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Ausgabe:

1922

Spalte:

114-115

Autor/Hrsg.:

Rolfes, Eugen (Übers.)

Titel/Untertitel:

Aristoteles‘ Metaphysik. 2. Aufl 1922

Rezensent:

Goedeckemeyer, Albert

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Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 5.

114

Für das Verftändnis der ruffifchen Sekten war der
Herausgeber der armenifch-paulicianifchen Schrift The key
of Truth (1898) in befonderem Maße gut vorbereitet;
er hat fie auch teilweife aus eigener Anfchauung kennen
gelernt. Doch will er nur Berichterftatter fein über das,
was er der Sache näher ftehenden Forfchern verdankt.
Vornehmlich hat er die Schriften von Ivanovskij, Ge-
fchichte des ruffifchen Schismas (Kafan 1895 und 1897)
und Iusov, Russkije Dissidenty (St. Petersburg 1881) benutzt
(beide mir leider unzugänglich). Doch hat C. ebenfo
wie des ausgezeichneten Kenners der ruffifchen Kirche
Palmieri Schrift Chiefa Russa (Florenz 1908), fo auch die
einer Reihe ruffifcher Autoren verwertet. Die Werke
P. S. Smirnovs, Gefch. des ruff. Schismas des Altritualismus2
(St. Petersb. 1895), Innere Fragen im Schisma
des I7.jahrh.'s (1898), Auf der Flucht vor dem Anti-
chriften (1903) u. a. hat er freilich nicht herangezogen.
In erfter Stelle gilt fein Werk der Schilderung des großen
ruffifchen Schismas der fog. Altgläubigen. Es wird einer
gerechteren Würdigung desfelben dienen, idealifiert es
freilich m. E., Iusov folgend, und überhaupt ein reicheres
Verftändnis ruffifcher Religiofität fördern. Die tatfachliche
Entftehung jenes Schismas kann ich allerdings nur
für dadurch hervorgerufen anfehen, daß die ftaatliche
Gewalt den Patriarchen Nikon, gegen deffen kultifche
Reformen das Schisma fich richtete, zurückdrängte und
hierdurch feinen Gegner die Möglichkeit gab, einen
Widerftand zu organifieren; fonft wäre der Proteft höchft
wahrfcheinlich in feinen Anfängen unterdrückt worden.
Aber daß er hernach eine folche Ausdehnung und Dauer
gewann, muß doch in den kirchlichen und religiöfen
Verhältniffen begründet gewefen fein. Nikon und feine
Gegner wollten beide, daß das Altertum in den kultifchen
Formen zu gelten haben; nur fragte es fich, ob das
griechifche oder das ruffifche Altertum. Auf der Hundert- 1
kapitelfynode 1551 herrfchte die nationale Überlieferung, :
während Nikons Synoden von 1655 und 1656 die Tradition
der ökumenifchen Kirche ihr überordnete. Größere
geiftige Freiheit bekundeten zunächft die letzteren, da
fie an dem üblich Gewordenen Kritik übten; die den
Schismatikern aufgenötigte Oppofition hat dies dann
trotz ihrem Marren Feflhalten an dem Überkommenen |
eine gewiffe geiftige Selbftändigkeit eingetragen. — Die j
verfchiedene Stellung zum Prieftentum hat im Schisma
felbft eine Spaltung herbeigeführt. Weil ohne einen
Bifchof in ihrer Mitte, verfügten die Schismatiker über
keine Priefterweihe; fie mußten daher entweder fich an
von der Staatskirche geweihte Priefter halten, oder überhaupt
auf Priefter verzichten. Das Letztere taten die
Confequenten, bei denen daher das Schisma feine fchärffte
Ausprägung fand. Unter ihnen befonders bereitete die
Frage der Ehe die größten Schwierigkeiten; die üblen
Folgen der teilweife im Princip verflochtenen Ablehnung
der Ehe dürften höher einzufchätzen fein, als namentlich
Iusov urteilt. C. gibt ein gutes Bild der Ausbreitung des
Schismas. Mit Recht verzichtet er auf eine genauere
Angabe über die Zahl der fog. Altgläubigen.

Hat der Altritualismus feinen Hauptfitz in dem nördlichen
Rußland, fo im Eidlichen Rußland die von der
orthodoxen Kirche als lationaliftifche bezeichneten Sekten.
Auch C. hat diefe Bezeichnung übernommen, obwohl er
erkennt (S. 261), daß fie unzutreffend ift. Rationahftifch
nennt die ruffifche Kirche, was im Gegenfatz zur Sakramentskirche
fteht, alfo vor allem den ganzen Protestantismus
. Mit Recht' ficht fich C. durch die Anfchauungen
der Duchoborzen an die mittelalterlichen Katharer erinnert
und hält einen Zufammenhang mit den bulgarifchen
Bogumilen für wahrfcheinlich. Er Itützt fich für feine
Schilderung befonders auf eine auch von den Duchoborzen
felbft anerkannte Schrift Novitsxis (Kiev 1832). Die
Molokanen charakterifiert er vornehmlich nach ihrem in
Genf 1865 gedruckten Glaubenskenntnis (das jedoch für
die fog. geiftlichen Chriften am Don weniger zutreffe),

aber auch nach einer Reihe anderer Berichterftatter
(War Jung Stilling ein .englifcher Methodist'? S. 322);
der Einwirkung des Baptismus auf die Molokanen wird
nicht gedacht. Auf den Stundismus ift auch der Schotte
Melville von Einfluß gewefen (S. 332 muß es heißen
Bonekemper). — Für feine Mitteilungen über die Chlyfty
und Skopzen hält fich C. mit Recht durchaus an die fo
gründlichen Werke von K. K. Graß über fie.

