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Ausgabe:

1922 Nr. 25

Spalte:

546-547

Titel/Untertitel:

Die Taufe im Neuen Testament 1922

Rezensent:

Koch, Hugo

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Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 25.

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Die in den angezogenen Texten zum Ausdruck
kommende nichtjuden-feindliche Gefinnung wird von B.
nicht bemäntelt. Aber ebenfo klar und often betont B.,
daß der moderne gebildete wefteuropäifche Jude, zumal
in Deutfchland mit folcher Moral nichts mehr zu tun hat
(z. B. S. 64, 86f.). Damit fallen die landläufigen gehäffigen
Anwürfe der Antifemiten gegen unfere jüdifchen Mitbürger
in fich zufammen. Gleichzeitig wird aber auch
den jüdifchen Apologeten das Handwerk gelegt, die da
meinen, durch Totfchweigen oder Umdeuteln folcher Texte
der Sache ihrer Religion einen Dienft zu erweifen.

Ich kann alfo den Standpunkt Bifchoff's — ich habe
in ähnlichen Lagen den gleichen Standpunkt vertreten! —
nur billigen und möchte das Gutachten B.'s in den Händen
jedes Richters fehen, der in den leidigen Streitigkeiten
über § 166 des StGB., foweit er zum Schutz der jüdifchen
Religion herangezogen wird, zu urteilen hat. Abgefehen
von dem Intereffe, das die 1. Schrift B.'s für den Richter
haben muß, wirft fie auch für den Religionshiftoriker
wichtiges Material ab, fo z. B. über Alter und Wert des
Kol nidre S. $iff.; oder man vergleiche die Einfehätzungen
des Talmud und Schulchan aruch. Der juriftifchen und
der neuhebräifchen Wiffenfchaft würde B. einen großen
Dienft leiften, wenn er fich zu einer Überfetzung des
Schulchan aruch und deffen, was dazu gehört, entfehlöffe
(cf. S. 107): er hätte das befte Zeug dazul

Die zweite Schritt itl eine befondere Abrechnung mit Dr. Wielen
und dem Diakonus — in der Eile des Kampfes wird daraus S. 20 ein
Diakakonus! — Lic. Fiebig S. 1—8. Dann folgt das Gutachten felbft:
im Wefentlichen eine m. E. gelungene Ehrenrettung Dr. Ecker's f 1912,
des bekannten Gutachters des von ,Dr. Julius' (alias dem getauften, verlogenen
Aron Briman) erftellten Judenfpiegels vom J. 1883. Ein Anhang
befchäftigt fich mit T. J. Kahan in Leipzig. Das witTenfchaft-
liche Gefamturteil, das B. über Fiebig und Kahan fällt, kann ich mir,
obwohl ich die Richtigftellung der Errata oder die Bekanntgabe gewiffer
Schrullen beider Gelehrten durch B. anerkenne, nicht aneignen. Denn
unbeftreitbar haben Fiebig und Kahan auch Vcrdienfte um die rabbi-
nifche Literatur.

Heidelberg. Georg Beer.

Carpenter, S. C.: Christianity aecording to S. Luke. (XII,
239 S.) gr. 8°. London, S. P. C. K. 1919. sh 10/6

Ein merkwürdiger Unterfchied, wenn man von der
ThLZ. Nr. 24 Sp. 52of. befprochenen Oxforder Studie zu
dem Cambrigder Buch kommt: es weht ein anderer Geift,
der anheimelnde Geift deutfeher Wiffenfchaftlichkeit, obwohl
der höchst belefene Verfaffer die deutfehe Theologie
offenbar nur aus Überfetzungen kennt. Freilich mühen
wir uns auch hier an manches erft gewöhnen — die ftarke
Hervorhebung der Kirche (die Kirche hat die Bibel, die
Evangelien gefchaffen, nicht umgekehrt: fagt nicht der alte
Bengel doch viel richtiger: scriptura ecclesiam sustentat,
ecclesia scripturam custodit?), die vielen halbdogmatifchen
Reflexionen, die Betonung des Incarnationsgedankens,
die Anwendung moderner Kategorien, die nicht immer
ganz auf das Urchriftliche zutreffen. Aber trotz eines
entfehieden konfervativen Grundzuges ift die Einftellung
des Verfaffers wiffenfehaftlich, kritikoffen. Er nimmt
zu allen möglichen kritifchen Fragen Stellung, und, was
er beibringt, ift intereffant.

Das Buch zerfällt in drei Teile: 1. der Hintergrund:
hier fucht der Verf. Lukas als Kirchenchriften zu erfaffen,
die kirchliche Gemeinde als die Mutter, aus der das
Evangelium hervorging, Paulus als den geiftigen Vater;
.Pfingften und Galiläa', das Verhältnis der enthufiaftifchen
Religion zu dem gefchichtlichen Erinnerungsstoff des
Evangeliums; den apokalyptifchen Ideenkreis als Hintergrund
. 2. das Portrait: eingerahmt von literargefchicht-
lichen Ausführungen über Inhalt, Glaubwürdigkeit und
Quellen — infonderheit der Geburts- und Kindheits-
gefchichte; der apokalyptifche Chriftus und derMenfchen-
fohn unter den Menschenkindern. 3. die Arbeitsweife:
Lukas als Pfycholog, Künftler, Demokrat, Univerfalift.
Eigenartig wie diefe Untertitel ift der Gefamttitel, der
eigentlich etwas ganz anderes erwarten läßt: das Bild des

