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Ausgabe:

1923 Nr. 8

Spalte:

192

Autor/Hrsg.:

Werdermann, Hermann

Titel/Untertitel:

Wir Pastoren! Eine Gegenwartskritik und ein Zukunftsideal 1923

Rezensent:

Thimme, Wilhelm

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191

Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 8.

192

these" keine streng wissenschaftliche Begründung ermögliche
. Der hiermit zugleich ausgesprochenen Forderung
soll nun die von M. befürwortete „wissenschaftliche
" (scientific) Methode der Theologie als „empirischer
Wissenschaft" genügen. Auf den inneren Widerspruch
, der in diesem Begriff liegt, ist oben schon hingewiesen
worden. Hier ist noch ein anderes Bedenken
hinzuzufügen. Aufs Ganze gesehen geht die Intention
M's auf eine religionswissenschaftliche Ontologie über
das Wesen Gottes, seine Eigenschaften und sein Verhältnis
zur Welt. Diese Ontologie wird aber unter der
Voraussetzung der Existenz Gottes, unter Voraussetzung
also der grundlegenden Glaubensüberzeugung entfaltet,
ohne daß diese selbst irgendwie — direkt oder indirekt —
in die wissenschaftliche Fragestellung hineingenommen
wird. Es ist demgemäß, eine phänomenologische Ontologie
, die M. entwirft. So haben wir hier eine überaus
interessante Parallele zu den ontologischen Bemühungen
der Husserlschen Phänomenologen-Schule. Recht und
Grenzen der Verwertung dieser Phänomenologie für die
theologische Aufgabe treten hier deutlich in die Erscheinung
. M. hat sicher recht, daß die Wesensfrage im
Mittelpunkt aller religionswissenschaftlichen und theologischen
Arbeit stehen muß und daß die Behandlung
dieser Wesensfrage am Wahrheitsinteresse orientiert sein
muß. Aber er ist darin im Unrecht, daß er die Behandlung
der Wahrheitsfrage selbst überhaupt ablehnt. Nein,
im Lichte der Wesensfrage ist die Wahrheitsfrage zu
bearbeiten, soweit menschliches Denken dazu irgend imstande
ist. Denn nur so ist der Illusionismus zurückzuweisen
, der schließlich der schlimmste Feind wie aller
theologischen Arbeit, so auch alles religiösen Glaubens
ist.

Diese andersartige Stellungnahme ändert aber nichts
daran, daß das Buch sowohl mit der übergreifenden
Problemstellung wie mit den in diesem Gesamtrahmen
entwickelten Einzelerörterungen höchst anregend und
sehr förderlich wirkt.
Göttingen. Georg Wobbermin.

Isenkrahe, Prof. Dr.: Experimental-Theoiogie. Behandelt vom
Standpunkte eines Naturforschers. Zweite, umgearbeitete und bedeutend
erweiterte Auflage. Mit einem Bildnis des | Verfassers.
Bonn, A.Marcus U.E.Weber 1922. (XVI,186S.) 8°. Gz. 2,5; geb. 4.
Die Untersuchungen und Darlegungen dieses Buches eines katholischen
Naturforschers stehen auf der Voraussetzung, daß sich die Wirklichkeit
Gottes als des über der Welt waltenden, regierenden, wirkenden
, richtenden exakt müsse feststellen lassen, und zwar durch wissenschaftlich
strenge Untersuchung von Wunderereignissen. Solche Wunder
sind Eingriffe Gottes (praeter naturam); ob es dabei wirklich oder
nur vermeintlich praeter naturam geht, gilt es mit aller Strenge nachzuprüfen
. Eine etwaige Konstatierung des praeter naturam ist ein
wissenschaftlich stringenter Beweis: Es lebt der Allmächtige!. Der
Hauptinhalt des Buches ist eine sehr eingehende Durchprüfung von
allerlei katholischen Mirakeln: Lourdes, Blutwunder besonders, Oel-
wunder, Bilder, die ihre Augen bewegen und dergl. mehr. Das Resultat
ist durchweg negativ. Unwillkürlich fragt der protestantische Leser: ist
nicht am Ende alles eine gut versteckte Ironisierung dieses ganzen
Mirakelwesens? Wie kann man sonst soviel ernste Mühe darauf verwenden
? Es mag wohl auch etwas mit dabei sein von Ironie. Aber
die Grundtendenz ist ganz sicher keine nur vorgeschützte. Sie ist ganz
ernsthaft gemeint. Ironisiert wird lediglich die katholische Mirakelleichtgläubigkeit
, weil sie der rechten Experimentaltheologie Abbruch
tut. Daß Gott aus den wissenschaftlich recht durchgeprüften Wundern
ganz eigentlich bewiesen werde, ist für Isenkrahe in vollem Ernst
ein Haupterfordernis der christlichen Apologetik. Dieser religiöse
Intellektualismus ist echt katholisch. Es wandert aber auch noch viel
protestantische Frömmigkeit wohl nicht auf dem Wege der Blut- und
Oelwunder, aber auf den Bahnen desselben Wunderempirismus. Sie
sollte Isenkrahes Buch auch ernst nehmen.

