Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1922 Nr. 25

Spalte:

544-545

Autor/Hrsg.:

Bischoff, Erich

Titel/Untertitel:

Rabbinische Fabeln über Talmud, Schulchan aruch, kol nidrê usw 1922

Rezensent:

Beer, Georg

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

543

Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 25.

544

inneren Sprachbildungstrieben, die auf verfchiedene Möglichkeiten
hindrängen, erklärt werden, nur hieraus muß
ein folches Auftreten von 5 in einem Dialekt der jüngeren
Gruppe erklärt werden. Im Äthiopifchen hat fich ftatt
qäma ein qöma entwickelt und zwar nicht ,infolge einer
Lautgewohnheit der vorfemitifchen Bevölkerung', fondern
rein aus reinerer Sprachbewegung heraus, wie u. a. die
parallele Entwicklung der mediae jod im Perfektum zu
beifpielsweife seta beweift. Wenn hier der Verfuch gemacht
werden muß, aus anzufetzenden Urformen heraus
durch inneren Sprachtrieb das Zuftandekommen zu erklären
, fo wird ein gleicher Verfuch-auf dem Gebiet des
Kanaanäifchen nicht von der Hand zu weifen fein. Um
noch ein Beifpiel aus der Nominalbildung anzuführen, fo
findet fich im Syrifchen wie im Äthiopifchen neben der
Endung än die feltenere ön, welcher Wechfel erklärt
werden muß wie das Auftreten des O-lautes in unferm
Wort Argwohn. Sonach ift jedenfalls eine bedingungs-
lofe Kapitulation vor den in dieler Grammatik vorgetragenen
Anfchauungen nicht erforderlich. Noch weniger ift das nötig
gegenüber der neuen Terminologie, die hier in der Lehre
vom Verbum gebraucht wird, indem ftatt Imperfekt
Aorift, ftatt Perfek'um Nominal, ftatt Jufliv Kur/.aorift, ftatt
Kohortativ Affektaorift, ftatt Infinitivus absolutus starrer
Infinitiv gefetzt wird. Anderswo bemüht man fich, die
Aktionsart der Konjugationen feftzuftellen und danach
zutreffende Bezeichnungen zu bilden, hier wählt man den
Ausdruck z. B. nach der angeblichen Entftehung der Form
wie beim Nominal oder nach ihrem Ausfeilen wie beim
Kurzaorift. Mit Recht haben fich die Verfaffer S. V hin-
fichtlich diefer Neuerung auf ein Schütteln des Kopfes
gefaßt gemacht. Unter den Neuerungen ift weiter bemerkenswert
die Anficht von der Länge bzw. Kürze
der Vokale, namentlich Sere und Chölem, wo die Anficht
vom ausfchließlichen Qualitäts- nicht Quantitätscharakter
konfequent durchgeführt wird, fodaß z. B. S. 173 das erfte
e in "ISO und das o in ijpla als kurz betrachtet werden.
Selbft das hält man für möglich, daß das e im Suffix der
erften Singul. am Jmperf. -enl kurz gelefen werden muß.
— In einer hiftorifchen Grammatik fallt auf, daß in der
Lehre von den Lauten garnicht eingehend die Möglichkeit
eines doppelten y- und n-Lautes wie er im Arabifchen,
exiftiert, behandelt wird. Gewiß ift die LXX, für deren
Einfehätzung in diefer Hiuficht die Arbeit von Martin
Flashar bedeutfam ift, hier kein ficherer Führer, aber es
gibt doch noch andere Quellen.

