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Ausgabe:

1922

Spalte:

94

Titel/Untertitel:

Das kommende Geschlecht 1922

Rezensent:

Bornemann, Wilhelm

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 4.

94

Tögel, Prof. Dr. Hermann: Das Rätfei des Todes und des

Lebens. Drei Vorträge. (66 S.) 8°. Göttingen, Vanden-
hoeck & Ruprecht 1921. M 10 —

Drei außerordentlich anregende Vorträge in gewandter
Darfteilung, verfchiedenen Inhalts, aber zu einer geiftigen
Einheit verbunden und Schritt für Schritt aufwärts führend.
Der erfte zeigt an dem Inhalt des Gilgamefch-Epos, wie
man in der Frühzeit der Menfchheit dem Rätfei des
Todes gegenüberftand. Der zweite legt in umfichtiger
Weife die Ergebniffe derForfchung über die Auferftehung
Jefu dar und fucht fie weiteren Kreifen verftändlich und
annehmbar zu machen. Der dritte erörtert die Frage
des ewigen Lebens. In allen wefentlichen Punkten kann
ich den Gedankengängen zuftimmen. Bemerken möchte
ich, daß das über die Stellung der Tiere zum Tode Ge-
fagte (S. 6) mir unbeweisbar Icheint, und das Gefühl des
Kindes (S. 6f.) nach meiner eignen Erfahrung den Tod
doch anders werten kann; daß die Apoftelgefchichte das
Ereignis von Damaskus dreimal ganz verfchieden fchil-
dert, Kap. 9. 22. 26 (S. 33); daß als Subjekt der .Auferftehung
von den Toten', (S. 41), d. h. aus dem Totenreich
, ursprünglich gar nicht der Leib, fondern die Seele
gedacht ift—e'benfo wie bei dem,Hinabfteigen in das Totenreich
', — zwei Vorftellungen, die uns völlig fremd und
unannehmbar geworden find, und daß die Auferftehung
des Fleifches nicht eine urchriftliche Wendung ift, fondern
eine katholifche Wendung des 2. Jahrhunderts.

Frankfurt a. M. W. Bornemann.

Baerwald, Richard: Arbeitsfreude und andere Beiträge zur pfycholo-
gifchen Lcbcnskunft. (117 S.) kl. 8". Leipzig, J. C. Hinrichs 1921.

M. 7.20; geb. M. 15.—

B. fpintlt hier feine in dem kürzlich befprochenen Buche ,Der
Menfch ift größer als das Schickfal' angefponnenen Oedanken weiter.
Wer Sinn und Zweck des Lebens nicht in Erreichung eines beftimmten
Zieles, fondern in dem Prozeß des Arbeiteus und Kämpfens erblickt
(,Viktorianismus'), wer aus der Autofuggeflion im optimiliifchen Sinne,
insbefondere aus der Kultur der Arbeitsluft ein Studium macht, wird
glücklich leben und allen Stürmen gewachlen fein. Noch mehr als im
vorigen Buche überwiegt der Gedanke, daß gefefaeite pfychologifche
Technik alles machen kann. Wenn die Arbeit dir zunächft öde er-
fcheint, fo luche gleichwohl an ihr intereffante oder bedeutfamc Momente
zu entdecken, und wenn das nicht gelingt, fo freue dich, daß Tie deinem
Geifte Freiheit läßt, zu finnen und träumen; falls fie dir allzufchwer
vorkommt, fo zerlege fie in ihre Teile und konzentriere dich ftatt auf
das Endziel auf das Momentziel ufw. Verf. beruft fich nachdrücklich
darauf, feine Lebensmethode felbft erprobt zu haben. Ohne Zweifel.
Aber ob er fich nicht doch einer lllufion hingibt? Seiner Auffaffung
nach, die in dem neueften Buche fcbärf'er als früher zu Page tritt, bedarf
man, um glücklich zu werden, keines Glaubens, fondem nur einer
gewiffen Klugheit und Gel'chicklichkcit. Ich meine, die Sache verhält
fich doch anders. Glaube ift tief und vielgcftaltig. Er kann fich auch
in das für einen Pfychologcn gewiß anmutige Gewand technifch ausgeklügelter
Lebenskunft kleiden. Aber man würde diefe Regeln nicht
finden, gefchweige fie anwenden, wenn man nicht glaubte. B. beruft
fich gelegentlich, wie auf Montaigne und den feiigen Leberecht Hühnchen,
auch auf die Gemütskurbewegung. In letzterer konkurrieren fichtlich
ein technifch-autofuggeftiver und ein idealiftifcher Faktor (.Harmonie mit
dem l'nendlichen'). Schade, daß B. den zweiten im Wefentlichen aus-
fchaltet.

