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Ausgabe:

1922 Nr. 2

Spalte:

35-36

Autor/Hrsg.:

Leipoldt, Johs.

Titel/Untertitel:

Jesus und die Frauen 1922

Rezensent:

Goltz, Eduard Alexander

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Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 2.

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dahin: Auguftin hat aus Italien einen altlateinifchen Text
mitgebracht, den ich etwa einen Ur = vg-Text nennen
könnte, von d-Charakter. Denfelben hat Auguftin felbft
nach altafrikanifchen Texten korrigiert, unter vereinzelter
Benutzung eines griechifchen Textes vom Typ A. Das
ift der Text r, als Refultat der Studien, die Auguftin auch
zur Aufftellung der textkritifchen Regeln in de doctrina
veranlaßt haben, und dielen Text hat Auguftin feit 389
benutzt. Die Revifion des Auguftin ift wegen der zu gründe
liegenden Spezialftudien für Br. von viel höherem Wert
als die des Hieronymus, welche selon les besoins du mo-
ment gemacht ift. So dürfte Br. der Beweis dafür gelungen
fein, daß r afrikanifchen Charakters (fowohl r1
wie r3) ift und daß die Abweichungen von diefem Typ
— bef. in r2 — fich aus dem unterliegenden italienifchen
Text erklären. Auch nach Diehl ift r der Text des
Auguftin und ,gründet fich auf d und vg', wobei ihm freilich
der ganze altlateinifche Text ein einheitlicher ift vom
d-Charakter. Wenn ich meinerfeits bei der Zwiefpältigkeit
der europäifchen und afrikanifchen Art flehen bleiben
möchte, fo ift der europäifche Textbeftandteil in r eben
jener, auf den fich r .gründet' (Diehl), von dem her er
den .Einfchlag' (Ziegler) hat, der ,aus Italien mitgebracht'
(Bruyne) ift; aber afrikanifchen Typs ift er geworden.
Daß Diehl fichere Spuren des r - Textes bei einigen
wenigen vor Auguftin finden will, könnte fich an jener
europäifchen Grundlage rechtfertigen; aber daß zu diefen
wenigen gerade Tyconius gehört, fcheint um der Beziehungen
des Tyconius zu Auguftin willen eine neue Unter-
fuchung zu erfordern. In einem dritten Kapitel werden
kurz die bisherigen Ausgaben befprochen; die vorliegende
ergänzt fie durch bisher unveröffentlichte Fragmente und
bringt einige Verbefferungen. Es folgt eine fehr fchöne
Wiedergabe derFragmente mit vorzüglichenReproduktionen
dreier Blätter. Eine fehr anregende Studie, die fich
Dank verdient.

Königsberg i. Pr. Pott.

Leipoldt, Prof. D. Dr. Jons.: Jefus und die Frauen. Bilder
aus der Sittengefchichte der alten Welt. (170 S.) 8°.
Leipzig, Quelle und Meyer 1921. M. 16 —

Der Verfaffer bringt uns eine genaue Unterfuchung
über die Stellung Jefu zu den Frauen unter fehr eingehender
Berückfichtigung der jüdifchen und heidnifchen Sitte
nach den Quellen. Zu 112 Seiten Text giebt er 785
z. T. umfangreiche Anmerkungen und in diefen findet
der Forfcher ein foweit als jetzt möglich vollftändiges
Material. In diefem liegt der Hauptwert der Schrift, denn
auch der Text des Buches felbft lieft fich oft wie eine
aneinandergereihte große Zettelfammlung. Was fchließ-
lich an Refultaten herauskommt, die als gefichert gelten
können, geht kaum über das hinaus, was fchon H. Jordans
Schrift (das Frauenideal des Neuen Teftaments) feftge-
ftellt hatte. Nur bringt L. ein noch reicheres Vergleichsmaterial
. In deflen Verwertung liegt allerdings oft der
Anlaß zu einer überfeinen Ermittlungskunft. Zieht man
in Betracht, was L. felbft mehrfach hervorhebt, daß die
Frauenfitten in Kleinftädten und Dörfern Paläftinas freier
waren als in den oberen Ständen der Städte und nimmt
die zweifellofe Tatfache hinzu, daß ganz unwillkürlich die
Liebe des Heilands mit den Mühleligen und Beladenen
auch die Frauen befonders anzog, lo ift damit das Meifte
erklärt ohne eine befondere Abfichtlichkeit in Eiuzelzüge
hineinzulegen.

Geht es nicht zu weit, Joh. d. Täufer als eine Perfönlichkeit zu bezeichnen
, ,die für Befreiung der Frau eintraf? (S. 15), S. 18 der Ausdruck
.Tochter Abrahams- finde Geh nicht im Talmud! Anm. 139
das Johannesevangelium wolle in der Erzählung von der Samariterin
zeigen, daß auch Jefus und die Großkirche die Frauen beachten. S. 17118
Jefus verftoße gegen die Sitte, wenn er Frauen anrühre (z. B. Jairi
Töchterlein) S. 23 .vielleicht ift es kein Zufall, daß er öfters von
Frauen redet' — daß Frauen in den Gleichniffen vorkommen —
S. 26 er redet in den Gleichniffen nie von einer Prinzefhn —
er nimmt aber keine Frau in den engeren Jüngerkreis auf. S. 28 In
der Nachfolge der Frauen (die Bedeutung der Tatfache ift Geher groß)

lag eine Verleugnung der Sitte! S. 29 daß nicht jede Frau Jefus nachfolgt
, begreift man angefichts der morgenländifchen Sitte (das begreift
man auch fo!) S. 33. Es ift ungewöhnlich, daß eine Frau die Selig-
preifung fpricht (Luc. 11, 27 ff.). S. 33 ff. daß die Frauen in der Nachfolge
, am Kreuze, am Grabe Geh in Gefahr begeben (weil Ge Frauen
find). S. 61 fo werden die zwei fein ein Fleifch — vielleicht eine an-
deutungsweife Polemik gegen die Polygamie.

