Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1922 Nr. 25

Spalte:

549-550

Autor/Hrsg.:

Schubert, Hans von

Titel/Untertitel:

Geschichte der christlichen Kirche im Frühmittelalter. Ein Handbuch. II. Halbband 1922

Rezensent:

Krüger, Gustav

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

549

Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 25.

550

der Verfaffer in feinen Ausführungen fich nur immer
auch bewußt geblieben, daß er in archaeologicis .Dilettant'
ift und als einer redet, der wohl Meinungen hat, haben
darf und haben foll, aber doch keine Autorität haben
kann, und daß auch der größte konfeffionell- priefter-
liche Eifer unmöglich jene Urteilsfähigkeit, wie fie nur
in längerer und felbftlofefter Befchäftigung mit dem Material
und mit den Problemen erworben werden kann, zu
erfetzen vermag!

Das Intereffe des Verfaffers hängt durchaus an der
Chriftusgeftalt.

Infolgedefien ift der Titel des Buches uicht ganz unmißverftändlich,
weil er eine Abhandlung über die Darftellung Gott-Vaters erwarten
laßt, während es in Wirklichkeit faft ausfchließlich die zweite Perfon
der trinitarifchen Gottheit ift, um welche der Vf. fich bemüht. Es geht dies
fchon aus der Haupteinteilung hervor: L Tl. Der eine Gott Der Schöpfer-
Logos in Literatur und Kunft (10—47). II. Tl. Chriftus, der göttliche
Erlöfer (47 —96). III. Tl. Der Heilige Geift und die Trinität (97 — 107).
Der Reft bringt die Anmerkungen und die Inhaltsangabe. Hierbei ift
aber der ganze I. Teil der Aufgabe gewidmet darzutun, daß in allen
den Bildern der altchriftlichen Kunft, in denen die bisherige Forichung
die Darfteilung Gott-Vaters erkennen wollte, nicht diefer, fondern vielmehr
— mit wenigen Ausnahmen ■— der präexiftente Schöpfer-Logos,
d. i. Chriftus zu erkennen fei: fo in der Schöpfungsfzene des S. Paul-
Sargophages u. a., fo in den Kain-Abelfzenen, in denen, mit Styger,
die Darbringung von Opfergaben an den Apoftel Petrus zu erblicken
fei, uff.

Schon daraus, ohne daß die von dem Verlader des weiteren an-
gefchnittene Fülle der Probleme auch nur angedeutet werden könnte,
läßt fich entnehmen, daß es fchlechterdings unmöglich ift, fich mit ihm
an diefer Stelle in eine nähere Auseinanderfetzung einzukitten; fie müßte
felbll zum Buche fich auswuchten. In der Tat ift kaum eine Seite, die
nicht Fragezeichen, Ausrufezeichen, Halteftellen, Ablehnungen, Berichtigungen
, Diskuffion erforderte. — Sehr viel äußerlicher, aber eben
darum auch viel peinlicher ift die Feftftellung, daß hier unmöglich
Raum ift, alle die Anftößigkeiten und Flüchtigkeiten aufzuzählen, die
das Buch aufweift, angefangen vom leichten Druckverfehen bis zur unverzeihlichen
Oberllächlichkeit und bis zum unbegreiflichen Widerfpruch.
In der Orthographie (!), im deutfehen Ausdruck, in Wort- und Namens-
tormen. in dem Weddel von Datierungen — auf der einen Seite fo,
auf der anderen fo —, kurz in allen Arten fouveräner Nonchalance leidet
es fich geradezu tolle Dinge, Dinge, die allerdings zuweilen doch auch
einen Mangel an entlprecbender Vorbildung bekunden. Ich verzichte
auf die Anführung von Proben, fo fehr es micli auch dazu reizt. Daß
der Verfaffer fein Buch in diefer Form fo voreilig und unfertig hat
dei Öffentlichkeit übergeben können, ift fchwer verftändlich.

Trotz allem ift das Buch nicht umfonft gefchrieben.
Es ftellt nicht feiten dem Kenner das Material und die
Literatur knapp und anregend zusammen, die Probleme
kurz und bündig heraus. Aber nur dem Kenner ift es
nützlich, den Nichtkenner wird es faft nur verwirren, und
gerade die Kreife, an die H. zuvörderft als Leser denkt,
Theologieftudierende und Künftler, können vor ihm nur
gewarnt werden; für fie gibt es zuverläfftgere und gediegenere
Handreichung.

Nachtrag. Während ich die vorftehende Befpre-
chung fchreibe, geht mir aus München ein neues Exemplar
der Schrift zu: die urfprüngliche Verlagsangabe
auf Umfchlag und Titelblatt ift überklebt und an ihrer
Stelle die folgende getreten: München 1922, Dr. Franz
Pfeiffer & Co", Verlagsgefellfchaft m. b. H. M. 40. Im
Buch felbft ift nichts geändert.

Berlin. Georg Stuhlfauth.

Schubert, Prof. D. Dr. Hans v.: Gefchichte der chriltlichen
Kirche im Frühmittelalter. Ein Handbuch. II. Halbband
. (S. 401—808 u. XXIV S). Lex. 8». Tübingen,
J. C. B. Mohr 1921. Gz. 16; geb. 20.

