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Ausgabe:

1922 Nr. 25

Spalte:

555

Autor/Hrsg.:

Dimmler, Emil

Titel/Untertitel:

Erlösung. Gedanken über den Heilsplan Gottes nach dem Römerbrief 1922

Rezensent:

Krüger, Thomas

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555

Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 25.

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hinterläßt diefelben Bedenken wie die bisherigen Verfuche.
Solch eine .Beweisführung' kann umftürzende Konfequen-
zen haben. Im 1. Teil des Buchs vermiffe ich J. Turmel,
Hiftoire de la theologie pofitive I (1904).
Binsdorf (Württbg.). Wilhelm Koch.

Dimmler, Emil: Erlöfung. Gedanken über den Heilsplan Gottes nach
dem Römerbrief. (IX, 195 S.) 160. Kempten, J. Köfel & Fr.
Pullet 1921. Gz. 1.75, geb. 2.55.

Eine breit-populäre Paraphrafe der — zugleich in Oberfetzung
gebotenen — Grundgedanken von Rom. I—XII, 2. Streng-wiffenfchaft-
lichem Maßltabe genügt fie kaum, fofern der dogmatifch-konfeffionelle
Gefichtspunkt eine unbefangen-gefchichtliche Einftellung verhindert.
Übrigens durchaus anfpruchslos.

Königsberg i. Pr. Theodor Krüger.

Dimmler, Emil: Das wunderbare Licht. Darltellung der kathol.

Glaubenslehre. 3 Bde. (XI, 268, V, 284 u. V, 289 S.) kl. 8°.

Kempten, J. Köfel 1920. je Gz. 2,3; geb. 3,1.

Der Titel (tarnt aus 1. Petr. 2, 9. Katholifch-Gläubigen will
diefe volkstümliche, wiffenfehaftliche Bedeutung nicht beanfpruchende
Dogmatik in das Beglückende ihres Glaubens einführen. Gegen Andersgläubige
wird nicht polemifiert, vielmehr wird eine gewiffe Verbindung
mit ihnen gefucht. Das erfte Buch behandelt die Lehre von Gottes
Wefen, von Schöpfung, Sünde und Seligkeit; das zweite Buch die
Chriftologie und Soteriologie, die Lehre von der Kirche, von den Glau-
bensquellen, von Maria und den Heiligen, von der Gnade und den
guten Werken; das dritte Buch die Lehre von den Sakramenten, von
Tugend und Sünde uud die Eschatologie. Das Befte find die zahlreich
eingeflochtenen deutfehen Bibelwoite und die ins Deutfche überfetzten
kirchlichen Entfcheidungen. Die Sprache ift fchlicht und jedermann
verftändlich, fachlich und ruhig, manchmal einförmig. S. in, Z. 4 v.
und lies Zueignung. Dimmler gibt die Möglichkeit einer tierifchen
Entflehung des Mcnfchen zu (I, 158), fagt jedoch, ihre Tatfächlichkeit
„fcheine durch die hl. Schrift ausgefchloffen zu fein". Ob damit für
unfre heutigen einlachen Gläubigen die Frage entfehieden ift?

Binsdorf (Württbg.) Wilhelm Koch.

Wieringer, Dr. Alois: Innerlichkeit. (226 S.) 8°. München, Verlag
des kathol. Preßvereins.
Wiefmger hat dies Buch des franzöfifchen Abtes während feiner
Gefangenlchatt im Weltkrieg überfetzt, den Titel (urfprünglich: L'ame
de tout apostolat) geändert, mehrfach auch durch Berücktichtigung deut-
fcher Literatur und deutfeher Verhältniffe geändert; daher er felbft von
„Bearbeitung" fpricht. Der Verf. dachte vor allem an Priefter und Mitglieder
tätiger Orden, im weiteren Sinn an alle, die im „Apoftolat",
alfo in der praktifchen Arbeit religiöfer Art, tätig find; fchließlich gilt fein
Buch jedem katholifchen Chriften. Er rühmt das „innerliche Leben", d. h.
das Leben in Gebet und Betrachtung des kontemplativen Lebens, und
Hellt feine Beziehungen zum „tätigen" Leben dar; es fleht höher als
das tätige; beide fördern fich gegenfeitig; es ift für die äußere Tätigkeit
Bedingung des Erfolges ufw. Für uns ift das Buch wertvoll, weil es
die Art katholilchen kontemplativen Lebens klar heraustreten läßt.
Befonders intereffant find die Abfchnitte über die Betrachtung als
unentbehrliches Element der Innerlichkeit und über das liturgifche
Leben als Quelle des innerlichen Lebens (S. 166—209), endlich der
Schlußteil mit der Überfchrift: „Für den Apoftel ift eine glühende Andacht
zur unbefleckten Jungfrau notwendig" (S. 218—225). Die Darfteilung
ift durchzogen von vielen lateinifch gegebenen, aber meid in
Anmerkungen überfetzten Zitaten. Reichliche Druckfehler find am
Schluß korrigiert. Wer den Katholizismus kennen lernen will, muß
folche Bücher beachten.

Gießen. M. Schi an.

Grützmacher, Prof. D. R. H.: Alt- und Neuproteltantismus.

Eine geiftes- 11. theologiegefchichtliche Unterfuchung.

(116 S.) 8°. Leipzig. A. Deichert 1921. Gz. 3,5.

