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Ausgabe:

1922 Nr. 26

Spalte:

569

Autor/Hrsg.:

Oliger, Livario

Titel/Untertitel:

Le Meditationes Vitae Christi del Pseudo-Bonaventura 1922

Rezensent:

Wenck, Karl

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Seite 1

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569 Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 26. 57°

nahezu verleugnet (ich ftellte feft, daß er fich 1890 in |
Leipzig eine neuphilologifche, literaturgefchichtliche Differ-
lalion geleiftet hat), hat zweifellos ein eigenartiges reizvolles
Buch gefchaffen, an dem die Forfchung nicht vor- j
übergehen darf; wenn er felbft auch die gerade in neuerer
Zeit recht reiche Literatur zur Wirtfchafts- und Bau-
gefchichte des Zift. Ordens bzw. einzelner Klöfter, die
ihm doch nicht erreichbar fei, ruhigen Herzens bei Seite
gelaffen hat. Alles, was er über die Kirchen vorträgt,
ift, „von ihm nur erwandert, gefchaut, erlebt". Er ift
auch fchriftftellerifch nicht Neuling auf diefem Gebiete,
1913 veröffentlichte er in denfelben „Mitteilungen" eine
auch in S. A. erfchienene Abhandlung „Befiedlung der
Uckermark u. d. Gefch. ihrer Dorfkirchen" (154 S.). Die
Fülle feiner Beobachtungen ift in einem reichen Anmerkungsmaterial
niedergelegt, im Text zieht er die
Summe als ein Mann von Gefchmack, von weiter Um-
fchau in Literatur und Kunft, mit dem man nicht rechten
mag, weil er bei Kenntnis der gelehrten Literatur zur
Ordens- und Landesgefchichte manches anders oder gar
nicht gefagt haben würde. Von feinen Ergebniffen fei
nur bemerkt, daß er das Verdienft des Ordens um die
Germanilierung der Mark fehr hoch einfchätzt, aber
betont, daß die Zifterzienfer für die geiftige und fittliche
Hebung der Koloniften rein gar nichts getan haben und
bei der „Legung" der Bauern ftark beteiligt waren.
Marburg. Karl Wenck.

Öliger, l'. Livatio, 0. F. M.: Le Meditationes Vitae Christi del

PsPlldo Bonaventura. (Note critiche) Estratto da ,Studi Frances-
cani' Anno VII n. 4 e Anno VIII n. 1. (71 S.) t;r. 8°. Areizo,
Stab. Tipografico O. Beucci 1922.
Auf Grund urafichtiger jahrelang fortgefetzter Forfchungen unter-
fucht der bekannte franziskanifche Gelehrte die im Titel genannte
Schrift, die auf die asketifch-myftifche Literatur, auf religiöfe Schau-
l'piele und Malerei der Folgezeit (larken Einfluß geübt hat, 1) auf ihre
Quellen, unter denen die Werke des hl. Bernhard eine große Rolle
fpielen, 2) auf die Abfaflungszeit: nach Quellenbenutzung und Vorliegen
der Med. für andere Schriften ergibt lieh: erfte Jahre des 14. Jhts
bzw. letzte des 13. Jhts, 3) auf den Verf. Er erweift fich als Bettelbruder
, Franziskaner, Italiener und zwar Toskaner von S. Gemignano.
Unter vier Anwärtern bleibt Sieger: Johann de Caulibus von S. Gemignano
. Mit Bonaventura haben die Med. nichts gemein, im Jahre 1274
geftorben hätte er auch nicht fchon die erft um 1288 entftandene
Legenda aurea des Jakob von Varazze benutzen können, ü. gibt reiche
Mitteilungen über die Benützung der Med. Daß auch Luther für feine
Erzählungen aus dem Leben Jefu daraus gefchöpft habe, vermutete
einmal Walther Köhler (Schriften des Ver. f. Ref. gefch. 127/28
[1917] S. 2). •

Marburg. Karl Wenck.

The Book of Christian Discipline of the Religious Society
of Friends in Great Britain. 8°. London, The Friends'
Bookshop.

Part I. Christian Life, Faith and Thought. (149 S.)

1922. sh. 1.—; geb. sh. 1/6.

Part II. Christian Tractice. (166 S.) 1911.

geb. sh. 1/6.

Part III. Church Governement. (166 S.) 1917.

geb. sh. 1/6. |

Das Book of Christian Discipline ift den Quäkern
herausgewachsen aus den Befchlüffen und Briefen ihrer 1
jährlichen Londoner Meetings, die 1783 zum erften Mal
zu einem Buch verarbeitet in die Öffentlichkeit traten, f
Neue Bearbeitungen erfchienen 1802, 1834, 1861, 1883.
In der letzten Ausgabe hatte das Buch fchon die drei
Teile, die jetzt zu felbftändigen Bändchen fich ausge-
wachfen haben (nur daß der dritte Teil, urfprünglich
Chriftian Discipline, jetzt feinen Namen mit Rückficht auf
den neuen Gefamtnamen geändert hat). In der mir vorliegenden
neueften Geftalt ift der erfte Teil eben jetzt
1922, der zweite fchon 1911, der dritte 1917 erfchienen.

