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Ausgabe:

1922

Spalte:

70-71

Autor/Hrsg.:

Schmalz, Karl

Titel/Untertitel:

Mater ecclesiarum. Die Grabenskirche in Jerusalem 1922

Rezensent:

Stuhlfauth, Georg

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(X)

Theologifche Literatürzeitung 1922 Nr. 3.

70

Titel .Bifchof' zu geben, ohne Änderung feiner Berufsaufgabe
innerhalb der Verfaffiing; 2. ein Bifchofsamt
ähnlich dem der katholifchen Kirche einzuführen, wobei
dem erften Geiftlichen etwa die Tätigkeiten eines General-
fuperintendenten und eines Präfidenten der Behörde zu-
fammen übertragen werden und eine monarchifche Leitung
der Kirche entfteht. Den erften Vorfchlag lehnt
M. bedingt, den zweiten unbedingt ab; jenen aus Bedenken
gegen die Zweckmäßigkeit des Titels in den deutfch-ev.
Kirchen der Gegenwart, dielen aus inneren Gründen, die er
im Hauptteil der Schrift klar, fachlich und anziehend entwickelt
. Ich kann ihm nach beiden Seiten hin nur zuftimmen
und glaube ebenfalls, daß die Erwartungen, die man mit
der Einrichtung eines Bifchofsamtes, z. B. die Stärkung
des kirchlichen Gemeinfinns, verbindet, fich nicht erfüllen,
daß vielmehr erhebliche Nachteile für das kirchliche Leben
entftehen — auch wenn man dabei auf den Titel .Bifchof
verzichtet. Den zweiten Abfchnitt ,Amt und Geilt' hätte
M. kürzen und dafür eine, immer wieder erforderliche,
Überficht über die Bedeutung des katholifchen Bifchofsamtes
in der kirchenrechtlichen Theorie und vor allem
in der Praxis der Gegenwart geben können. Hinzufügen
möchte ich, daß ich die Gefahr eines Bifchofsamtes für
weniger groß halte als die, die fich bei den neuen Ver-
faffungen ohne Bifchofsamt einftellen kann: die Herrfchaft
der Bürokratie.

Heidelberg. Johannes Bauer.

Bernhart, Dr. joleph: Die Symbolik im Menichwerdungs-
bild des Ifenheimer Altars. Vortrag, gehalten in der
Kunltwiffenfchaftl. Gefellfchaft München. (45 S. m. 4
Abbildgn.) gr. 8°. München, Patmos-Verlag 1921.

M. 10 —

Grünewalds Ifenheimer Altar ift nicht bloß ein künft-
lerifches, er ift in noch höherem Maße ein theologifches
Phänomen. Schon diefes erkennen ift etwas wie eine Tat.
Aber erft der Verfuch, ihm beizukommen, gibt einen
Begriff von feiner Weite und Tiefe, zugleich von feiner
tiefen Verwurzelung in der Symbolik und in dem
liturgifchen Niederfchlag der chriftlich-mythologifchen
Gedankenwelt des ausgehenden Mittelalters. Bernhart, der
katholifcheTheolog,ift indem vorliegendenMünchenerVor-
tragdem Menfchwerdungsbild des Ifenheimer Altares
mit den beiden Madonnen auf den Grund gegangen und hat
weit über das bisher Geahnte oder Gefehene hinaus mit
Brevier und Miffale, Mariologie, Angelologie, Phyfiologus
und Verwandtem den Weg gezeigt und Brefche gelegt
in das Dunkel, das den Sinn des Dargeftellten im Ganzen
und in den Einzelheiten umhüllte. Ausgehend von dem
Stück, das am wenigften Schwierigkeiten bietet, der
Madonna in der Landfchaft rechts, der er den erften
Teil feiner auffchlußreichen Ausführungen widmet, befpricht
er im zweiten Teil die Madonna mit dem Sonnenglanz,
im dritten das Engelkonzert und im vierten das Rätfel-
vollfte von allem, die Geftalten im dunkelbläulichen Lichtreif
über den Engeln. Sechzig Anmerkungen geben die
Nachweife zu den Ausführungen. Nicht alles — B. betont
es felbft — ift reftlos geklärt und nicht alles von dem
Erklärten eindeutig erfaßt. Insbefondere bleibt als Hauptfrage
beftehen, ob Grünewald einem einheitlichen Programm
folgte und, wenn ja, ob und wo diefes Programm (htur-
gifch?) feftgelegt ift.

Im übrigen ift durch Bernharts Vortrag an einem
fpecimen aufs neue erwiefen, daß zum rechten Verftändnis
der großen Meifter des 16. Jahrhunderts mehr gehört als
Analyfe der Form und Stilgefühl, die auch bei höchfter
Ausbildung doch immer nur im Vorhof bleiben, die Seele
aber und die innere Welt der Werke, die den Meiftern
einft dasWefentliche war, nicht ergründen.

Zu dem weifenden Finger des Täufers, Bernhart S. 5, f. A. Jakoby,
Monatfchrift für Gottesdienft und kirchl. Kund 1921, 94»".

Berlin. Georg Stuhlfauth.