In den Jahren 1915—18 hat Grützmacher (Erlangen)
drei Auffatzreihen in der NKZ veröffentlicht, die er in
einer Separatausgabe zufammenfaffen und durch eine
letzte .prinzipielle' Auseinanderfetzung ergänzen wollte,
fo daß ein vollumfaffendes Werk mit der Überfchrift, die
das oben bezeichnete trägt, entftanden wäre. Um der
Teuernis willen, die dem Verkauf eines folch großen
Buches keine entfprechende Ausficht eröffnete, hat er
darauf verzichtet. Im Jahre 1921 war man noch fchüch-
tern in der Bemeffung der Preife, 1922 würde die
Deichert'fche Buchhandlung, die freilich opferwillig war,
nur daß G. das Opfer nicht annehmen mochte, wohl kühner
gewefen fein. Tatfächlich hat G. nun in Separatform nur
den geplanten Schlußauffatz erfcheinen lalfen. Er fchickt
voran eine Überficht über Titel und Stoffanordnung der
drei .Spezialuntersuchungen', die man in der NKZ findet;

fie haben die Überfchrift: I. ,Die geiftes- und theologiegefchichtliche
Entwicklung des Problems: Alt-und Neu-
proteftantismus' (c. 130 Seiten), II. ,Die alt- und neupro-
teftantifche Auffaffung von der Kirche' (c. 160 Seiten),
III. ,Alt- und neuproteftantifche Ethik' (c. 220 Seiten). In
dem Buch faßt er die Ergebniffe diefer etwa 500 Seiten
füllenden Untersuchungen auf 8 Seiten zufammen, will
fagen: was er zuerft erörtert hat (wie die Frage nach
dem Verhältnis des modernen Proteftantismus, d. h. der
feit dem Beginn der Aufklärung aufgekommenen Vorstellungen
vom Christentum, zum alten, zu den Grundgedanken
Luthers, entstanden fei und Seh allfeitig entwickelt
habe), Streift er hier bloß, um wefentlich zu fagen,
was II und III ausgeführt haben, alfo zunächst, daß für
Luther die Kirche, die christliche Religion, Schlechthin
eine übernatürlich, offenbarungsmäßig bedingte Größe
war, während der NeuproteStantismus Se ins Kulturelle,
,Entwicklungsmäßige', fozialRechtliche oder auch Subjektiv
Myftifche hinüberziehe. Und was das Sittliche betrifft,
fo fei es für Luther und den Altprotehtantismus „religiös-
metaphyfifch' geartet gewefen, gegen die Welt .neutral',
nicht negativ-asketifch, aber auch nicht pofitiv-optimiffifch,
orientiert an dem Gegenfatz von göttlicher Forderung
und menfehlicher Eigenwilligkeit, Erlösung von der Sünde,
hingegen im NeuproteStantismus fei alles von der Natur
und Vernunft aus vergegenwärtigt. Ich weiß nicht, ob
G. Sch diefe Rekapitulation nicht auch noch hätte er-
laffen mögen. In den Aufsätzen felbft ift es alles reichlich
und anfehaulich. In der Zufammenfaffung ift es fo
fchematifch, daß es einem kaum einen Dienft tut. So
wie das, was nun als eigentlich neues Thema vorgeführt
wird, gestaltet wird, bedarf man jener Skizze kaum, denn
da find es doch wefentlich nur wieder weitere Maß-
Stäbe, denen die Erörterung fich zuwendet, zu konkreter
Anwend ung auf die Speziellen Ideen von Kirche
und Sittlichkeit in den beiden Epochen kommt G.
' gar nicht.

Das Thema des Buchs lautet: ,Das prinzipielle
Verhältnis von Alt- und NeuproteStantismus'. Und da
J handelt es Sch l. darum, ob das Entwicklungsfchema
paffe, 2. da das abgelehnt wird, welches überhaupt die
Grundftruktur der allgemeinen Geiftesgefchichle, ergo auch
des modernen Geisteslebens fei, und 3. wie man religions-
und geiftesgefchichtlich den Alt- und den NeuproteStantismus
richtig .einordne'. Im Grundriß ift G.'s Buch eine
Gefchichtsphilofophie in nuce. Für den, der die
Auffätze kennt, ift es ein wohlverftändlicher Abfchluß.
Wer die Auffätze nicht kennt, Sndet Sch nicht ganz zurecht
, weshalb er gerade an die beiden ,Protestantismen'
gewiefen werde. Die Einleitung hilft ihm wenig. Bei
etwaiger Neuauflage gebe G. ruhig das Ganze. F.rft
dann verfteht man die Verteilung der Lichter.

Ich habe das Buch durchaus mit Intereffe und mancherlei
Anregung gelefen. G. zeigt eine weite, umfaffende
Belefenheit. Es ift ihm zunächft um den Nachweis des
.Zusammenbruchs' der Evolutionstheorie zu tun. Er zeigt,
wie in der NaturwiffenfchaS, der Völkerkunde und Soziologie
, der Gefchichtswiffenfchaft, der klaffifchen Philologie
, der allgemeinen Religionswiffenfchaft, kurz überall,
zuletzt auch in der neuproteftantifchen Theologie felbft,
bei Ritfehl und feiner Schule, Dilthey und Tröltfch in-
fonderheit bezüglich des Proteftantismus als Solchen, die
Wucht der beobachtbaren Wirklichkeit, der Tatfachen,
ihn herbeigeführt und es dahin gebracht habe, daß die Idee
der Entwicklung, einer Zielstrebigkeit immanenter Art,
eines Sich immer wieder durchfetzenden .Fortschritts' aufgegeben
oder doch faft bis zur Unerkennbarkeit umgebildet
fei. Alsbald verfolgt G. die Idee der .Eigengefetz-
lichkeit' der verschiedenen Kulturgebiete, um anfehaulich
zu machen, daß zwifchen der Antike und dem Christentum
eine unüberbrückbare Kluft beftehe. Die Antike ift
,eine Erscheinung der unvergänglichen Natur', in jeder
Weife die Darftellung der Kultur als der reinen reifen