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Ausgabe:

1922 Nr. 24

Spalte:

525

Autor/Hrsg.:

Schultze, Alfred

Titel/Untertitel:

Die Rechtslage der evangelischen Stifter Meißen und Wurzen. Zugleich ein Beitrag zur Reformationsgeschichte 1922

Rezensent:

Clemen, Otto

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525

Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 24.

526

Riedner, Dr. Otto: Die geiftlichen Gerichtshöfe zu Speier im Mittelalter
. 2. Bd.: Texte. (Veröfientl. d. Görres-Gefcllfchaft). XI, 305 S.)
gr. 8°. Paderborn, F. Schöningh 1915.
Ich hatte mir die Befprechung diefes II. Bandes bis zum Erfcheinen
des erden Bandes zurückgedellt. Da die Herausgabe diefes fich noch
weiter hinauszuzögern fcheint, fei nur kurz dem Bedauern hierüber Aus
druck gegeben. Denn wie der Bd. II, der die Belege, die Quellcntextc
bringt, erkennen läßt, hat die Wiffenfchaft für die Gefchichte der kirchlichen
Gerichtsbarkeit reichde Belehrung zu erhoffen; fic muß fchon für
den Bd. II und feine mudergültige Gedaltung dankbar fein.

Erlangen. Sehling.

Schultze, Prof. Dr. Alfred: Die Rechtslage derevangelifchen
Stifter Meiden und Würzen. Zugleich ein Beitrag zur
Reformationsgefchichte. (Leipziger rechtswiffenfchaft-
liche Studien H. i) (VIII, 99 S.) gr. 8°. Leipzig,
Theodor Weicher 1922. Grundzahl 0,75
Die wundervoll klare und fcharffinnige Arbeit ift
ein Rechtsgutachten, von Prof. Schultze (Sohm's Nachfolger
) der Leipziger Juriftenfakultät erftattet, in einigen
Punkten erweitert und vertieft, mit ungedruckten Urkunden
und der die katholifche Diözefe Meißen wiederher-
ftellenden Apoftolifchen Konftitution vom 24. Juni 1921
im Anhang. Die Rechtslage der beiden Stifter, befonders
von Meißen, vor und nach der Reformation und nach der
Revolution wird dargetan. Vor der Reformation: Bistum
und Hochftift Meißen in vertragsrechtlich ausgeftaltetem
Schutzverhältnis zu den Wettinern, die Bifchöfevon diefen
ihren,erblichen Schutzfürften' bis Ende des Mittelalters immer
mehr abhängig, aber kein Verluft der Reichsunmittel-
barkeit und der Reichsftandfchaft, alfo zwifchen Reichs-
ftandfchaft und fächfifcher Landftandfchaft fchwankende
Stellung; neben dem Bifchof felbftändig das Domkapitel;
alle 15 Kanonikate mit praebendae maiores fchließlich
dem kurfürftlichen Präfentationsrecht unterftellt; bei Se-
disvakanz hatte das Domkapitel die Administration des
Bistums und die Wahl des neuen Bifchofs. Nach der
Reformation: 1559 wurde das Bistum durch Vertrag
zwifchen Kurfürft Auguft und dem letzten katholifchen
Bifchof Johann IX. eva ngelifches Bistum; durch einen
weiteren Vertrag von 1565 erhielt der Kurfürft die Verleihung
fämtlicher Prälaturen und Pfründen innerhalb
des Domkapitels zum Zweck der ,Erhaltung gelehrter
Leute in den Univerfitäten, Beftellung der Konfiftorien,
Zulegung der Pfarrer und anderer Kirchendiener'; durch
die Kapitulation von 1581 wurde Kurfürft Auguft vom
Domkapitel, zu deffen Gunften Bifchof Johann IX. refi-
gniert hatte, zum Adminiftrator poftuliert; fein Sohn
Chriftian I. und die fpäteren Nachfolger rückten in die-
felbe Stellung ein; 1663 fchloß Kurfürft Johann Georg II.
mit dem Domkapitel die Capitulatio perpetua ab, durch
die die Stiftsherrfchaft erblich an das Kurhaus angegliedert
wurde, beim Ausfterben des Kurhaufes follte
das Domkapitel einen neuen Stiftsherrn wählen; der
Übertritt des Kurhaufes zum Katholizismus 1697 und
der Reichsdeputationshauptfchluß brachte keine Änderung
der Lage, die Verfaffung von 1831, die Landtagsverhandlungen
über die Stifter und die Reformverträge
von 1859/60 und 1864/95 keine wefentliche Änderung
. Nach der Revolution: es ift Sedisvakanz eingetreten
, das Domkapitel hat fich einen neuen Stiftsherrn
zu wählen und fich zu diefem in ein privatrechtliches
Verhältnis zu fetzen. Eine Revindikation des Doms ufw.
von katholifcher Seite ift ausgefchloffen. Einfacher war
und ift die Rechtslage der Kollegiatkirche Würzen. Sie
gehörte zur Meißener Diözefe und zum Territorium des
Bifchofs, unterftand alfo feiner geiftlichen und weltlichen
Regierung. 1542 wurde hier die Reformation eingeführt
und die Stiftskirche zur Haupt-, Pfarr- und Superinten-
denturkirche von Würzen gemacht; das Kollegiatkapitel
beftand jedoch fort. Jetzt hat es den von dem Domkapitel
Meißen Erwählten als feinen Stiftsherrn anzunehmen
.

