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Ausgabe:

1922 Nr. 2

Spalte:

43-45

Autor/Hrsg.:

Headlam, Arthur C.

Titel/Untertitel:

The Doctrine of the Church and Christian Reunion 1922

Rezensent:

Krüger, Theodor

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Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 2.

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treffliche grundfätzliche und praktifche Darfteilung für die Geftaltung
des Gemeindegottesdienftes in der Gegenwart und durch reichhaltigen
Literaturnachweis. Die ,liturgifchen Stücke' find, lofe aneinander gereiht
, befprochen. Dadurch geht etwas von der Einficht in den ,Auf-
bau' verloren. Bei der romifchen und lutherifchen Meffe wenigftens
hätte der Aufbau fchon im gefchichtlifchen Abfchnitt graphifch hervortreten
müffen. Die Behandlung des Kirchenliedes wird manchem
noch zu knapp erfcheinen.

Jedoch ändern alle diefe freundlich kritifchen Bemerkungen
und Wünfche nichts an dem vorangeftellten Ausdruck
vollfter Anerkennung und Dankbarkeit. Füllen wir
Docenten den hier gebotenen Rahmen in unteren Vor-
lefungen weiter aus und arbeiten fich die Studenten mit
Hilfe der reichlich gegebenen Literatur tiefer in die
Fragen hinein, fo ift ihnen Schian's Buch ficher nicht nur
eine Hilfe zum Examen, fondern was viel wichtiger ift,
eine Anleitung und Anregung zum rechten Durchdenken
der Probleme.

Wir Alle freuen uns auf die zweite Hälfte des Buches.
Greifswald. Ed. von der G.oltz.

Headlam, Prof. Rev. Arthur C., D. D.: The Doctrine of the
Church and Christian Reunion. Being the Bampton Lec-
tures for the Year 1920. (X, 326 S.) 8°. London, J.
Murray 1920. 12 sh.

Der Horizont der Kirchen weitet fich jetzt über die
nationalen Schranken hinaus, und man bemüht fich um
die Christian reunion, fei es praktifch in einem Weltbund
für Freundfchaftsarbeit der Kirchen, fei es theoretifch in
gefchichtlicher Befinnung und prinzipiellen Überlegungen.
Die theoretifche Seite der Aufgabe wird im vorliegenden
Buche aufgegriffen, deffen Verf., ftrenghiftorifch vorgehend,
durch Prüfung der Entftehung und des Wachstums der
Kirche fowie des Wandels ihres Begriffs und ihrer Orga-
nifation zu feinem Einheitsprogramm auffteigt.

Den fpezififch kirchlichen und katholifierenden Charakter
feiner Gefichtspunkte verrät Verf. gleich in der Darfteilung
der Anfänge chriftlicher Gemeinfchaft. Sie
erfcheint von vornherein unter dem Schema der Kirche,
die nach Vernichtung der jüdifch-nationalen Hoffnung die
Fortfetzung und Vollendung des jüdifchen Theokratismus
bildet. Den eigentlichen Urfprung der Kirche fieht H.
in ihrer Stiftung durch Jefus felbft, der indirekt durch
Stiftung des Apoftolats, Übernahme der Taufe und Ein-
fetzung des Abendmahls ihre Grundlegung vollzog.
Die Betrachtung der Kirche des apoftolifchen Zeitalters
liefert dem Verf. das doppelte Ergebnis, daß zwar
weder Epifkopalismus noch Presbyterianismus, weder
Congregationalismus noch Romanismus in der apoftoli-
fchen Epoche eine direkte Stütze finden kann, wie fie
uns überhaupt nicht praktifche Regeln für die heutige
kirchliche Organifation an die Hand zu geben vermag,
— daß jedoch anderfeits die Einheit der alten Kirche
gerade das fruchtbarfte Prinzip chriftlicher Gemeinfchafts-
geftaltung biete. In dem Kapitel über die altkatholifche
Kirche läßt die Überzeugung von dem innigen Zufammen-
hange aller Fragen chriftlicher Wiedervereinigung mit der
Auffaffung des kirchlichen Amts den Verf. fich ausführlicher
mit Epilkopat, apoftolifcher Succeffion und Ordination
befchäftigen. Die Beobachtung allmählicher Entwicklung
fefterer Formen kirchlichen Lebens in diefer
Zeit lehrt die Zurückweifung extremer Beurteilungen
der Kirche. Nur das Beifammen und Nebeneinander von
Konfervatismus und befonnenem Fortfehritt ergibt fich aus
dem Bilde diefer Zeit als die richtige Haltung in kirchlichen
Dingen auch für unfere Tage. Mit einer Darfteilung
der in mehrfacher Hinficht zwiefpältigen Kirchenlehre
Auguftins, der jedoch die wertvolle und tiefe Gleichung
von kirchlicher Einheit und chriftlicher Liebe eignet, und
der Behandlung der chriftlichen Kirchenfpaltungen fchließt
der gefchdchtliche Teil des Werkes. Als Gründe
der kirchlichenüneinigkeit werden die Vielzahl der Glaubens-
bekenntniffe, Propaganda mit unchriftlichen Mitteln, wie

der Hilfe ftaatlicher Macht, und Unangemeffenheit des
Kirchenbegriffs genannt, welch letzterer im romifchen
Katholizismus als zu weltlich, im Proteftantismus als zu
idealiftifch beurteilt wird, wie überhaupt die Reformation
in diefem Kapitel einer fcharfen Kritik unterzogen wird.
Im Gegenfatz dazu wird der Church of England hohe
Schätzung zuteil.