Iburg. W. Thimme.

Holl Hein, Pfr. Hans: Krankenfeelforge. 2. verbefferte Auflage.
(Praktilch-theofogifche Handbibliothek, Hrsgeg. v. Fnedr. Nieber-
gall, 16. Bd.) (IV, 134 S.) 8". Göttingen, Vandenhoeck u. Ruprecht
192t. *

Hollftein gibt dem angehenden Seelforger aus einer reichen leel-
forgerlichen Erfahrung heraus wertvolle Ratfehl äge für den Verkehr
mit Kranken und fchärft dem erfahrenen das Gewiffen, daß er nicht
das Ideal aus den Augen verliert. Aber er kann auch beide entmutigen,
da er nicht deutlich genug fagt, in wie vielen Fällen die Krankenfeelforge
tatfächlich hinter feinem Ideal zurückbleiben muß. Sie ift eben fo individuell
und vielgcftaltig, daß fie fich nicht in ein Syftem bringen läßt.
Jndem Hollftein das verflicht, konfirmiert er häufig von dogmatifchen
und ethifchen Vorausfetzungen aus, anftatt einfach Erfahrungen und
Beobachtungen eines praktifchen Pfychologcn zu bieten, wie es der alte
Eucharius Kündig (Erfahrungen an Kranken- „und Sterbebetten) tut,
der deshalb manchem mehr zu geben vermag.

Osnabrück. Rolffs.

Das kommende Gelchlecht. Zeitfchrift für Familienpflege u. gefchlechtl.

Volkscrziehung auf biolog. u. ethifche* Grundlage hrsg. von Geh.

Reg.-Rat Prof. Dr. M. Faßbender u. a. I. Jahrg. Hef'tr. (45 S.)

gr. 8U. Berlin, F. Dümmler 1920.

Pro Jahrgang M. 16—; Einzelne« M. 4.50
Diefe Zeitfchrift tritt an die Stelle der bisher von der Deutfchen
Gerellfchaft für Bevölkerungspolitik herausgegebenen Mitteilungen, und
zwar in Vierteljahrsheften von wenigftens drei Bogen. Das vorliegende
erfte Heft zeichnet fich ebenfo durch die Vielleitigkeit wie durch die
Gediegenheit feiner knappen Auffätze aus. R. Seeberg handelt Vom
Sinn der Ehe', Muckermann, S. J., von der .Familie im Einklang mit
den Lebensgefetzen', Schallmayer von .Frauenfortfchritt und Volksnach-
wuchs', A. Zeiler von der .Zukunft der Beamtenfamilie', Fr. Krufe von
der .Vereinigung für Familienwohl im Regierungsbezirk Düffeldorf',
W. Helpach von .Deutfcher Lebenskraft', S. von Kapfl' von den .Gebildeten
und der Frühcbe', zum Schluß folgen einige lefenswerte Bücher-
befprechungen. Die Zeitfchrift, die auch der Pfarrerwelt fehr wichtige
und fruchtbare Anregungen gibt, verdient weitefle Verbreitung, gründliche
Beachtung und durchfchlagenden Erfolg.

Frankfurt a. Main. W. Bornemann.