Ein Beifpiel. In der Mifchna Gittin I 5 VII 7 fowie in der Tof. ed.
Zucker. 331, 29 wiid der galiliiifche Ort ^iOniS 183 erwähnt. 'Otnai ift
Kurzform für 'Otni'el (= Löwe Gottes). Der erfte Beftandteil diefes
Wortes hat im Arab. als erften Buchftaben Ghain. Nun hat der Geograph
Ptolemäus V 1604 den Ort als Kanaoxnzvst, er hat alfo hier
einen fehr harten Laut gehört, während er 'Engedi durch EyyaäAa
(LXX 'EyvaSö(e)i, Jos. 'EyydSrf) wiedergibt. So kommt denn die LXX,
Jud. 3 mit ihrem l'o&ovi/ji zu Ehren, wobei auch ihre Vokalifation ge-

meffen an j-_jjX* Mcn a's urfprünglicher erweift.

In gleicher Weife wird man geneigt fein, wenn unter
demfelben Buchftaben chet fich differente Bedeutungen
zufammenfinden und dabei im Arab. diefe auch in der
Schrift differenziert find, zu fchließen, daß auch im Hebr.
es eine zwiefache Ausfprache gegeben hat; fo bei birj,
das einerfeils = halla entweih'e, andererseits == halla
durchbohrte zu fetzen ift. Doch genug von den Bedenken
, die man haben kann. Das Buch verdient es
reichlich, daß auf einiges befonders Erwähnenswerte noch
hingewiefen wird. Da werden z. B. in § 10 die Quellen
unferer Kennt niffe der Ausfprache des Hebräifchen vorgeführt
und dabei die Ausfprache neun verfchiedener
Judengruppen in aller Welt wiedergegeben, wobei unter
fechs allerdings nicht hätte vergeffen werden lollen, daß
die Samaritaner © ftets s aussprechen, auch wenn es
= hebr. 1Z> ift. Ausgezeichnet fachlich und folide find
die von Kahle beigefteuerten §§ 6—9, welche die mafo-
retifche Überlieferung des hebräifchen Bibeltextes behandeln
. Solche Belehrung, wie fie hier gegeben wird, bietet

über diefen Punkt keine andere hebr. Grammatik, wenn
man auch ein Bedauern darüber nicht unterdrücken kann,
daß Kahle feine Auffaffung vom Wefen der maforetifchen
Überlieferung des a.tlichen Textes feit der Niederfchrift
fchon wieder geändert hat. Beachtenswert ift die S. 301
zum Ausdruck kommende befonnene Beurteilung der
metrifchen Verfuche, die darauf hinauskommt, daß die
Verfaffer wie einft Wellhaufen warnen, Älteftes und Jüngftes
über einen Kamm zu fcheren; auch mit lokalen Dialekt-
verlchiedenheiten hat man zu rechnen. Sehr zu loben ift,
daß über die moderne Sprachbetrachtung immer wieder
orientiert wird, fo in § 4, der phonetifche und fprachge-
fchichtliche Vorbemerkungen enthält, oder etwa in § 27
und 35 zu Eingang. Ohne folche Orientierung wäre das
Buch auch für den fortgefchrittenen Studenten kaum
brauchbar. Im Ganzen wird es wohl ein Buch für den
Fachmann lein. Diefem aber bietet es eine Fülle von
Anregungen, denn es wirft an vielen Stellen Fragen auf,
wo andere nichts zu fragen hatten, und gibt auf alte
Fragen neue Antworten. Zu alledem wird er Stellung
nehmen mit dem Wunfeh, daß diefes Dokument der raft-
los fortfehreitenden deutfehen Wiffenfchaft nicht wie einft
Stades Werk, deffen zweiter die Syntax behandelnder
Teil nie erfchien, ein Torfo bleiben möge.

Daffenfen, Kr. Einbeck. Duenfino-,

Box, G. H.: The Apocalypse of Abraham and the Ascension of Isaiah.

With the Assistance of J. J. Landsmall (Translat. of Early Do-

cuments.) (XXXV u. 61, XXVIII u. 34 S.) S". London, S. P. C. K.

19'9- sh.4/6
Thackeray, H. St.: The Letter of Aristeas. (XX u. 97 S.) 8".

