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Ausgabe:

1922 Nr. 5

Spalte:

105-107

Autor/Hrsg.:

Boehmer, Heinrich (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Luther und der 10. Dezember 1520 1922

Rezensent:

Köhler, Walther

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Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 5.

theologifch wohlgerüfteten und allzeit loyalen Kirchen- perfönlich; gerade dadurch löft er fich und fein Werk auch
fürften, dem wegen feiner vorbildlichen Tugend und | von der internationalen, Deutfchland umklammernden

feiner ftaatsmännifchen Größe die Tiara angeboten fein
foll. Schiner ift ihm der tatkräftige und wagemutige
Krieger, der verfchlagene und fchlagfertige Politiker, der
herrfchfüchtige, rückfichtslofe Parteimann. Sehr dankenswert
ift die Beleuchtung von Schiners Verhältnis zu
Zwingli. Schmerzlich ift der Nachweis der oberflächlichen
Arbeit des neueften Biographen Büchi. dem
Kalkoff auch mangelhafte Zuverläffigkeit in hiftorifchen
Angaben nachweift.

Loefche gibt die Fortfetzung feiner Mitteilung öfter-
reichifcher Kirchenordnungen, und zwar diesmal die von
Inneröfterreich, Steiermark, Kärnten, Krain und Görz.
Zu beachten ift die Schärfe, mit welcher hier Flacius
Erbfündenlehre, die da und dort in Öfterreich Anhänger
gefunden hatte, bekämpft wird. Auffallend ift, wie vieles
der Predigt im Gottesdienft vorausgeht, fogar auch die
Verkündigungen. Die Abhängigkeit der Kirche von den
„Herren und Landleuten" in diefen Gebieten beweift
fich darin, daß die Kirchenordnung von den Theologen
den Herren und Landleuten übergeben wird, um fie „zu
erwägen, zu ändern, zu vermehren oder abzukürzen."

Auffallend ift, daß die K.O. S. 42 von zwei großen
Katechismen Luthers fpricht.

S. 121 meint I.oefcbe, das fchöne Wort „in necessarns unitas,
in dubiis libertas, in oinnibus Caritas ' Hamme von Auguftin, wälirend
der Schwabe Peter Meuderlin unter dem Pieudonym Rupertu- Mel-
denius der Urheber ift. Pr. Rcalenc 20,859. Der Antlaßtag vor Oftern S. 137
Anm. ift nicht der Dienstag vor Oftern. fondern der Donnerstag, der
große Beicht- und Abendmahlstag der kath. Kirche.

O. Clemen behandelt den Prozeß des Johannes
Pollicarius (Daum), Superintendent in Weißenfels, der
wegen keineswegs bedeutender fittlicher Verfehlungen
auf Befehl des Kurfürften Auguft eingemauert, fchließlich

aber begnadigt wurde. Der Schluß feines Lebens ift erft rün&n mit" einander vwbün^ urkuncl
noch ficher aufzuhellen Dabei gibt Clemen einen Bei- ; Hche Material zum Thema: Luther und der Reichstag zu

trag zur Kenntnis der zahlreichen Schriften des unglück- Worms hübfch in Verdeutfchung zufammen, Briefe des

liehen Mannes. _ • . Reformators, Auszüge aus feinen Schriften, das Wormfer

...S- « Z-S3 lftvllV .dus Jum, (24.Jum) alich Denn VII . idtt. ,,dikt f Dj Verlefu.ig diefer Aktenftücke etwa auf

Tun i ft der 6. Juni. Der 24. Juni aber wäre IX. calendas Juln! . „ . mSo. r u 1 ,1 TT.

J „ J „ „„ einem Gemeindeabend durfte fehr wirkungsvoll fein

Stuttgart. G. Boffert. f ,

° Handelt es fich hier wefentlich um Dokumente, fo

1 m 1 „n,... t,( ;n uiAm<> f^ft.« 4 V»r«n« gibt H. Böhmer eine wertvolle, mancherlei Neues bietende

Lenz Max: Luthers Tal in Worms■ (^hnften d Vereins Darftellung und Beurteilung der Luthertat vom 10. Dez.

f Reformat-Gefchichte, Jahrg 39, Nr 134.) 45 S.) gl. ei lejtet $urch ejne uberrafchende Ge_
80. Leipzig, M-Heinsms Nfl. 1.. K™™J9*M-fchichte der Wertung der Bullenverbrennung, die efner-

kam> u uÄ gpBef .1°™'/ ^ feils als Polizeiwidrige Auflehnung verurteilt,'andrerfeits

Mit Buchfchmuck v. Prof. Hupp. («09 S.) 8». Darmftadt, ^ Freihejtstat verh?rrlicht wurde Dann folgt eine fehr

1 it. -j"?* i9?!-! ui e- gcö. ivi. 25— eingehende kritifche Zufammenftellung der Quellen. Ihre

Luther und der Reichs ag zu Worms in feinen eignen Zeug- Verarbeitung möchte als entfeheidendes Moment nicht
Sn t^^J:9h^^^ftul'rZ & Verbrennung der Bulle (in einem Drucke), fondern

Macht des Kaifertums los und gibt damit der hiftorifchen
und natürlichen Welt ihr Recht zurück, das Recht der
Macht, der ftaatlichen Ordnung an und für fich. Wie
diefe letztere Wendung verrät, klingt eine ftarke politifche
Note bei Lenz an, und zwar an der Gegenwart orientiert.
Davon zeugt nicht nur der Hieb gegen Boutroux (S. 32),
fondern auch die Ausführung über das Staatsideal (S. 40fl).
Daß eine Polemik gegen Troeltfch und leine Anhänger
eingefchoben ift, wird nicht befremden, es ift hier nicht
der Ort, näher darauf einzugehen, zumal eine Verftändi-
gung ausgefchloffen erfcheint. Ein Irrtum ift, daß die
beiden Nuntien an beiden Verhörstagen durch Abwefenheit
glänzten; es war nur am zweiten Tage der Fall (zu S. 13).
Die eigene Preffe auf der Ebernburg (S. 18) muß nach
Kalkoffs Forfchungen (Ulrich v. Hutten S. 543) verfchwinden,
und .das Recht der Macht der ftaatlichen Ordnung 'an
und für fich' hat Luther ficherlich nicht fo gedacht wie
Lenz; feine Obrigkeit follte doch ftets eine chriftliche
Obrigkeit fein.

