen

Tragweite. Bonn, Friedrich Cohen 1922. (119 S.) gr. 8°.
Fischer, Paul: Goethes Altersweisheit. Tübingen, J. C. B. Mohr
1921. (XII, 248 S.) gr. 8°. Gz. 2,5; geb. 4,5.

Alle drei Schriften haben es mit Goethes Welt- und
Lebensanschauung zu tun. Alle begegnen sich in wichtigen
Ergebnissen, obwohl jeder der drei Verf. den
Gegenstand unter besonderen Gesichtspunkten und nicht
ohne eine gewisse Einseitigkeit betrachtet, jeder sich an
ein andres Publikum wendet. Bapp zeigt sich in der
Einstellung und Durchführung als Kulturhistoriker, der
dem Plan der ganzen Sammlung (D. E. d. A.) gemäß die
innigen Beziehungen zwischen antikem und deutschhumanistischem
Geistesleben aufdecken will. Sein Büchlein
besteht aus vier Aufsätzen, von denen wir die drei
letzten, kürzeren an dieser Stelle nur zu nennen brauchen-.
Sie handeln von Goethes Beschäftigung mit archäologischen
Dingen, mit Euripides (besonders mit den
Bruchstücken des „Phaeton") und mit der homerischen
Frage. Der weitaus wichtigste und umfangreichste der
Aufsätze aber ist Goethes Beziehungen zu Heraklit gewidmet
, dem Begründer jener dualistischen Weltauffassung
, die auch in Bartheis Buch als die eigentliche
Grundlage aller (einander oft genug polar entgegengesetzten
) Aeußerungen Goethes über metaphysische und
religiöse, menschliche und natürliche Dinge erscheint.

Freilich beschränkt sich Bapp auf eine in allem Wesentlichen
zutreffende Gegenüberstellung der Hauptlinien von Heraklits Weltanschauung
und einiger Sätze Goethes, die seine Gegensatzlehre besonders
stark betonen; darauf folgt eine grosse „Stellensammlung", die
in 26 Abschnitten die Hauptsätze Heraklits aufführt und aus Goethes
Werken Parallelen dazu beibringt — eine Fülle wertvollen Materials,
das freilich noch der geistigen Durchdringung harrt. Natürlich muß .•
jede dieser Aeußerungen, um ihre volle Wirkung zu tun, aus ihrem besonderen
Zusammenhang heraus und nicht bloß mit unmittelbarer Einstellung
auf Heraklit betrachtet werden. Es ist sehr zu bedauern, daß
B„ der doch sonst eine Fülle von Literatur sorgsam berücksichtigt, die
wichtigste Darstellung des ganzen Zusammenhangs nicht ausgiebiger
benutzt, nämlich E. Bouckes, auch in germanistischen Kreisen lange
so gut wie unbekannt gebliebenes Werk. „Goethes Weltanschauung auf
historischer Grundlage. Ein Beitrag zur Geschichte der dynamischen
Denkrichtung und Gegensatzlehre" (Stuttgart, Fr. Frommann, 1907).

Gar nicht historisch, sondern systematisch und zugleich
praktisch-methodologisch ist das Buch von B a r -
t h el gerichtet, bei weitem das wertvollste unter allen
dreien. Ähnlich, nur minder kritisch, wie E. Cassirer
in seinem lichtvollen und scharfsinnigen Aufsatz über
„Goethe und die mathematische Phvsik" (in der Sammlung
„Idee und Gestalt", Berlin, B. Cassirer 1921, S.
27 ff.) bricht er eine Lanze für Goethes Naturbetrachtung
, die in seinem Kampf mit Newton am deutlichsten
zum Ausdruck kam, die aber mit seiner ganzen Weltauf-