Zwickau i. S. O. Clemen.

Adam, D. Johann: Evangelilcho Kirchengelchichte der Stadt
Strafiburg bis zur franzöfifchen Revolution. (XVIII
u. 496 S.) 8°. Straßburg, I. H. Ed. Heitz, 1922.

Franz. Fr. 50.—

Rund 90 Jahre find es, daß T. W. Röhrich in den
drei kleinen Bänden feiner ,Gefchichte der Reformation
im Elfaß und befonders in Straßburg' den fehr foliden
Grundftein zur Erforfchung der proteftantifchen Kirchen-
gefchichte des Elfaß gelegt hat. Hier wird uns nun ein
neuer Röhrich geboten, nur daß er feine Aufgabe noch
weiter faßt, fofern auch das 17. und 18. Jahrhundert
zur Darftellung kommt. Der vorliegende elfte Band
behandelt die Gefchichte der Straßburger Kirche; der
zweite, der in Kürze folgen foll, wird die kirchliche
Gefchichte der evangelifchen Territorien des Elfaß zur
Darftellung bringen, die fchon lange ein dringendes
Bedürfnis ift.

Die Gefchichte der Straßburger Kirche in der Reformationszeit
ift ein hervorragend wichtiger Abfchnitt der
deutfchen Reformationsgefchichte und kann nur unter
ftändiger Bezugnahme auf diefen allgemeinen Hintergrund
zur Darftellung gebracht werden; die des 17. und
18. Jhs. ift reine Lokalgefchichte, während die zweite
Hälfte des 16. Jhs. den Übergang zwifchen den beiden
gegenfätzlichen Perioden bildet. Diefer Verfchieden-
wertigkeit entfprechend find dem erften Ilauptteil, dem
16. Jh., 360, dem zweiten, die beiden folgenden Jahrhunderte
umfaffenden, zufammen 120 Seiten gewidmet.
Der erfte Teil ift wieder in 3 ,Zeiträume' zerlegt: die
völlige Abfchaffung der Meffe 1529, die Einführung des
Interims 1549, der endgültigen, die Herrfcbaft des ftrengen
Luthertums befiegelnden Kirchen Ordnung 1598 find die
Markfteine, nach denen abgeteilt wird. Für den zweiten
Teil ergeben fich von felbft zwei Zeiträume: der der
Alleinherrfchaft des lutherifchen Kirchenlums, dann
feit der Annexion der Stadt durch Frankreich 1681 die
Zeit der Bedrückung desfelben zugunften des neu vordringenden
Katholizismus. Innerhalb der einzelnen Zeiträume
ift der Stoff in fortlaufend numerierte, im ganzen
34 Kapitel gegliedert.

Vf. geht To zu Werke, daß er zunächft die älteren
Darftellungen und Teildarfteilungen von Röhrich, Jung,
J. W. und A. Baum, Gerbert, Hulshof, W. Sohm neblt
zahlreichen Monographien verarbeitet, denn: ,angefichts
der zahlreichen und zumeift völlig zuverläffigen Vorarbeiten
erfchien mir ein ausfchließliches Zurückgreifen auf hand-
fchriftliche Quellen nicht als erforderlich und für meine
| Kräfte als unvollziehbar' (S. X); er hat fodann das in den
| letzten Jahrzehnten veröffentlichte Aktenmaterial, infonder-
heit die ,Politifche Korrespondenz der Stadt Straßburg'
und die Wenckerfche Chronik (s. u.) ausgefchöpft; er
hat weiter in zahlreichen Exzerpten aus ihren z. T.
feiten gewordenen Schriften die dargeftellten Perfonen
zu uns reden laffen; er hat aber endlich viele ungedruckte
Aktenftücke aus Straßburger Archiven benutzt und teilweife
in leine Darfteilung eingeflochten. Legt fomit
das Werk mit feinen faft 500 ermüdend eng gedruckten
Seiten von eindringender und langwieriger eigner For-
fchung Zeugnis ab, fo fei allem zuvor auch das andre
feftgeftellt, daß fein Verf., bei aller warmen Liebe zu
feiner Pleimat und feiner Kirche, kein andres Ziel kennt
als der hiftorifchen Wahrheit zu dienen und ohne Pathos,
ohne Erbaulichkeit und ohne Parteinahme objektiv zu
berichten.

Freilich ift nun die wiflenfchaftliche Verwendbarkeit
des Werkes durch eine Reihe von Momenten beeinträchtigt
. Durch die eben gekennzeichnete Arbeitsweife des
Verf.'s find die einzelnen Abfchnitte von fehr ungleichem
Werte. Während einzelne, z. B. der über das Interim,
vorwiegend aus ungedruckten Akten gearbeitet find und
namentlich im zweiten Teil eine Fülle von aus folchen
Akten gefchöpften Einzelzügen die Anfchaulichkeit erhöhen
, wird fehr oft einfach auf Röhrich, Jung ufw. verwiefen,