Verhandlungen des achten Deutrehen Evangelifchen Gemeindetages

in Berlin-Steglitz vom 5. bis 7. April 1921. (63 S.) 8°. Leipzig,

J. C, Hinrichs 1031, M. 7_

Der Deutfchc Evangelifchc Gemeindetag hat fich in den elf Jahren
feines Beftehens dank der Energie und organiforifchen Fähigkeit
feines Begründers, des Pfarrers D. Stock in Lichterfelde, zu einem beachtenswerten
Faktor im Leben der deutfchen evangelilchen Kirche entwickelt
. Das bewies der über alles Erwarten ftarke Befuch feiner letzten
Tagung. Die Teilnehmer dürften dabei auf ihre Rechnung gekommen
fein. Auch die Lefer der gedruckten Verhandlungen finden darin
wertvollftc Anregungen. Befonders der Vortrag von Generallüperinten-
dent a. D Kaftan „Gottesgeift u. menfehliche Ordnungen", der die Auf-
löfung der Verbindung von Kirche und Staat als eine viel zu l'pät erkannte
gelchichtlichc Notwendigkeit begrüßt, muß tiefen Eindruck machen.
Aber auch die Vorträge von D. Stolte-Magdeburg und Pfarrer Geeft-
Schöneberg über „Gewinnung der kirchlich Entfremdeten (Volksmiffion)
und die Einzelgemeinde", fowic von Prof. D. Schian-Gießen und Pfarrer
D. Eckert-Petkus über „l'nfcre Forderungen an die verfalfunggebende
Landeskirclienverfammlung für die Verlälfung der Einzelgemeinde in
Stadt und Land" bieten Katichlüge und machen Vorfchläge, die vor
vielen andern den Vorzug haben, praktifch durchführbar zu fein. Sehr
der Erwägung empfohlen zu werden verdienen die Leitfätze des Kirchen-
älteften Gentfeh über „Die Stellung der Kirchengemeindc zu den Ausgetretenen1
', die auf Grund der Erfahrungen in der Gemeinde von St.
Ulrich-Magdeburg von einer ftrengen Kirchenzucht gegenüber den Ausgetretenen
heilfamftc Wirkungen verfprechen.

Osnabrück. R o 1 f f s.

Hodgkin, L. Violet: Schweigender Dienft. Der Pfad des
Staunens. Mit e. Geleitwort v. Prof. Rudolf Otto.
(VIII, 63 S.) 8°. Tübingen, J. C. B. Mohr 1921.

M. 6 —; geb. M. 12 —

Der Vortrag einer Quäkerin für Quäker. Nach einleitenden
Bemerkungen folgt S. 5—49 ein hiftorifcher Teil,
der über das Schweigen im außerchriftlichen Kultus
(S. 5 —10), in der chriftlichen Kirche i. a. (S. 10—29) und
bei den Quäkern im Befonderen (S. 29—49) berichtet.
Di ran fchließen fich S. 49—63 Betrachtungen über die
Bedeutung des fchweigenden Dienftes in der Gegenwart.
Aus diefen Betrachtungen insbefondere fpricht das Bewußtfein
, daß die Quäker mit der Belebung des Sinnes für
die fchweigende Anbetung allen chriftlichen Kirchen, ja
auch allen außerchriftlichen Religionen einen wichtigen
Dienft zu tun haben, und daß der Weg zur religiölen
Einigung der Menfchheit durch die fchweigende Anbetung
hindurch geht. Das Geleitwort von Otto (S. V—VII)
fordert zur Anwendung des Gedankens im evangelifchen
Gottesdienft auf.

Das Hiftorifche kommt felbft bei dem Bericht über
die Gefchichte des Schweigens im Quäkertum kaum über
die Zufammenftellung zufällig erraffter Notizen hinaus.
Befonders ftörend ift, daß das fchweigende Zulchauen
bei einer Kulthandlung, das fchweigende Warten auf die
Aufforderung zur Rede, das fchweigende Anftaunen des
göttlichen Geheimniftes, und das wortlofe Gebet — vier
ganz verfchiedene Dinge — als ein- und diefilbe Sache
behandelt werden. Das macht m. E. auch die Schlußbetrachtungen
über die Bedeutung des Schweigens mehrdeutig
. Doch ift die fchwierige Frage, ob die Kirchen
des Worts, die mit dem Mut zur nüchternen gewiftens-