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Ausgabe:

1922 Nr. 5

Spalte:

103-104

Autor/Hrsg.:

Bursche, Edmund

Titel/Untertitel:

Die Reformarbeiten des Basler Konzils. Eine kirchengeschichtliche Untersuchung zu Erlangung des Grades eines Lizentiaten der theologie, einer hohen theologischen Fakultät der Universität zu Basel

Rezensent:

Bossert, Gustav

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103 Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 5. 104

Unterfuchungen, wobei er jedoch von Hoppes fprachlichen j
Studien zu Tertullian nur die Marburger Diflertation von
1897, nicht feine größere Arbeit über Syntax und Stil I
Tertullians (Leipzig 1903) kennt.

Der Vorgang diefer Schriftfteller ift noch viel häutiger wirkfam
als G. beobachtet hat, fo z, B. bei ,oculatus', ,indignanter', ,mussitare,
.meritum' (im Sinne von Schuld), ,promereri (deum)', ,dominicus' uTw.
Zur Wendung ,hominem induere' I, 62 (von Jefus, S. 78 vgl. Tert.
de carne Chr. c. 3. Cypr. Quod id. c. 11 u. 14. de dorn, or c. 14. Der
Gebrauch von dicentia' im Sinne von und in Verbindung mit ,potestas'
(I, 46) hätte auch Erwähnung verdient, ebenfo die Erfcheinung, dali
bei genitivifch verbundenen Synonymen gelegentlich auch das weniger
paffende Wort im Genitiv fteht wie IV, 26 : castimoniae virginitate (richtiger
wäre: virginitatis castimonia) — Dinge, die (ich ebenfalls fchon bei
Cyprian finden.

Überhaupt fcheint mir das Eigentümliche der Sprache
und des Stils bei A. im Unterfchied von feinen afrika-
nifchen Vorgängern, etliche Neubildungen von Wörtern abgerechnet
, hauptlächlich in feiner unnatürlichen und ver-
fchränkten Wortftellung zu liegen.

Hinter .virtutes' (Wundertaten, S. 82) (lebt weniger das griechifche
dwiftett, als vielmehr agitai.

München. Hugo Koch.

Die Reformarbeiten des Basler Konzils. Eine kirchenge-
fchichtliche Unterfuchung zur Erlangung des Grades eines !
Lizentiaten der Theologie, einer hohen theologifchen Fa-
kultät der Univerlität zu Bafel eingereicht von Lic. theol.

Edmund Burfche. XII u. 124 S. Lodz, Druckerei Z.

Manitius 1921 (zu beziehen vom Verfaffer Warfchau, I

Emilji Plater 7. 25 deutfehe Mark).
Der Verfaffer, Lehrer der Theologie an der neuerrichteten
evg. Fakultät der Univerfität Warfchau, fpricht j
im Vorwort die Hoffnung aus, Polen foll als freies Volk j
auch das Seine mitbeitragen zur allgemeinen Hebung
der Kultur der Menfchheit. Wie viel Glauben er dafür
in Deutfchland, ja in der Welt finden mag? Seine Arbeit
verdient als Zeugnis für die Reformbedürftigkeit der
mittelalterlichen Kirche Beachtung mit den Reformvor-
fchlägen und Reformdekreten des Baslers Konzils, das
er mit Recht gegen den Vorwurf des Radikalismus gegenüber
dem Papfttum in Schutz nimmt. Wir erfahren,
daß in den Kirchen und Kirchhöfen Spiele, Tänze
Schmaufereien und Jahrmärkte gehalten wurden. Kanoniker
bringen in die Kirche Hunde, Habichte, Falken
mit, fchwatzen während der Gebete und Mellen. In die
Meife werden weltliche Lieder eingeflochten. Zwifchen
Palmfonntag und Ofterfonntag S. 32 ift für Gründonnerstag
und Karfreitag kein Raum. Die Belehrung der Gemeinde
gefchieht durch Predigten. Von Katechefe oder
gar Schule S. 62 ift keine Rede. Beachtenswert ift die
Forderung eines Buches mit Verzeichnis der Beichtenden
und Kommunikanten. Der Schaden der Kirche ift der
Fiskalismus, gegen welchen das Konzil befonders mit feinen
Befchlüffen über das Papfttum (Aufhebung der
Annaten, Provifionen, Exfpektanzen ufw.) kämpft. Wir
Deutfehe können uns der Geftalt des Bifchofs Johann
Scheele von Lübeck freuen, von dem die Theol.
Realenz. nichts zu fagen weiß. Es ift unfaßlich, daß
Burfche ihm einen Polizeigeift zufchreibt, während diefer
weitfichtige Mann den Mut hat, die Abfchaflung des
Cölibats zu beantragen und gut zu begründen, die Trunkenheit
als Ruin aller Guten und freiwilligen Wahnfinn
bezeichnet, aber mit Rückficht auf den Einfluß ketzer-
ifcher Bibeln alle Bibelüberfetzungen verboten wiffen
will. Überrafchend ift fein Antrag auf einheitliche Münze
in der Chriftenheit.