London, S. P. C. K. 1918. sh. 3/6

Es ift ein vielverheißendes Unternehmen, aus dem diefe beiden
Bände hervorgegangen find. Dem englifchen Studierenden und jedem,
der an der religionsgefchichtiichen Erforfchung der jüdifchen Umwelt
des Chriftentums Anteil nimmt, füllen auf diefe Weife Texte jenes Re-
ligionskreifes in guten und zuvrrlälfigen Überfetzungen nahe gebracht
werden. Vor den großen Sammelwerken von Kautzich, Hennecke und
Charles hat diefe Ausgabe den Vorzug, daß die Einzeltexte käuflich zu
erwerben find. Die Reihe der Translations of Early Documents umlaßt
drei Reihen: Vorrabbinifch-jüdifche, Helleniftifch-jüdifche und rabbi-
nifche Texte; von den erften beiden liegen mir Proben vor. Es handelt
fich bei diefen Reihen zumeift um Schriften, die fich auch in den genannten
deutfehen Sammelwerken finden, aber der Kreis ift hie und da
auch weiter gefaßt, und ich begrüße befonders die Aufnahme der
flavifchen Abraham - Apokalypfe, diefes jüdifchen Buches, das nicht
nur wegen feines Aufriffes für die Gefchichte der Apokalyptik und
wegen gewiffer gnoftilcher Spuren lür die Religionsgefchichte, fondern
wegen des Gebets in Kap. 17 auch für die Kultgefchichte befonders
bedeutfam ift.

Die Hauptaufgabe der Herausgeber war die Hcrftellung einer gut
lesbaren engliichen Überfetzung. Nur wenige kurze Anmerkungen find
hinzugefügt; auch die Einleitungen befchränken fich auf das Wefent-
lichfte. Daß in dem Text der Ascensio Jesaiae die Versziffern nicht
am Rande, fondern, das Schriftbild erheblich Hörend, Zwilchen den
Sätzen liehen, wird gewiß mancher l.efer mit mir als unangenehm empfinden
. Mit ausdrücklicher Anerkennung muß vermerkt werden, daß
man als Appendix zur Abraham-Apokalypfe die anderen jüdifchen legendären
Nachrichten über Abrahams .Bekehrung' findet, und ganz befonders,
daß dem Arifteasbricf eine enl fprechende Sammlung von jüdifchen und
chriftlichen Belegen über die Entftehung der LXX angehängt ift.
Heidelberg. Martin Dibelius.

Bifchoff, Dr. Ivrich: Rabbinifche Fabeln über Talmud,
Schulchan aruch, kol nidre usw. (108 S.) 8°. Leipzig
, Walther Kramer 1922. Gz. 0,75.

Derfelbe: Rabbi Und Diakonus. (28 S.) gr. 8°. Ebenda 1922. Gz. 0,2.

Die beiden etwas fenlationelle Titel auf weifenden Schriften Bi fchoff s
betreffen ein gerichtliches Gutachten, das B. in dem erften Fall in einer
Privatklage des antifemitifchen Schriftftellers Dr. Dinter gegen den
Weimarifchen Landesrabbiner Dr. Wie'en und in dem anderen Fall in
einer Privatklage des Dr. W. gegen Dr. D. abzugeben gehabt hat.

In der erften Schrift handelt es fich um Nachprüfung
einer Überfetzung des Kol nidre und Überfetzungen aus
dem Schulchan aruch und dem Talmud. Zumeift find es
Texte, die fchon oft in modernen jüdifchen Religionspro-
zeffen eine Rolle gefpielt haben. Die von B. gebotenen
Überfetzungen find wort- und finngemäß.

S. 33 und 63 ift x:pi, nicht ,Flafche', fondern .Becken'. S.
65 unten ift Baba bathra 113b Flüchtigkeitsfehler für Baba Kamma
113 b, wie S. 62 richtig fleht. ,Der unter uns lebende' Adalbert Merx
(S. 101) ift 1909 verstorben.