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Ausgabe:

1922

Spalte:

89-90

Autor/Hrsg.:

Thurneysen, Eduard

Titel/Untertitel:

Dostojewski 1922

Rezensent:

Hirsch, Emanuel

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Seite 1

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s9

Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 4.

Schließlich weift er noch darauf hin, daß feit kurzer Zeit j meifterlichei^ Analyfe geht fie den einzelnen Geftalten
ein ,katholifcher deutfcher Verein für miffionsärztliche
Fürforge' beftehe, der auch eine entfprechende Zeitfchrift
herausgeben wolle.

München. R. F. Merkel.

Becker, P. Dr. C, S. D. S.: Indüches Kaftenwelen und
Chriftliche Million. (VII, 164 S.) 8°. Aachen, Xaverius-
Verlag 1921. M. 15 —

Gefcnrieben ift das Buch für die Miffionsfreunde
innerhalb der römifch-kath. Kirche. Von wiffenfchaftlichem
Werte ift eigentlich nur der miffionsgefchichtliche Teil
S. 122—164 wegen der Urkunden, die authentifchen Auf-
fchluß über die Stellung der offiziellen Kirche Roms
zur Kalle geben. Von gewiffem Werte find z. T. auch
die Schilderungen von der Rolle der Kafte innerhalb der
k ith. Gemeinden Indiens. Es fehlt hier allerdings allzu-
fehr die Behandlung der Frage von höheren prinzipiellen
Gefichtspunkten aus. Im höchften Grade unbefriedigend,
weil allzufehr dilettantenhait, ift befonders, was über das
Wefen der indifchen Kafte gefchrieben wird. Gefchmack-
los und dem Problem abfolut nicht gerecht werdend empfinde
ich den Verfuch, das Wefen der Kafte durch das Beifpiel
von den zahllofen Spaltungen innerhalb der Sippe der
Müller klar zu machen. Ein eigenartiges Licht auf die
kath. Miffionspraxis wirft die Bemerkung auf Seite 75,
daß es zur Bekämpfung des Tragens heidnilcher Amulette
genüge, den Chriften geweihte Medaillen, kleine Kruzifixe
oder Rofenkränze zu geben, die fie dann ebenfo gerne
offen um den Hals tragen. Dadurch werden die heid-
nifchen Abzeichen von felbft wieder verdrängt'. Als ein
fachkundiger guter Führer zum Verftändnis indifchen
Volkstums erweift fich der Verfaffer nicht.

Kiel. H. W. Schorn er us.

! D.'s nach. Ich möchte meinen, fo zart und tief ift das
Verhältnis diefer Geftalten zum Ewigen noch nicht erfaßt
worden. Es zeigt fich fo, daß wohl die Stellung zu Gott
das unentrinnbare Schickfal jedes Menfchen ift, daß fich
aber dies Schickfal, je nach der Art des Menfchen, in
jedem Falle befonders geftaltet. Allen diefen Möglichkeiten
aber liegt eine Entfcheidung zu gründe. Entweder
: Unglaube, Sichfelbftwollen, Tod. Das ift der
Weg des Menfchen, der aus fich feine Gottheit fucht.
Oder: Glaube, Gottwollen, Leben. Das ift der Weg der
Geburt aus Gott zu neuem Leben. Am Anfang diefes
Weges fteht Jefu Lichtgeftalt". Sie ift für D. die Ver-
perfönlichung Gottes, und zugleich ift fie die fort und
fort ihm ähnliches Leben zeugende, das Gottmenfchtum
als höchftes Ziel vor uns ftellende Macht im gefchicht-
lichen Leben der Menfchheit. Nur durch innerliche Umkehr
jedes einzelnen fieht D. die Möglichkeit einer Neugeburt
der ganzen Menfchheit.

Wie dann an diefem Standpunkt D.'s Kritik geübt
wird, wie das nurRuffifche und das nicht ganz überwundene
Pantheiftifche vom Wahren gefchieden wird, ift hier
nicht näher auszuführen. Die Verf. hat in ihrem eigenen
Denken Anteil an modernen Vergänglichkeiten; L agard e
hat einen nicht durchweg günftigen Einfluß auf fie geübt.
Und doch gibt ihr fchönes Buch Hoffnung. Es zeigt, noch
deutlicher vielleicht, als die Verf. felbft es weiß, daß ein
ernftes mit Kritik gepaartes Hineindenken in D. ein Weg
ift zurück zu dem Gottesglauben und der Gewiffenszucht
des Evangeliums.

Göttingen. E. Hirfch.

Thurneyfen, Eduard: Doltojewski. (77 S.) 8°. München,
Chr. Kaifer 1921. M. 8.65

v. Bodisco, Theophile: Doltojewski als religiöfe Erfcheinung.