Auch Katholiken werden nicht bereuen, die Reformarbeiten
des Basler Konzils genauer kennen zu lernen.
Wie überrafchend ift nicht die Verwerfung des Fußkuffes
beim Papft! Bemerkenswert ift der Einfluß der Univerfität
Paris, der lieh darin zeigt, daß für alle irgendwie
bedeutenden Ämter, für alle reicheren Pfarrftellen
Graduierte und Mitteilung aller Vakanzen an die Univerfität
verlangt werden, während für die einfachen

Pfarrer S. 40 nur Kenntnis der lateinischen Sprache gefordert
wird, und doch hatte Gregor XI. 1371 neben
bene et congrue loqui latinis verbis noch bene legere
und bene cantare gefordert (Rieder, Römifche Quellen
zur Konftanzer Bistumsgefchichte S. 524 nr. 1657).
An theologifche Bildung der einfachen Priefter dachte
weder der Papft noch die Basler. Berechtigt ift S. 103
die Kritik an Theol. Realenc. 10, 707, mehrfach auch
an Hefeies und Paftors Aufteilungen.

Das Buch ift nicht angenehm zu lelen. Groß ift die
Zahl der Druckfehler, namentlich in den lateinifchen Texten
. Aber der Verfaffer fcheint auch der deutfehen
Sprache nicht ganz mächtig zu fein. Die Mehrzahl von
Profeflör heißt hier mehrfach Profeffore, vgl. mit äußere
Mittel S. 76. Statt des Hilfszeitwortes brauchen findet
fich meift gebrauchen, Benefizianten ftatt Benefiziaten
S. 75., das fonderbare „einfließen" ftatt einliefen S. 27.
Unklar ift S. 87, wer die 70000 Goldgulden noch nicht
ausgezahlt hat. Ift er vielleicht Druckfehler für es (Avig-
non)? Mit Namen ift willkürlich umgegangen. S. 65
heißt der gutbürgerliche Mönch Ulrich Stockei plötzlich
von Stockei, S. 111 Sienna. Unbekannte Wörter find
nicht erklirrt, wie S. 39 forpitas, S. 42 redagia, S. 83 das
ganz fonderbare epiqueyam.

Stuttgart. G. Boffert.

Archiv für Reformationsgefchichte. Texte und Unterfuchgn.
Hrsgeg. v. D. Walter Friedensburg. Nr. 69/70 (XVIII.
Jahrg. H. gr. 8°. Leipzig, M. Heinfius Nfl. 1921.

M. 11 —

A. V. Müller unterfucht die Gefchichte des Obfer-
vantismus im Auguftinerorden vor der Reformation und
die Haltung Luthers und deffen drei Urteile über Obfer-
vanten in feiner Pfalmenvorlefung. Zunächft überrafcht
die Unfähigkeit des mächtigen Papfttums, Einigkeit, Frieden
und Ordnung innerhalb eines Bettelordens zu fchaffen
und zu erhalten. Staupitz tritt bei Müller in ein fehr
fchlechtes Licht. Er ift ihm ein ehrgeiziger und Ichwacher
Charakter. Es wird nötig fein, diefes Urteil neu
zu prüfen angefichts der Achtung, welche Luther Staupitz
ftets bewahrt hat. Luther wird gegenüber neueren Urteilen
durchaus gerechtfertigt. Er kehrt als ein anderer
aus Rom wieder und tritt für den General und die Zentralleitung
ein. Seine verftärkte Hochachtung für die
Autorität ift der befte Beweis für feine bona fides und
die Ehrlichkeit, womit er den Kampf gegen die Obfer-
vanten geführt hat. Diefe find ihm Schismatiker, weil
fie ihrem Prälaten den Gehorfam aufkündigen. Gegen
Staupitz richten fich feine drei Äußerungen in der Pfalmenvorlefung
nicht.

Ein eigenartiges Gefchick einer Lutherhandfchrift
weilt G. Buchwald nach in feiner Mitteilung: „Eine
noch unveröffentlichte Vorarbeit Luthers zu feiner Schrift:
Daß diefe Worte Chrifti „das ift mein Leib" noch feft
ftehn. Man weiß nicht, wie diefe Handfchrift in Befitz
des 1893 in Baden-Baden verdorbenen Wiener Ton-
künftlers Franz Willibald Schmidt, gen. Pechatfcheck,
gekommen ift, von dem fie die Stadt Baden-Baden bekam
. Luther befchäftigt fich hier mit den von Ökolam-
pad verwendeten Väterftellen und zwar mit drei Auslagen
Okolampads über Irenaus, welche Buchwald zum
Abdruck bringt. Luther hat diefe Vorarbeit zum Teil
wörtlich in feine Schrift aufgenommen. Nur den erften
Spruch überging er, weil das darüber Gefagte fich vornehmlich
gegen die Papillen richtet. Die Handfchrift
gibt ein Bild von der Arbeitsweife Luthers.

Die ganze Gründlichkeit und Beherrfchung aller
Quellen, die man bei Kalkoffs Arbeiten gewöhnt ift,
beweift er auch in feiner Abhandlung „Kardinal Schiner,'
ein Mitarbeiter Aleanders auf dem Wormfer Reichtag."
Er räumt hier auf mit der älteren Legende von dem
lutherfreundlichen, humaniftifch angeregten Oberhirten,
dann mit der neueren von dem zwar reformeifrigen, aber