Das alles find Beifpiele dafür, daß Leipoldt den
j Einfluß der jüdifchen Sitte auf den Verkehrskreis Jefu
zu ftark einfehätzt oder daß er allzufcharffichtig aus jeder
Erwähnung von Frauen etwas Beachtenswertes heraushören
will. Auch daß Jefus in feiner Verwendung des Königsbildes
für Gott dem arifchen (!) Gottesbegriff näherftehe
als dem femitilchen, halte ich trotz ,Hans Haas' für eine
.arifche' Phantafie.

Leipoldts Buch bleibt aber wertvoll und verdienft-
lich. Für den letzten Abfchnitt (Ausblick) würde auch
mein Buch ,Der Dienft der Frau in der chriftl. Kirche', das
in Anm. 785 fehlt) zum Vergleich heranzuziehen fein.
Greifswald. Ed. v. d. Goltz.

Braun, Prof. Lic. Wilh.: Die Frau in der alten Kirche.

(Zeit- u. Streitfragen des Glaubens ufw. XIII. Reihe,
$.16. Heft.) (24 S.) 8°. Berlin-Lichterfelde, E. Runge
1919. M. 1.40

Br. gibt in diefem Heft der .Zeit und Streitfragen'
ein lebendiges und anfehauliches Bild vom altchriftl. Frauenleben
, das gemeinverftändlich gefchrieben ift mit dem kurz
fkizzierten düfternHintergrund d esheidnifchen Frauenlebens.
Er. benutzt vor allem Tertullian und Clemens von Alexandrien
, dann Quellen des vierten Jahrhunderts. Die
erften Anfänge im erften Jahrhundert find kaum berührt.
Redete man früher bei diefem Thema faft zu ausfchließlich
vom,Recht' und vom amtlichen Dienft der Frau, fo läßt Br.
diefe bei Zfcharnack fo ausführlich dargeftellte Seite des
chriftlichen Frauenlebens ganz weg. Einige Mitteilungen
über Phoebe, altchriftlichen Witwen- und Diakoniffendienft
hätten doch wohl noch in diefes Bild mit hinein gehört.
Was aber gegeben ift, darf als zutreffende und anfehau-
liche Darftellung empfohlen werden.

Greifswald. Ed. von der Goltz.

Meffert, Dr. Franz: Das Urchrirtentum. Apologetifche Abbandlungen
I. Teil. (VIII, 184 S.) 8». M.-Gladbach, Volksvereins-Verl. 1920.

M. 5 —

Diefe im katholiieben Volksverein von München - Gladbach er-
fchienenen „apologetifchen Abhandlungen" enthalten eine populäre Darftellung
des Urchriftentums in ftark eklektifchem Verfahren. Einen
großen Raum nehmen die Einleitungskapilel ,Das römifche Weltreich'
(S. I—40) und ,Die Juden im römifchen Weltreich'(S. 41 —74) ein. Die
drei weiteren Kapitel behandeln die Urgemeinde (Marke Betonung der
Führerftelle des Petrus — Echtheit von Math. 16, 13ff.), Jefus und die
Heidcnmiffton (Echtheit des Mifftonsbefehls Matth. 28, 19ff.) und die
Mifftonsfahrten des Apoftels Paulus. Die Arbeit beruht fehr viel auf
proteftantifcher Forfchung. Die Schriften von Harnack, Deißmann und
Dobfchütz u. a. werden oft herangezogen, oft um etwas zu beweifen oder
auch um zurückgewiefen zu werden. Die Auslegung des Felfenworts
folgt der katholifchen Tradition. Im ganzen ift das Buch gut gefchrieben
und kann mit Nutzen in der Praxis verwendet werden. Nur
enthält es eigentlich nur die erfte Hälfte der Gefchichte des Urchriftentums.
Greifswald. Ed. von der Goltz.

Barth, Pfr. Karl: Biblirche Fragen, Einrichten und Ausblicke. Vortrag,

geh. an der Aarauer Studenten-Konferenz 17. April 1920. (31 S.)

gr. 8". München, Chr. Kaifer 1920. M. 3 —

Welche Erkenntnis bietet die Bibel? Antwort: Sie bietet ausfchließlich
Gotieserkenntnis als erfte Vorausletzung und letzte Einheit aller
Erkenntnis. Die Bibel hat nur ein Intereffe, das an Gott. Sie bietet
nur eine Handlung, nämlich die, deren alleiniges, unbefchränktes Subjekt
Gott ift. Die einzige Quelle realer Gotteserkenntnis liegt im Tod;
Chriftus hat Ge erfchloffen, indem er aus dem Tod das Leben ans Licht
gebracht. So eröffnet Geh als Ausblick die Auferftchung, die das
einzige wahre Erlebnis des Menfchen ift, die Auferftchung als Gottes-
herrfchaft, als Ewigkeit, als neue Welt und neue Leiblichkeit.

Das Werk ift ein flammender Proteft gegen alle Halbheit und
Flauheit, zumal in unferm fog. religiöfen Leben, und ein Aufruf zur
letzten Entfcheidung zwifchen Ja und Nein. Alles dreht Geh um die
Abfolutheit Gottes, die in den Gedanken der ewigen Erwählung gefaßt
ift. Barth packt auch diesmal wieder ungemein durch die Fülle, Kühnheit
und Eigenart der Aufftellungen und durch die Wucht, Gewalt und
Strenge des Ausdrucks; und er rüttelt auf durch den Widerfpruch, zu