Es ift ein fchöner Dienft, den C. der abendländifchen
Wiffenfchaft mit feinem fo umfaffenden und forgfältigen
Werk geleistet hat.

Göttingen. N. Bonwetfch.

Ofteuropäirche Bibliographie für das Jahr 1920 I. Jahrgang.

(Olteuropa-Inftitut in Breslau) (VIII, 51 S.) 8«. Leipzig,

B. G. Teubner 1921 M. 14_

Zu den Hoffnung erweckenden Dingen gehört es,
daß, wo der Krieg eine unzureichende Berückfichtigung
bestimmter Gebiete hat erkennen laffen, das Bestreben
einfetzt, dem Mangel abzuhelfen. So ift das Olteuropa-
Inftitut in rühriger Weife bemüht, eine Lücke auszufüllen.
Trotz der aus den gegenwärtigen Verhältniffen fich ergebenden
Schwierigkeit hat es auch diefe Ofteuropäifche
Bibliographie erfcheinen laffen. Iuir die Theol. Lit.-Zeitung
kommt natürlich vor allem der der Religionswiffenfchaft
gewidmete Abfchnitt in Betracht. Nicht nur über felb-
ftändig erfchienene Schriften, fondern auch über betreffende
Abhandlungen in Zeitfchriften (wie etwa in der Intern,
kirchl. Zeitfchrift, der Theol. Revue und der Allgem."
Rundfchau) gibt er Auskunft. Die Zahl der Veröffentlichungen
ift keine große. N. J. Bucharin, Kirche und
Staat in der Sovjetrepublik (Moskau, ruff.) wäre u. a. geeignet
, die Aufmerkfamkeit auf fich zu lenken; oder auch
St. Zankow, Die Verwaltung d. bulg. orthodoxen Kirche
(Halle). Vorausfichtlich werden die nächften Jahre fchon
zahlreichere Veröffentlichungen auf ofteuropäifchem Gebiet
bringen.

Göttingen. N. Bonwetfch.

Ariftoteles' Metaphyfik. Überfetzt und erläut. von Dr
theol. Eug. Rolfes. 2. Aufl. I. Hälfte Buch I—VIL
II. Hälfte: Buch VIII-XIV. (Philofoph. Bibliothek'
Bd. 2/3.) (XXIV, S. 1-209 and S. 210-437). 8"!
Leipzig, F. Meiner 1921. je M. 16—; geb. M. 23 —
Der 1., 1908 erfchienenen Auflage gegenüber hat
die 2. wefentliche Änderungen nicht erfahren. Die Anordnung
ift im ganzen diefelbe: Einleitung, Überfetzung
der einzelnen Bücher und erläuternde Anmerkungen.
Der Ausdruck ift hier und da verbeffert. Der „gebildet
feiende Sprachgelehrte" aus dem 2. Kap. des 6. Buches
ift verfchwunden, die Anm. find vermehrt. Was aber
Rolfes' Auffaffung über den Aufbau der Metaphyfik
angeht, fo muß ich allerdings geftehen, daß ich wefent-
lich anderer Anficht bin und meine Anficht im Arch.
f. G. d. Ph. Bd. XX f. auch begründet zu haben glaube.
Ebenfo wenig vermag ich den Interpretationen entfchei-
dender Stellen ganz zuzustimmen. Das hängt wohl damit
zufammen, daß Thomas v. Aqu. für mich nicht die
Autorität darfteilt, die er für Rolfes bedeutet (XXII).
Aber wenn R. fagt, daß es eine nachweisbar irrige Annahme
fei, daß der ariftotelifche Gott nur bewegendes
Prinzip ift (1947), fo wäre es fehr zu begrüßen, wenn
er fich entfchließen könnte, diefen Nachweis auch zu
erbringen.

Königsberg. Goedeckemeyer.

DiogenesLaertius, Leben und Meinungen berühmter Philo-
fophen. Uberfetzt u. erläut. von Otto Apelt. Bol.
I—VI, Bd. II: Buch VII—X. (Philofoph. Bibliothek
Bd. 53/54)- (XXVIII, 341 u. IV, 327 S.) 8». Leipzig,
F. Meiner 1921. Bd. I, II je M. 45 —; geb. M. 60,—.
Rein technifch genommen ift die Überfetzung mufter-

haft. Sie enthält ein kurzes Vorwort, ein Inhaltsverzeich-