(79 S.) 8°. Berlin, Gebr. Paetel 1921. M. 10 —

Beiden Büchern ift D. der große Weifer weg vom
Nur-Menfchlichen und Diesfeitigen und hin zu Gott. Aber
die nähere Beftimmung, die fie diefer Erkenntnis geben,
die Art, wie fie fie begründen, die Sprache, in der fie
von ihr reden, ift charakteriftifch verfchieden. „

Thurneyfen fpricht leidenfehaftlich, mit viel Ausrufungszeichen
und polemifchen Zeitbeziehungen. Seine
eigene Verkündigung und die D.'s fchmelzen ihm — mit
Ausnahme einer „grotesken Verirrung" D.'s (S. 75 ff.) —
zu einer Einheit zufammen. D.'s Geftalten werden nur
als Beifpiele für den einen Th. am Herzen liegenden
großen Gedanken analyfiert: Gott als das Jenfeits alles
unferes Lebens, als die Pofition jenfeits aller Pofitionen,
durch den unfer ganzes äußeres und inneres Dafein prob-
lematifch ift und als Tod erfcheint, deffen Gottheit es
nicht leidet, an irgend eine Gegebenheit gebunden zu
fein, anders als unentrinnbare Frage und unerreichter
Blickpunkt für uns dazufein, — und Gott als die unmögliche
Möglichkeit, die uns in der (eschatologifch gedachten
) Auferftehung von fich aus unfaßbare Erlöfung und

volles Leben fchenken wird, und innerhalb derer es auch : ranmilm^ 5Ü"E5S

T • i_ < .... . vt n 1 -i_ j- r j- nuniuicnen parallele Zwilchen rcligiofer und fozia er Entwicklung in

Liebe und mitleidendes Verftehen gegenüber diefer dies- j der Überwertung der Gemeinfchmtsbcwegung, der TWophfe d«
fettigen Welt (die doch auf das ganz andere Leben eben Kommunismus, und in der einfeitigen Gleichmacherei des lilßrU.n

Radakovie, Mila: Religiöfe Strömungen. (81 S.) 8°. Jena
E. Diederichs 1921. M. 12 —

Das Büchlein ift fo knapp wie tief und reich. Es
breitet in 80 Seiten das Suchen der Gegenwart nach
dem Sinn des Dafeins wie ein Gewebe vor uns aus und
folgt den einzelnen Fäden bis in ihren Urfprung hinauf,
ausgehend von der Grundüberzeugung, daß die fie verknüpfende
Kraft zu fuchen ift in dem unentrinnbaren
Einfluß zeitbeherrfchender Ideen, unter denen in erfter
Linie die Religion als die Beziehung auf das Unendliche
fteht. Es geht fchon hieraus hervor, daß der Verfaffer
nicht eigentlich, wie der Titel vermuten ließe, die
religiöfen Strömungen in ihrem Selbftfinn beleuchtet,
vielmehr in ihrem organifchen Zufammenhang mit der
fozialen Entwickelung. Und zwar fieht er die Linie des
religiöfen Werdens fo, daß fie fich in den letzten Jahrzehnten
vom Materialismus her durch eine ganze Reihe
von unzureichenden Verfluchen, neue Dafeinswerte zu
erlangen, bis zum Kommunismus im Sinne der prinzipgewordenen
Gleichwertigkeit alles Menfchentums entwickelt
habe. Der Wert der Erörterungen liegt dabei
in der Plaftik, mit welcher aus ihnen hervorfpringt, was
die Hoffnung und zugleich furchtbare Verantwortung
der Gegenwart ift: daß fie letztlich vor die ungeheure
Entfcheidung: Diesfeits oder Jenfeits? geftellt ift.

Im einzelnen bringt die Knappheit des Raumes mit fich, daß die
Beurteilung der befonderen Erfcheinung hin und wieder nicht eindringend
genug, auch wohl zu fchnell und gewaltlam erfcheint, fo in der

in ihrer Problematik hinweift) für uns gibt. Man fieht,
Th. legt eben die Verkündigung in D. hinein, die Karl
Barth in feinem Römerbrief kommentar vorträgt. Daß
dabei D. Gewalt angetan werden muß und fein tieffter
Gedanke, der vom Gottmenfchentum, nicht zu feinem
Rechte kommt, braucht eigentlich gar nicht gefagt zu
werden. —

Th. v. Bodisco redet mit fchlichtem Ernft: Es ift
mr wohl ein dringendes Anliegen, daß ihre Lefer durch
D. vor die Gottesfrage geftellt werden, aber fie vermag
»ch felbft von D. zu unterfcheiden. In feinfühliger, oft

Proteflantismus mit Kulturfeligkeit. Eine wertvolle Ergänzung gibt
der „Nachklang", der zu guterletzt die Betrachtung der Religion noch
aus der Verbindung mit dem fozialen Moment löft und das religiöfe
Kernproblem der Gegenwart: Wie verhält fich das Unheilige zum Heiligen
in der Gottheit? zu nachdenklicher Klarheit herausarbeitet.

Kiel. Bruhn.

Feldkeller, Paul: Die Idee der richtigen Religion. Eine
Theorie der relig. Erkenntnis. (VIII, 147 S.) 8"°. Gotha,
F. A. Perthes 1920. _ M. 16 —

F. kommt von logifchen Studien her. Daher inter-

effiert ihn vor allem der Erkenntnis-Charakter und -Wert