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Ausgabe:

1922 Nr. 5

Spalte:

116-117

Autor/Hrsg.:

Messer, August

Titel/Untertitel:

Einführung in die Erkenntnistheorie 1922

Rezensent:

Jordan, Bruno

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ii5 Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 5. 116

nis, eine Einleitung, eine Literaturüberficht, Anmerkungen ! vollem VerkehrmitPlatonjunggewefen, mit ihm gealtert fein,
und ein ca. 40 Seiten umfaflendes Regifter. Aber auch ; ehe man zu feiner Seele vordringt'. Keine Lebensge-
fachlich wird man fich gern von Apelt leiten laffen, nicht j fchichte verlangt vielleicht fo viel Innerlichkeit und Grund-
nur in der Einleitung, die von Entftehung und Bedeutung [ erkenntnis eines Herzens als eine Piatonbiographie, deren
des Werks fpricht, fondern auch in den wenn auch kurzen , Held doch vor allem auf das Innere und feine denkende
Anmerkungen, die vielfach Hinweife auf die Quellen des j Einheit feine Aufmerkfamkeit gerichtet hat.
Diogenes enthalten und auch beachtenswerte Verfuche In drei Bücher gliedert fich der erfteBand: Jugend,

zu Textkorrekturen machen. Keiner befonderen Worte j Mannesjahre, Alter. Er bringt alles, was Piaton lebte
bedarf es dafür, daß die Herausgabe diefer Überfetzung, und dachte famt Bei- und Außenwerk feines Schickfals.
trotzdem eine kritifche Ausgabe des Textes noch immer Heimat, Jugenderziehung, Sokrates und feine Verklärung,

fehlt, im höchften Grade dankenswert ift.

Königsberg. Goedeckemeyer.

Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich v.: Piaton. 1. Bd.

Leben u. Werke. (V, 756 S.) gr. 8". Berlin, Weid

mann 1919. M. 28— j nen Werke, die Architektonik ihres Aufbaues, ihre literar-

Abfage an die Welt, Reife und Heimkehr, Schulgründung,
den Staat der Gerechtigkeit, Weltall und Menfch, Kämpfe
um das Lebensglück, Refignation, Tod und Unfterblich-
keit. Der zweite Band enthält das Material zu einer
Biographie Piatons, Textkritik und die Analyse der einzel-

Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von. Piaton. 2. Bd.: 1 hiftorifche Bedeutfamkeit, ihre Sprache und ihr Stil, die
. Beilagen u. Textkritik. (452 S.) gr. 8". Berlin, Weid- ; Frage nach der hiftorischen Treue u. a. Es ift kaum zu
mannfche Buchh. 1919. M. 16— umfaffen, was hier an Neuem und Wertvollem geboten

Mit Stolz wird jeder Deutfcher fich diefes Werkes j wird, und zwar alles in voller Übereinftimmung mit
über Piaton freuen. Der größte Grieche und Enthufiaft wiffenfchaftlicher Erfahrung und pfychologifcher Gründ-

des Wittens wird uns wiedergefchenkt, durch eine felt-
fame Schönheit verklärt und doch durch eine bis zur
Genialität gefteigerte Korrektheit und Klarheit der Dar-
ftellung in helles Licht geftellt. Nirgendwo wird Piaton

lichkeit. W.'s Innerftes ift Piaton wahlverwandt, er tritt
auch der Gegenwart durch platonilches Denken näher
und gewinnt fo einen allgemeinen Gefichtspunkt, auf den
er Natur, Erziehung, Umgebung und Staat zuwendet

ins Welenlofe, Leere, Flache, Schwächliche d. h.,Moderne' ; und einigt. In allem deckt die ftille Fruchtbarkeit und
umgedeutet, es ift nicht der Piaton affektierter Schrift- der erhabene Ernft der Arbeit an Piaton.
fteller, fondern der ernfte und klare Mann, der die Menfchen 1 Das neue Buch von W. ift wohl bis jetzt das Befte,
fittlich erneuern will und deffen Lebensinhalt nie etwas j was wir über den Menfchen Piaton und über die Grundanderes
gewefen ift als Sehnfucht und Streben nach prinzipiell feiner Lehre befitzen. Ihm ift nichts zur Seite
Weisheit und dem fittlichen Staat. Und was der be- i zu ftellen. Es enthält das Lebendige, das in das große
rühmte Biograph hier fagt, alles ift Geftalt: jedes Wort, Gerüft der Platonforfchung als Füllung einzufügen ift.
jeder Satz. Hier ift die Krönung eines Forfchungsge- Diefe Gelehrtenarbeit hat überall den natürlichen Akzent
bietes, das durch die fortgefetzte Arbeit von vielen Jahr- I einer innerlichen Beteiligung und perfönlichen Bewegthunderten
entftanden ift, hier kommt das Geftaltende und heit, faftkönnte man fie ein autobiographifches Dokument
Formende einem Abfchluß gleich. 1 des Mannes nennen, dem wir fie verdanken.