Urchriftentums, wie es Lukas in der AG. zeichnet; ftatt
deffen ift der Verf. gänzlich mit dem Chriftusbild des
Evang. befchäftigt und zieht nur gelegentlich die Linien
zur AG. hinüber. Das Buch bietet eine Pulle guter Beobachtungen
; es behandelt, teilweife in Fußnoten und
Excursen alle möglichen Fragen der Datierung, Chronologie
, Textkritik. Aber es hinterläßt, eben durch dies
Vielerlei, nicht einen befriedigenden Gefamteindruck. Der
Verf. ift vielfach der begreiflichen Verfuchung erlegen,
mehr von Jefus zu handeln als von Lukas und hiftorifche
fowie theologifche Fragen zu erörtern, die man unter
diefem Titel nicht fucht.

Merkwürdig ift der ftarke Eindruck, den die escha-
tologifche Betrachtung (befonders durch Alb. Schweitzer)
in England gemacht hat. Carpenter übernimmt meinen
Begriff der umgebogenen Eschatologie; aber er hat mich
nicht ganz verstanden, wenn er fagt, ich ließe reale und
umgebogene Eschatologie unausgeglichen nebeneinander-
ftehen. Für mich find es zwei pfychologifch notwendig
fich ergänzende Seiten, die umgebogene Eschatologie zugleich
die Klammer zu den uneschatologifchen rein reli-
giös-ethifchen Teilen der Verkündigung Jefu. Auf Einzelheiten
einzugehen ift hier kein Raum: nur eins noch.
C. fagt, Lukas fei nicht fentimental; m. E. ift das gerade
eine kennzeichnende Eigenart feines Evangeliums, ein
Tribut, den der helleniftifche Verfasser der Gefchmacks-
richtung feiner Zeit zahlt. Seine ganze fchriftftellerifche
Art, zumal in der Verwendung des Markustextes, hätte
doch noch tiefer erfaßt werden können. In diefer ,form-
gefchichtlichen' Betrachtungsweife find wir weiter. Vielleicht
darf ich hierbei auf meinen Auffatz über Jefu Wanderungen
nach Lukas in Hilgenfelds ZWTh. 1912,366—380
hinweifen, der befonders die Frage der fog. großen Aus-
laffung und großen Einbehaltung klärt.

Halle a. S. v. Dobschütz.

Koch, Prof. Dr. Wilhelm: Die Taufe im Neuen Teltament.

(Biblifche Zeitfragen. Dritte Folge. Heft 10.) (47 S.)

8°. Münfter i. W., Afchendorff 1921.
Die notwendig gewordene dritte Auflage diefes Heftes
zeigt, daß es in den Kreifen, für die es gefchrieben
ift, Anklang gefunden hat und feine Zwecke wirklich erfüllt
. In ruhiger, fachlicher Weife behandelt K. I die
Taufe im Urchriftentum (Vorgang u, Inhalt), II die Herkunft
der chriftlichen Taufe, wobei die verfchiedenen Auf-
faffungen von den Zeiten der Väter über die Scholaftik
in die nachtridentinifche katholifche Theologie u. in die
neuefte proteftantifche Theologie herein kurz zur Sprache
kommen und auch von der kirchlichen Lehre abweichenden
Anfchauungen Verftändnis entgegengebracht wird.
Daß die Taufe fchließlich ,im Sinne des überlieferten
chriftlichen Bewußtfeins' auf eine Anordnung Jefu zurückgeführt
wird, ift begeiflich. Ml. 28, 19 u. Joh. 3, 5 werden
freilich nur bei gleicher grundfätzlicher Einftellung
als echte Worte Jefu hingenommen werden. Und dann
bleibt zur Erklärung des Verhaltens der Apoftel in der
Frage der Heidenmiffion wirklich nur ,das in den Evangelien
oft erwähnte langfame Verftändnis der Jünger' übrig,
das dann freilich felbft der verheißenen Einführung in alle
Wahrheit durch den hl Geift getrotzt u. für die Unfehlbarkeit
der jungen Kirche eine trübe Ausficht eröffnet hätte.
Übrigens fucht K. felbft für den Fall des Verzichts auf
Joh 3, 5 u. Mt. 28, 19 die Taufe im Willen Jefu verankert
zu halten, indem er wieder auf feine Jordantaufe
größeres Gewicht legt. Die neuefte katholifche u. proteftantifche
Literatur ift forgfältig verwertet. Um fo mehr
wundere ich mich, daß das Werk C. A. Bernoullis, Johannes
der Täufer und die Urgemeinde (Leipzig 1918), nicht
erwähnt IL zu ihm nicht Stellung genommen wird. Dann
wäre wohl auch AG. 2, 38, wovon Bernoulli ausgeht, mehr
zur Geltung gekommen. Bemerkt fei noch, daß K. in
feinen Darlegungen auch die einfehlägigen Sätze aus dem
,Syllabus Pius' X' berückfichtigt, und in einem Anhang