Kalkoffs Buch präfentiert fich in hübfeher Ausftattung
als Feftfchrift, auf Veranlaffung des Freiherrn Heyl zu
Herrnsheim und feiner Gemahlin herausgegeben. Inhaltlich
fußt der Verfaffer auf feinen zahlreichen, z. T. bahnbrechenden
Unterfuchungen und bietet für eine volkstümliche
Schrift faft des Guten zu viel. Auch bei ihm klingt
ftark der nationale Ton, im Sinne des Antirömifchen, An-
tihabsburgifchen. Aber während Lenz ftark reflektiert,
läßt K. die Tatfachen reden, deren Gewirre er lichtvoll
vorfuhrt, gerade das weniger Bekannte befonders heraushebend
.

Die durch die Luther-Gefellfchaft von Prof. Jordan
herausgegebenen Flugfchrift ftellt, durch kurze Erläute-

Prof. D.Jordan. (63 S.) 8«. Leipzig, Breitkopf & Härtel dje ^ geiftlichen Rechtes angefehen wiffen. Der ganze

iv*iz j .« « l ico« 1-1 r u iy 1 t u Akt fei nicht eine wohl vorbereitete, fondern eine rafch
Luther und der 10. Dezember 1520. 3. Mugfchnft d. Luther- und ühne Rückficht auf die etwai Zufchauer im_

r„r ,,r , ~ , n__( 1 u„„l,m„ < *<Z c1 Q0 L""-1 Sn'"' v""v ivuvMi.ui aui UIC CIWWVCU 4<uiauiuGr im*

Gefellfchaft, hrsg v. lrof D Boehmer. (48 S>i8». rovificrte üemonftration gewefen. Erffarn lo. Dezember,
Leipzig, Breitkopf & Härtel 192.. M. 4.20 ] ^ ^ wahrfcheinlich erft in dem Momente, als er zu

Mit jugendlicher lu-ifche, temperamentvoll und originell, dem Gange nacn dem Elftertore aufbrach, weil die gottbehandelt
Max Lenz das Thema: .Luther in Worms.' lofen Bücher der fcholaftifchen Theologie, auf die er es
gibt ihm die Spitze, daß für die innere Entwicklung fenr ernitlicln abgefehen hatte, nicht aufzutreiben waren,
S.es Reformators in dem Worte, an das man bei Luthers habe fich Luther entfchloffen. auch diefes antichriftliche
, • i" ,, ?rms zu denken pflegt: ,Gott helfe mir, Amen', ; Machwerk der Bulle mitzunehmen und jetzt fogleich mit
mcivts Befonderes lag, da er mit feinem Glauben fchon yu verbrennen

nänren '' V ^ l^'"6 ffekonlmen ^> AjP ,feinf j Trttk der fehr eingehenden und gefchickten Begründung B.'s fcheint

uaiuen Knappheit ausgezeichneter Uberblick über die : mir die Theic doch in diefer Form /.u fcharf zugefpitzt /.u fein. B. er-
Jahre 1517—1520 fuhrt dafür den Beweis. Der Bruch mit zählt uns fellift von dem BnHchluB Luthers, die Bulle am 2. De/..

Rom lag in Worms fchon hinter ihm und die Bedeutung 1 öffentlich auf der Kan/.el zu verbrennen; das wäre doch ein Akt Oftendes
Tages liegt in dem Bruch mit Kaifer und Reich, mit 'a"ver bemonftrat.on gewefen, follte dann die Handlung acht Tage
dem rnmiM.äk u • 1 1 r L VTÜ4 i-> ,.,n.»ht 'l>ater elKe,,tl,ch eine programmwidngc Improvifation' gewefen fein?!
OOm romilcheil Reich deutfeher Nation. DM verfteht v Schubert hat darauf hingewiefen, daß er gerade den S. Dez. wählte,
-enz lo: Luther überläßt die Wahrheit fich felbft ganz weil mit ihm die 6otägige Bedenkfrlft abgelaufen war. Beides
allein, wartet nicht den Rechtsfpruch der Obrigkeit ab, ' fpricht doch nicht für eine .plötzliche'Tat. Das von B. als .fchlagendfter
der gegenüber er Gehorfam zu predigen pflegte, macht Bew,eis' an.K^'hrte Moment, daß der Reformator den Studenten erft am
"Ch auch nicht — wozu an f.rh MöaliHikrir .rewefen wäre "' 1 eZ,- eme, *-'roße Re'le hldt' 'die er ihnen eigentlich an dem brennen-
— zum Kii 1 m Möglichkeit gewelen waie (,en Scheiterhaufen draußen aul der Klbwiefe hätte halten feilen', ift
feinTa» n .d4r NabO" gegen Rom, fein Gottesbewußt- , eine p«tftio prineipii. Warum hätte er das Collen? Seine Rede wäre
11t Vielmehr durchaus weltfern, feine Religion ganz wohl ganz unterblieben, wenn nicht die Studenten die furchtbar ernfte

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