W. möchte erzielen, ,daß andere Piaton lieben, wie | Wien. Franz Strunz,
er ihn liebt'. Piatons Weg ift die ftrenge Wiffenfchaft,

Entwicklungen des abftrakten Geiftes, aber trotzdem | HeuBner, Seminardirektor Dr. Alfred: Hilfsbüchlein für

fteht am Ende diefer geiftigen Vorgange das Irrationale, Kant-Lefer. 1. Kants Prolegomena. (Einführung in

dasAnfchauen durch inneres Erleben: Der Dichter fpricht, , die Vernunftkritik) ( IV, II3S.) 8°. Göttingen, Vanden-

der Dichter der wundervollften Gedankenmärchen und hoeck & Ruprecht 1921. M. IO_

tiefften Symbole. Wilamowitz zeigt, was Piaton wollte | Diefes Büchlein ift aus der Praxis erwachfen und

und war. Er zeigt den Menfchen, nicht nur den über- j durchaus zur ersten Einfuhrung beftimmt, gründet fich

ftrömenden Genius. Nur von ihm aus kann man ver- jndeffen auf eigenes Quellenftudium, wobei es keinem

flehen, wiefo Piaton ein Enthufiaft des Wittens vom Zweifel unterliegt, daß der Verfaffer alles Wertvolle mit

Menfchen wurde. Hinter jeder platonifchen Schrift fteht
diefer Menfch und, wer fie deuten will, muß ein Interpret
der platonifchen Seele und ihrer ganzen Vitalität fein.
W. gibt einen Piaton, der nicht nur der Philofoph, der
religiöfe Reformer, der agitatorilche Politiker, Dichter, der
vollende Gebildete, der Afketiker, der klaffifche Profaik er
mit dramatifcher Begabung ift, fondernderMenfchmitleinen
internen Lebensbeziehungen und feiner Unweltlichkeit (die
man fo oft überfieht), jenen Athener, der Zeit feines Lebens
ein .Werdender' geblieben ift. Was er fchrieb, war durch
fein äußeres Leben, das ihn umgab, beftimmt, aber im
ganzen wächft er organifch. ,Der geniale Menfch bleibt
ein Wunder, und was er fchafft, bleibt Schöpfung'.
Prachtvoll zeigt W. den Zufammenhang von Werk und
Perfönlichkeit oder die gegenfeitige Durchdrungenheit
der beiden. Bis jetzt hat keine Darfteilung feines Lebens
die geiftige Problematik und das Lebensgefühl fo er-
fchöpfend und analytifch behandelt wie W. Er zeigt
wirklich die geiftige Entwickelung und die Schicklaie
der geiftigen Inhalte des Mannes In der biographifchen
Kunft nennt man es das Vordringen zu den Wurzeln
der geiftigen Exiftenz oder zum .geheimen Zentrum'
(Herder), zur geheimen Triebkraft, aus der die geiftigen
Äußerungen gleichfam als die wahren Verdeutlicher
hervorgehen. Freilich bekennt W. felbft, daß dazu ein
langes Leben in der griechifchen und platonifchen Sprache
gehöre, es zu fchreiben, und man muß in .ftetem liebe-

Nutzen und viel Gefchick verwendet hat. Heußner hält
fich an den Gedankengang der Prolegomena, zieht aber
auch wichtige Partien der Vernunftkritik heran. Man
kann diefe kleine, von Vorurteilen freie Schrift Lehrern
und Theologen nur aufs wärmfte empfehlen.

Berlin. Artur Buchenau.

MelTer, Prof. Dr. Auguft: Einführung in die Erkenntnistheorie.

(WilTen u. Forfchen' Bd. 11). (312 S.i 8°. Leipzig. F. Meiner 1921.

M. 18.— ; geb. M. 25.—
Der durch Klarheit der Darfteilung rühmlichft bekannte VerfaMer
diefer inftruktiven Einführung in die Erkenntnistheorie, die urfprüng-
lich als 118. Band der Philofophifchen Bibliothek erfchienen war und
nun in die Sammlung ,WilTen und Forfchen' übergegangen ift, hat auch
diesmal erfichtlich allen Fleiß aut eine mbglichft anfchauliche und durchfichtige
Gliederung und Darlegung der Probleme verwandt. Ich teile
den Standpunkt des Verladers nicht; fein .kritifcher Realismus' (sit
venia verboj fcheint mir in wefentlichen Punkten befonders durch B.
Bauch als unhaltbar erwiefen. Befonders lebhafte Bedenken aber
habe ich gegen das 9, Kapitel über das Verhältnis von WilTen und
Glauben. Dem Glauben wird ein erkenntnismäßiger Gehalt als tatfäch-
lich zugefptochen und dann das WilTen mehr oder minder deutlich darüber
zum Richter eingefetzt. Da aber der Glaube fich nach Anficht
des Verladers noch längere Zeit am Leben erhalten wird und er da
felbftgewiß ift, wo das Denken ewig zweifeit und prüft, fo wird der
Streit leider unaufhebbar fein und bleiben. Vielleicht würde der Glaube
dann eher mit dem Geift des Suchens und Wciterftrebens im wiffen-
fchaftlichen Denken vereinbar fein, wenn er ftatt in Selbftgewißheit in
einem Fefthalten an Werten und in Gedanken über den tiefften Beftand
des Wirklichen beltehen würde. Den .Intellektuellen' bliebe dann der
Glaube nur mehr, in der Form der Hoffnung und des Wunfehes zu-