Die drei Bände in ihrer Gefamtheit find die befte
nur denkbare Einführung in das gegenwärtige Quäker-
tum. Der zweite und dritte beftehen noch jetzt fall
ausfchließend aus Auszügen aus den Befchlüffen und
Briefen der jährlichen Meetings. Der zweite gibt eine

praktifche Anweifung zum chriftlichen Leben, in der das
Größte (Pazifismus, foziale Frage) und das Kleinfte (Anweifung
zur Verfaffung von Teftamenten) gleichermaßen
berückfichtigt ift. Der dritte enthält alles zur Ordnung
der kirchlichen Gemeinfchaft Notwendige; eine Einleitung
berichtet, wie es zur Aufrichtung einer folchen Ordnung
unter den Quäkern gekommen ift. Die Verbindung von
praktifcher Nüchternheit und ernfter frommer Liebe, wie
fie dem Quäkertum eigen ift, geben den beiden Bänden trotz
der (lehrreichen) Vereinigung ältefter und neuefter Äußerungen
und trotz der bunten Verfchiedenheit der Gegen-
ftände einen gefchloffenen Charakter. Ausführliche Indices
erleichtern die Benutzung. Man wird das gegenwärtige
Quäkertum nicht darfteilen können, ohne diefe Bände zur
Hand zu haben. Befonders gegenüber dem zweiten Band
kommt einem die Frage, ob unfre Kirche nicht ein ihrem
Geifte gemäßes ähnliches praktifches Handbuch für ihre
Glieder fchaffen follte.

Doch der wertvollftc der drei Bände ift entfehieden
der erfte. Er hat die urfprüngliche Anlehnung an die
Befchlüffe der jährlichen Meetings faft ganz aufgegeben
und ift zu einer Dokumentenfammlung für die innere Ge-
fchichte des Quäkertums von der Anfangszeit bis zur
Gegenwart geworden. Etwa die Hälfte des Bandes
(S. 15—70) find ausgefüllt von den Illustrative spiritual
experiences of friends. Alle großen Perfönlichkeiten des
Quäkertums und manche der kleineren werden in Selbft-
zeugniffen anfehaulich vorgeführt. Die andere Hälfte
bringt, großenteils auch in Zeugniffen von Quäkern aller
Zeiten, zum Teil dann in Briefen der jährlichen Meetings,
Äußerungen zu den wichtigften religiöfen, theologifchen
und ethifchen Fragen. Eine gleichartige Sammlung zur
Gefchichte irgend einer anderen religiöfen Gemeinfchaft
ift mir nicht bekannt. Es fpricht aus dem Buche eine
ftolze, dankbare Liebe zur eigenen Gemeinfchaft und ihrer
Gefchichte und ein zugleich ao. weitherziges und ficheres
Bewußtfein um die eigene Art. Man möchte die Quäker
beneiden, daß fie ihren Gliedern ein fo zur Treue und Anhänglichkeit
an die eigne Kirche erziehendes Buch in die Hand
zu geben gewußt haben. Und hier wiederholt fich dringlicher
der Wunfeh: möchten wir doch für unfre Kirche
Entfprechendes uns fchaffen können. Die Schwierigkeit,
vor die uns unfer größerer innerer Reichtum Hellt,
kann doch nicht unüberwindlich fein.

Diefen erften Band follten trotz der Valutanot unfere
wiffenfehaftlichen Bibliotheken anzufchaffen fuchen. Er
erfetzt dem Gelehrten viele ihm kaum zugängliche Bücher
zur Gefchichte des Quäkertums und ift mit feinen bio-
graphifchen und literarifchen Notizen auch fonft ein un-
fchätzbares Hilfsmittel. Um nur ein Beifpiel für die
wiffenfehaftlichen Gewinne, die er bringt, zu nennen: die
Geftalt des John Woohnan (1720- 1772), der bei uns kaum
eine dürftige Erwähnung findet, wird aus den wenigen
Auszügen fchon, die der erfte Band bringt, in ihrer Größe
erkenntlich. Man lernt, daß diefer Vorkämpfer der
Sklavenbefreiung die ganze foziale JJrage mit tiefem Ernfte
angepackthat. Aber auch für die Anfangszeiten desQuäker-
tums findet man tfberaus reiches Anfchauungsmaterial,
z. B. den Originalbericht über die berühmte Seereife der
Woodhouse 1657.
Göttingen. E. Mir Ich.

Loofs. Prof. Dr. Friedrich: Die „Internationale Vereinigung
Ernfter Bibelforfcher". 2., fehr erweiterte Auf läge. (60 S.)
gr. 8°. Leipzig, J. C. Hinrichs I921.
Es ift fehr erfreulich, daß diefe iyi8 veröffentlichte
Schrift fchon nach 3 Jahren in 2. Auflage erfcheinen kann;
denn der Verfaffer hat fie ftark erweitert und dadurch
ihren Wert noch wefentlich gefteigert. Die Unterfuchung
ift von vorbildlicher Gründlichkeit in der Herausarbeitung
der Eigenart diefer ieltfamen Blüte der Religionsgefchichte
der Gegenwart und gibt eine erfchöpfende Darftellung
des über fie vorhandenen Materials. Mit der tiefgreifen-