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Ausgabe:

1922 Nr. 2

Spalte:

37-38

Autor/Hrsg.:

Jaeger, Vernerus (Ed.)

Titel/Untertitel:

Gregorii Nysseni Opera. Vol. I: Contra Eunomium libri. Pars prior, Liber I et II 1922

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 2.

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dem er reut in den paradoxen Einzelausführungen und durch feinen
fchroffen Gefamtftandpunkt.

Mannheim. W. Knevels.

Raufchen, Dr. Gerhard +: Grundriß der Patrologie mit

befonderer Berückfichtigung des Lehrgehalts der Vater-
fchriften. Sechfte und üebente Auflage, neu bearbeitet
von Dr. Jofeph Wittig. (XV, 330 S.) 8°. Freiburg,
Herder & Co. 1921. M. 30 —

Aus dem Vorwort der neuen Ausgabe diefes nützlichen
Buches erfährt man, daß es in feinen fünf Auhagen
bereits in 10000 Exemplaren verbreitet ift. Wittig, der
es nach dem Tode des Verfaffers zu betreuen übernahm,
hat ihm ein neues Gewand angezogen. Der Umfang ift
um vieles mehr gewachfen, als die Seitenzahlen (von
274 auf 330) angeben, denn der Kleindruck, den Raufchen
im wefentlichen nur für das gelehrte Rüftzeug verwendet
hatte, ift auf weite Strecken auch für fachliche Bemerkungen
benutzt. Die Paragraphierung ift ftark verändert,
der chronologifchen Anordnung größere Berückfichtigung
gefchenkt worden. Befonderes Augenmerk wandte der
Bearbeiter einer Umarbeitung, Vertiefung und Erweiterung
der ,dogmengefchichtlichen' — er fetzt das Wort
in Anführungszeichen — Abfchnitte zu. Die Literaturauswahl
ift, wenn man nicht unbillige Anforderungen ftellen
will, zumeift glücklich. Daß Wittig meine fchon 1920
ausgegebene Gefchichte der Literatur von Auguftin bis
Gregor I. (Schanz 4,2) unbekannt geblieben ift, darf ich
wohl, ohne mich der Selbftüberhebung fchuldig zu machen,
beanftanden. Vielleicht hätte fie ihm zu kräftigerer
Durcharbeitung der immer noch recht dürftigen letzten Abfchnitte
verhelfen können. Der Druck ift vortrefflich, auch
in der äußeren Einrichtung praktifch.

Gießen. G. Krüger.

Jaeger, Vernerus: Contra Eunomium Libri. Pars Prior,
Liber I et II (vulgo I et XII b) (Gregorii Nysseni
opera, Vol I.) (XII, 391 S.) gr. 8° Berlin, Weidmann
1921. M. 40 —

Eine neue Ausgabe der Werke eines der 3 großen
Kappadozier wird weithin in den Kreifen der Freunde der
griechifchen Literatur begrüßt werden; daß fie eine ab-
fchließende zu werden verfpricht, erhöht unfere Freude.
Begonnen hat der Berliner Philologe W. Jäger feine Arbeit
in diefem Halbband mit dem erften Teil von Gregors
Streitfchrift gegen Eunomius. Um deren Text war es
noch nicht einmal fo übel beftellt. Wie viel trotzdem
auch hier der Fleiß und der Scharffinn des Entdeckers
aus den Handfchriften herausgeholt und, wo die Überlieferung
verfagte, durch verftändnisvolle Kritik ergänzt
und berichtigt hat, zeigt ein Blick auf jede Seite. Auch
im Druck fcheint die höchfte Akribie erreicht, und die
Apparate zeichnen fich aus durch lapidare Knappheit,
die doch beinahe nie Unklarheit übrig läßt. (S. 23,18 ift
eine Ausnahme, wo 3 Handfchriften genannt werden, die rs
vor xcd hinzufügen' — aber Jäger nimmt ts in den Text auf,
hält es fonach doch nicht für eine gefcheite Interpolation
?) So ift denn die Lektüre diefer allerdings nicht
gerade innerlich feffelnden Schrift bequem geworden.

Wenn, wie wir hoffen, bald, nach Vollendung der
libri contra Eunomium, die Briefe des Nysseners in ihrer
Urgeftalt vorgelegt fein werden, mag ein Nachwort über
den Wert diefer Literatur für die Erkenntnis der Zeit-
gefchichte am Platze fein; heute verweife ich nur noch
auf die Vorrede, mit der U. von Wilamowitz, der Alt-
meifter, das Buch eingeleitet hat. Er ift an dem Zuftande-
kommen nicht bloß dadurch beteiligt, daß er die Korrekturen
mitgelefen und manchen nützlichen Wink gegeben
hat; aus der ihm als Ehrengabe zu feinem 60. Geburtstag
überreichten Stiftung flammen die Mittel, mit denen
Jäger fo gründliche und umfangreiche Vorarbeiten ver-
anftalten konnte. Möchten die Worte, mit denen v. W.

hier für die Philologen des neuen Jahrhunderts ein neues
Ideal zeichnet, nirgends ungehört verhallen — am wenigften
bei den Theologen!