Herrnhut. Th. Steinmann.

Werdermann, Past. Ljc. Dr. Hermann: Wir Pastoren! Eine
Gegenwartskritik und ein Zukunftsideal. Gütersloh, C. Bertelsmann
1919. (156 S.) 8°. Gz. 2.

Das Buch enthält eine Menge richtiger Beobachtungen
und praktischer Winke, wie der Pastor nicht
sein und wie er's nicht anfangen soll, welches vielmehr
seine wichtigsten Eigenschaften sind (Freudigkeit und
Energie), und wie er seinen Hauptpflichten am besten
genügt. Einzelne Kapitel, zumal das mit besonderer Sachkenntnis
geschriebene über den Unterricht des Pastoren
, sind sogar recht gut und beherzigenswert. Gleichwohl
bleibt der Gesamteindruck ein wenig befriedigender
und dies, wie ich meine, hauptsächlich deshalb, weil
das Buch trotz aller am Pastorenstande geübten Kritik
zu wenig aufrüttelnde Kraft besitzt. In dem wichtigen
Kapitel „Person und Amt" werden beispielsweise die
Forderungen erhoben: Weniger Pastorales, möglichste
Ausgeglichenheit der Persönlichkeit, mehr Weitherzigkeit
, rechte Weltoffenheit, wahre Großzügigkeit und
Freiheit. Alles sehr schön. Aber man fragt: Und das
Eine, was not ist? Und die große Not der Zeit? Wäre
diese gebührend hervorgehoben und jenes, wie sichs gehört
, in den Mittelpunkt gerückt, hätte das ganze Buch
wohl ein andres Gesicht bekommen.

Iburg. W. Thi m m e.

Deutsche Evangelisation. Acht Vorträge, hrsg. vom Christi. Volksdienst
zu Leipzig. Leipzig, Dörffling u. Franke 1920. (IV, 113 S.) 8«.

Oz. 1,4.

Es sind hier die Vorträge gesammelt, die auf der
Deutschen Konferenz für Evangelisation vom 12.—16.
April in Leipzig gehalten wurden: Pastor und Missionar
Johanßen, Die Evangelisation unter den Völkern als
Lehrerin für die Evangelisation an unserm Volk; Prof.
D. Ihmels, Evangelisation und Evangelium; Pastor Gabriel
, Evangelisation, Gemeinde und Gemeinschaft; Prof.
D. Lütgert, Evangelisation und modernes Geistesleben;
Pastor S. Keller, Evangelisation und Seelsorge; Pastor
Lic. Stange, Evangelisation an der Jugend; Frl. N. Lutz,
Die Arbeit an der weiblichen Jugend; Überpräsident
a. D. D. Michaelis, Vom Beten. Man bekommt den Eindruck
, daß die Auswahl der Vortragenden eine glückliche
war. Jeder der Redner spricht eindringlich, klar,
besonnen und praktisch aus seinen Studien — bzw.
Wirkungskreis. Nur in dem Vortrag des bekannten
Evangelisten S. Keller klingt ein Ton, der mir nicht gefallen
will. Auch wer theologisch auf anderem Standpunkt
steht als die Vortragenden, empfängt mancherlei
Anregung. Denn es scheint mir unbezweifelbar: Reicht
die sonntägliche Wortverkündigung für die Altgläubigen
nicht mehr aus, das Volks- und Gemeindeieben
wirklich zu christianisieren, dann für die, welche neue
Wege suchen, erst recht nicht.

Iburg. W. Thimme.

Neu ist erschienen:
Paulus, Nikol., Dr., Geschichte des Ablasses im Mittelalter
vom Ursprünge bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts.

2 Bände. XII u. 392, III u. 364 S. gr. 8. Gr.-Zahl Mk. 24,—.

Ein für die historische Theologie der katholischen Kirche hochwichtiges
Werk, das in Theologenkreisen schon seit Jahren erwartet wurde.

Philips, Theodor, Dr., Die Verheißung der heiligen Eucharlstis
nach Johannes. Eine exegetische Studie. VIII u. 208 S.
gr. 8. Gr.-Z. Mk. 2.-.

Die Grundzahl vervielfältigt mit der jeweiligen jeder Buchhandlung bekannten
Schlüsselzahl ergibt den Ladenpreis.

Verlag von Ferdinand Schöningh in Paderborn.

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 5. Mai 1923.
Beiliegend Nr. 8 und 9 des Bibliographischen Beiblattes sowie ein Prospekt des Verlages Alfred Töpelmann, Gießen.

Verantwortlich: Prof. D. E. Hirsch in Göttingen, Nikolausberger Weg 31.
Verlag der J. C. Hinrichs'schen Buchhandlung in Leipzig, Blumengasse 2. — Druckerei Bauer in Marburg.