Über die allgemeine Anlage und die befonderen Vorzüge
diefes trefflichen Werkes ift fchon in unferer ausführlichen
Befprechung 1919, Sp. 33fr., gehandelt worden.
Auch in der zweiten Hälfte hat v. Schubert die gewaltigen
Stoffmaffen, die er aufgehäuft hat, lichtvoll gruppiert
und mit Meifterhand gefichtet. Wir find ihm und dem
Verleger dankbar dafür, daß nirgends gefpart worden ift,
fo daß die uns alle drückende Raumnot in diefem Buch
nicht in Erfcheinung tritt. Denn das ift hier befonders
bedeutfam: dürfen wir doch einen der Hauptvorzüge
des Buchs darin fehen, daß es uns auch in Einzelfragen

nicht im Stich läßt, daß das ganze, weite Gebiet wirklich
durchackert worden, nirgends das Überlieferte ohne fachkundige
Nachprüfung aufgenommen und fo ein in feiner
Art ideales Handbuch für Nachfchlage- und Studienzwecke
gewonnen worden ift. Dabei ift die Sprache durchweg
rein und unverfchnörkelt; das abfeheuliche .präzis' (S. 656,
Z. 2), eines der widerwärtigften Erzeugniffe der Baftard-
fprache, ift dem Verfaffer fichtlich nur entfehlüpft.

Der Druck ift äußerft zuverläffig; zu den Verleben, die v. Scb. felbft gebucht
hat (nicht ohne weitere hinzuzufügen!), hätte ich kaum etwas
nachzutragen; erwähnenswert ift nur S. 606, Z. 28I. 822 ft. 722; 626,
14 Küche ft. Kirche. Die Reichenau (S. 605) liegt zwar ,am TJnterfee',
aber nicht bei .Überlingen'; nach meinen Aufzeichnungen ift Pijpers
Klofterbuch 1916 (nicht 1912; S. 600, Z. 12) erfchienen. Ganz feiten
wird im Text auf eine Darfteilung Bezug genommen, deren Titel fich
nicht aus den bibliogiaphifchen Notizen des betreffenden Abfchnitts
feftftellen läßt, fondern erft an entlegener Stelle gefucht werden muß,
z. B. S. 620, 8 v. u. Böhmer (1. Boehmer, wie S. 673, 15 v. u. und
693 Anm. 1 Troeltfch ft. Tröltfch, richtig 737, 17) und S. 708, 8 u. ö.
Hörle. Die Literaturangaben find im übrigen erfchöpfend. Vermißt
habe ich nur bei den Quatembern (S. 665) Filchers Monographie von
1914, bei Macrobius (S. 726) die Schedlers von 1916.

Die erfte Hälfte hatte mit den Anfangsieiten des
3. Kapitels über ,den Zerfall der karolingifchen Reichskirche
und den erften Höhepunkt des mittelalterlichen
Papfttums unter Nikolaus P abgefchloffen. Im Vorder-
I grund fleht hier die Perfönlichkeit des großen Papftes,
] in deffen (zweifellos richtiger) Würdigung mit Pereis ganz
I zufammengetroffen zu fein v. Sch. in den Nachträgen
' noch feftftellen konnte. Auch den theologilchen Bewegungen
ift v. Sch. mit großer Sachkenntnis nachgegangen.
Wenn er an anderer Stelle (S. 658 Anm. 1) den Dog-
menhiftorikern den Vorwurf macht, daß fie den Kultus
faft unberückfichtigt laffen, und zur Korrektur auf Koldes
bekannte Abhandlung verweift, fo kann ihm Ref. dabei
nur in weitem Abftand folgen; denn Dogmengefchichte
und Kultusgefchichte find trotz offenkundiger Berührungen
verfchieden orientierte Disziplinen. Im 4. Kapitel handelt
v. Sch. vom .Chriftentum außerhalb des fränkifchen Reichs'.
Hier ift mir aufgefallen, daß neben dem wiederum vortrefflich
behandelten Angelfachfentum, Byzanz und den
Miflionsanfängen im Norden und Often der Chriften auf
der iberifchen Halbiniel überhaupt nicht gedacht wird;
der Name Eulogius kommt im ganzen Buch nicht vor,
Alvarus nur einmal in anderem Zufammenhang. Zufall
oder Abficht? Von befonderer Wichtigkeit und in diefer
Ausgeftaltung ein ganz neuer Wurf ift das letzte, auch
im Ümfang überragende Kapitel über ,die kirchlichen
Zuftände im Karolingerreich'. Hier zeigt v. Sch., daß er
wirklich in allen Sätteln gerecht ift. Ich wüßte nicht,
was ich am meiften hervorheben follte; denn Rechtsquellen,
wirtfehaftliche Stellung, Hierarchie, Mönchtum, Kultus
(die S. 665 Mitte nur flüchtig geftreiften Quatember verdienten
wohl noch ein paar Zeilen der Ausführung; vgl.
Fifcher), die Kirche als Erziehungs- und endlich als Bil-
dungsanftalt (hier eine fehr willkommene genaue Überficht
über die .Ireninvafion'), das alles ift mit gleichmäßiger
Kunde herausgearbeitet worden und hat in diefer Ausdehnung
kein Seitenftück in unlerer Literatur. Die kirchenrechtlichen
Abfchnitte beweifen noch einmal daß dem
Verf. der juriftifche Doktorhut von der Leipziger Fakultät,
der das Buch gewidmet ift, mit Fug verliehen wurde.

So bleibt dann fchließlich nur der Wunfeh, daß der
Verfaffer feine Feder nicht niederlegen möge. Er hat
uns vor kurzem in der .Feftgabe für Karl Müller' in der
fchönen Abhandlung über .Petrus Damiam als Kirchenpolitiker
' eine Probe der Fortfetzung feiner Studien ins
hohe Mittelalter hinein gegeben, die wir als Zeichen begrüßt
haben, daß unfre Hoffnung nicht zu Schanden
werden foll.

Gießen. G.Krüger.

Lives of the Serbian Saints. By Voyeslav Yanisch, D. D.

and C. Patrick Han key, M. A. (Translations of Christian
Literature, Series VII.) (XX, 108 S.) kl. 8°. London,
S. P. C. K. 1921. 6 sh 6 d