Marburg. Ad. Jülicher.

Wiinfch, Pfarrverwalter Lic. Georg: Der Zulammenbruch
des Luthertums als Sozialgeltaltung. 70 S. 8". Tübingen,
Mohr 1921. M. 12 —

Die mangelnde Volkstümlichkeit Luther's führt W.
auf die völlige Veraltung der lutherifchen Soziallehren
zurück. Aufgabe der chriftlichen Kirchen ift ihm, fich
von den Banden diefer Soziallehren zu löfen und an einer
Geftaltung des Menfchheitslebens im Sinne eines chriftlichen
Sozialismus, und d. h. für W. am Kommen des Reichs
Gottes auf Erden, mitzuarbeiten. Nach einer belanglofen
Einleitung werden zunächft die Soziallehren Luther's (S.
9—21) und des Luthertums (S. 21—34), dann (S. 34—70)
die Motive und Ziele der neuen Sozialgeftaltung, die den
auf tierifch-egoiftifchen Motiven beruhenden Kapitalismus
ablöfen foll, behandelt. Als Grundgebrechen der Art
Luther's erfcheint dabei der ,Dualismus', der Ewigkeit und
Welt ftarr gegeneinanderftellt und den Chriften einer doppelten
Moral, einer Jenfeitsmoral für das perfönliche Leben,
einer Diesfeitsmoral für das foziale Leben unterwirft. Das
Luthertum hat die aus diefem Dualismus folgende Verherrlichung
der Gewalt und des Beftehenden mehr und
mehr aus dem Peffimismus in den Optimismus überfetzt.
Die neue Sozialgeftaltung fchöpft ihre Normen aus der
Bergpredigt. Ihr Ziel ift möglichfte Annäherung an das
Reich Gottes durch eine internationale Organifation des
gefamten wirtfchaftlichen und fozialen Lebens unter dem
Gefichtspunkt der Bruderliebe. Vom gewöhnlichen Sozialismus
foll fich diefer chriftliche unterfcheiden durch meta-
phyftfche Leidenfchaft und religiöfe Inbrunft, die da fchaf-
fen aus dem Anteil des Menfchen am Ewigen heraus.

Das Ganze hält fich etwa auf der Höhe einer Volks-
verfammlungsrede. Es fehlt der rechte Denkernft und die
rechte Klarheit. Es fehlt auch jede eingehendere Bekannt-
fchaft mit den neueren Staats- und Gefellfchaftslehren.
Als Erfatz dafür werden eine Menge von nicht einmal
geiftreichen und treffenden Schlagworten geboten. Wer
fich mit derjenigen Spielart des chriftlichen Sozialismus,
die ein von Menfchen gefchaffenes diesfeitiges Gottesreich
erftrebt, auseinanderfetzen will, wendet feine Zeit nützlicher
an, wenn er St. Simon's Nouveau Christianisme lieft. — Alles
in allem: ein Buch, aus dem auch rein gar nichts zu lernen ift.

Zwei Proben für die Tiefenlagc des Ganzen, zugleich auch Stilproben
. (Ich unterftreiche das Tollfle) S. i8: .Darin zeigt fich die
fchroflTtc Autoritätsnatur Luther's und feine beifpiellofe Abneigung gegen
entfeffelte Volksmaffen; er fah in ihnen die Bosheit verkörpert. Da
konnte er fchwelgen in Mord- und Blutgedanken . . . .' —
S. 61: ,Aber nun nicht mehr das träge Kreuz des Luthertums, das
die Hände in den Schoß legt und paffiv die Unbilden der Welt
als Gottesfügung leidet, fondern das in der Erkenntnis feiner göttlichen
Aufgabe die Hände rührt, für das Recht Gottes kämpft und aktiv
leidet.' Diefe Proben ließen fich leicht vermehren. Doch ich denke,
es genügt.

Göttingen. E. Hirfch.

Böhme, Jacob: Die hochteure Pforte, da der Menfch Gott
und fich felber befchauen und zum überfinnlichen Leben
gelangen mag. Schriften, darunter das Gebetbüchlein
von 1624 mit den Inhaltsangaben von I. G. Gichtel.
(VII, 198 S.) 40. Berlin, Furcheverlag 1921.

Hlwbd. M. 75—; Hpergbd. 100 —
Zufälligerweife find kürzlich faft gleichzeitig zwei Ausgaben
ausgewählter Schriften des ,deutfchen Philofophen'
erlchienen: .Schriften Jacob Böhmes, ausgewählt und
herausgeg. von Hans Kayfer,' im Infelverlag Leipzig 1920,
und die vorliegende Ausgabe im Furcheverlag Berlin 1921.
Sie ift im wefentlichen von Prof. D. Wilh. Goeters (Bonn)
beforgt worden. Beide Ausgaben find lehr fchön gedruckt
und ausgeftattet; bei der Ausgabe des Furcheverlags, die
mit der markigen Ehmcke-Fraktur fehr fplendid auf beftes