Der prinzipielle Teil des Buches entwickelt dann
des Verf. eigene Lehre von der Kirche und ein Zukunftsprogramm
. Sein Kirchenbegriff zeigt fich nach 4 Richtungen
hin beftimmt: religiös, hiftorifch, ftatiftifch, litur-
gifch. Unter religiöfem Gefichtspunkt ftellt fich ihm die
Kirche dar als ein Stück des von Chriftus gepredigten
Gottesreiches, als die Sphäre der Wirkfamkeit des göttlichen
Geiftes und der Herrfchaft Chrifti über die Gewiffen;
hiftorifch angefehen erfcheint die Kirche als Inftitution
zur Lehre, Ausbreitung und Entfaltung der apoftolifchen
Chriftusoffenbarung; ftatiftifch beftimmt fie fich als die
Summe der getauften Jefusgläubigen, liturgifch endlich als
chriftlich-gottesdienftliche Gemeinfchaft. Kirchenideal ift
dem Verf. eine alleChriften umfaffende einheitliche Kirche.
Eine bloß lockere Kirchenförderation wird als unklar und
ordnungswidrig abgewiefen. In nüchternem Realismus
wird jedoch die Einheit der Kirche ebenfo wie ihre Prädi-
zierung als heilig, katholifch und apoftolifch, nur als ideale
Forderung erkannt, d. h. unter irdifchen Verhältniffen
nur näherungsweife zu erreichen. Nach Abweifung einiger
Theorien über ihre Verwirklichung, nämlich des romifchen
Anfpruchs auf die alleinige Darfteilung der wahren und
einen Kirche, der Unterfcheidung von Körper und Seele
der Kirche, welch letztere umfaffender fein follals der erftere,
der fog. branch theory, die die wahre Kirche nur aus dem romifchen
, örtlichen und anglikanifchen Zweige beliehen läßt,
und endlich der proteftantifchen Theorie der unfichtbaren
Kirche, wird das Kirchenideal näher in dreifacher Weife beftimmt
: als Einheit der Lehre, der Organifation und derSakra-
mentsverwaltung. Als Lehrgrundlage der Kircbeneinheit
follen der biblifche Kanon und das Nicänum, d. h. das
Nicäno-Conftantinopolitanum, dienen, letzteres, weil es
die Autorität des Konzils von Chalcedon für fich hat und
von der gefamten Kirche angenommen ift, weil es hinter
alle Kirchenfpaltungen zurückführt und in Inhalt und
Form unübertrefflich fei. Als belle Form eines einheitlichen
Kirchenregiments wird, obwohl kein beftimmter
Typus der Organifation für die Kirche wefentlich fein
foll, der frühkirchlich-konftitutionelle Epifkopat empfohlen,
der freilich keine apoftolifche Autorität hinter fich habe,
jedoch vom Ende der apoftolifchen Zeit bis zur Reformation
die allgemeine Regel gewefen fei.

Die katholifch-magifchen Theorien vom charakter indelebilis
und der apoftolifchen Succeffion werden abgewiefen, die vom Bifchof
oder Frieder lediglich als Mandatar der Kirche zu vollziehende Ordination
als gültig bezeichnet, falls fie unter Handauflegung und Gebet
erfolgte. In der Verwaltung der Sakramente endlich follen ihr ftiftungs-
gemäßer Vollzug und die Zurückftellung ihrer dogmatifchen Ladung
und Betonung ihrer praktifch-erbaulichen Seite geeignet fein, als Bafis
der Einheit zu dienen. Weitherziges Einandergeltenlaffcn und gegenteiliges
Verftändnis für die Mannigfaltigkeit der Sitten bei aller Einheitlichkeit
würden letzten Endes die notwendigften Bürgen wahrer Einheit
fein müden.

Die Wärme des religiöfen Ethos und die Weite des
Horizonts, mit denen diefe Ideen vorgetragen werden,
durchblitzt von einer Fülle wertvoller Seitenblicke, verhöhnen
auch den, der dem gefchilderten Einheitsprogramm
die ftärkften Bedenken entgegenbringen muß. Trägt es

1 doch gar zu deutlich — von Einwänden gegen Einzelnes
lei abgefehen — feinen Urfprung in der anglikanifchen At-
mofphäre unklarer Zwitterftimmung zwifchen Katholizismus
und Proteftantismus an der Stirn. Die deutfehe
Theologie, zumal in ihrer neuproteftantifchen Entwicklung,
hat uns Gehalt und Konfequenz des reformatorifchen Gedankens
zu eindringlich gelehrt, als daß der deutfehe

"Proteftantismus nicht eine Beugung unter-Epifkopat und
Nicänum als unerträglich empfinden müßte, zumal unter