Schmalz, Karl: Mater ecclesiarum. Die Grabeskirche in
Jerufalem. Studien z. Gefchichte d. kirchl. Baukunft
u. Ikonographie in Antike u. Mittelalter (Zur Kunft-
gefchichte des Auslandes, 120. Heft). Mit 14 Tafeln
u. einem Titelbild. (XI, 510 S.) Lex. 8°. Straßburg,

I. H. E. Heitz 1918. M. 45_

Auch wenn der Zufammenbruch der deutfchen Waffen
und mit ihm das zeitweilige Ende der deutfchen Forfcher-
arbeit in Paläftina nicht erfolgt wäre, würde Seh.'s Monographie
über die Grabeskirche in Jerufalem einen Ein-
fchnitt, weil einen weitüberragenden Höhepunkt bedeuten
in der auf diefe gewendeten wiffenfehaftlichen Arbeit.
Vermöge der glänzenden Leiftung, die fie verkörpert und
die alles hinter fich läßt, was bisher, fo verdienftlich und
anerkennenswert es auch war, an literarifcher Behandlung
und Erforfchung der Grabeskirche hervorgetreten, ift und
bleibt Sch.'s monumentales Werk ein Ehrenmal deutfeher
chriftlich-archäologifcher Wiffenfchaft im heiligen Lande,
ein Ehrenzeugnis zugleich für den Idealismus wie für die
Leitungskraft eines deutfeh-evangelifchen Pfarrers. Auf
lange hinaus wird diefes Werk das Werk von der ,Mater
ecclesiarum' fein.

Sch., der den Grund zu feinem Buche bei einem längeren
Aufenthalt in Jerufalem gelegt hat und für die
Ermöglichung der Drucklegung Frau Schlutius auf Karow
und Herrn Henry Sloman auf Beilin dankt, verfügt über
das ganze, weitfehichtige Quellen- und Forfchungsmaterial
in voller Souveränität, verfügt überdies über eine hervorragende
, den gefamten irgend verwandten Denkmälerbe-
ftand des chriftlichen Altertums wie des Mittelalters
überblickende Kombinationsgabe, dazu über ein ruhiges,
unbeftechliches fachliches Urteil und über die Gabe klarer
, feffelnder Darftellung, alfo eine Summe von Vorzügen,
die dem Unternehmen den Erfolg verbürgen.

Das Werk umfaßt zwifchen Vorwort, Einleitung und einem fehr
nützlichen überblick über die Daten der Gefchichte der Grabeskirche
und ihre Quellen einerfeits, vier zuverlälfigen Indices und 14 Tatein (mit
42 Abbildungen) andererfeits zwei Hauptteile: I. Die Quellen, II. Das
Monument. Von ihnen zerfallt der erde Teil wiederum in vier Kapitel:
I. Die Quellen der altchrifll. Periode, 2. — der byzantinifchen Periode,
3. die monumentalen Quellen, 4. die Zeit der Kreuzfahrer und die Folgezeit
; der zweite, der die Hauptmaffe des Bandes bildet, in acht Kapitel:
1. u. 2. der Kreuzfahrerbau (Befchreibung und Rekonftruktion, kunft-
gefchichtliche Unterfuchung), 3. die Anaftafisrotunde, 4. die Golgotha-
kapellen und ihre Mofaiken, 5. die Helenakapelle und die übrigen Nebenbauten
, 6. die ,Propyläenmauer' und die Bafilika Konftantins, 7. Mater
ecclesiarum, wobei die Konftantinsbalilika als Schöpfungsbau nach ihren
Wurzeln wie nach ihren vielfältigen und weitreichenden Auswirkungen
behandelt ift, 8. die Elemente antiker Religion im Konflantinsbau: ein
Schlußkapitel, das fich in der Hauptläche mit Heifenbergs Satz aus-
einanderfetzt, der die Grabanlage Konflantins in ihrer Gefamtheit wie
in ihren einzelnen Heiligtümern als eine ,Schöpfung alter nichtchrift-
licher Religion' hinfteilte.

Die Fülle der Probleme und Rätfei, die in das feltfame Konglomerat
von wunderlich verbauten Gebäuden und Beftandteilen aller Stile
und Zeiten von Konftantin bis aul das 19. Jahrhundert, das man Grabeskirche
nennt, eingebettet find, ift Legion; zählt man doch allein der
ernfthalten Rekonftruktionsverfuche der urfprünglichen Anläge jetzt faft
einviertelhundert! Sch. ift keinem der Probleme und Rätfei aus dem
Wege gegangen; ja er hat über feine Vorgänger hinaus auch dort mit
feiner Unterfuchung eingefetzt, wo fie bisher gänzlich unterblieben war
oder feit langem geruht hatte. Dies bezieht fich vornehmlich auf den
Kreuzfahrerdom und fodann auf den ikonographifch ungemein wichtigen
Mofaikenfchmuck in den Modeftosbauten und in der Grabeskirche
zwifchen 614 und 1099. Wo aber immer Sch. die Grabeskirche, ihre
Gefchichte und ihre Probleme angefaßt hat, fördert er unfer Wiffen um
fie, führt er die Rätfei zur Löfung oder bahnt er die Wege zu ihr.

Ausdrücklich fei noch einmal hervorgehoben, daß der Verf. keineswegs
nur die konftantinifche Anlage oder nur fie und die modeftianifchen
Bauten behandelt. Es ift gerade auch der Kreuzfahrerbau, der die
eingehendfte Darftellung erfährt und dies nicht bloß durch Befchreibung
und Rekonftruktion in fich, fondern auch durch eine an ihn anfchließende
kunftgefchichtliche Unterfuchung, die tief eingreift in die ganze mittelalterliche
Bauforfchung des Abendlandes.

Was aber die urfpriingliche Anlage der Grabeskirche anlangt, die
naturgemäß immer am meiften das Intereffe an fich zieht, fo find die
entfeheidenden Ergebniffe Sch.s für fie niedergelegt in der Rekonftruktion
des Grundrifies, die als Tafel II auf durchfichtigem Papier dem bekannten
Plan des gegenwärtigen Beftandes von Schick und Mommert
(Tf. I) aufgelegt ift. Sie Hellt fich folgendermaßen dar: Gegen Heifen-