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Ausgabe:

1922 Nr. 2

Spalte:

31-33

Autor/Hrsg.:

Meyer, Eduard

Titel/Untertitel:

Die Gemeinde des neuen Bundes im Lande Damaskus. Eine jüdische Schrift aus der Seleukidenzeit 1922

Rezensent:

Staerk, Willy

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Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 2.

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handlungen' vermißt man ungern Tanz und Mufik, und
eine Zufammenfaflung der charakteriftifchen Kultbräuche
bei den Wettfpielen wäre recht erwünfcht. Das ganze
große Gebiet des Zaubers wird S. 84 h auf einer Seite
viel zu kurz abgetan. Die Tafeln bringen gegenüber der
2. Auflage eine Karte des heiligen Bezirks von Delphi (I)
des Didymeion von Milet (II 2), neue Opferbilder (auf III)
und zwei rotfigurige Vafenbilder des Nikeopfers und der
Entfühnung des Oreftes; alles dankenswerte Verbeffer-
ungen.

Jena. Hans Lietzmann.

Heinifch, Prof. Dr. Paul: Personifikationen und Hypoltafen
im Alten Teftament und im Alten Orient. (Bibl. Zeitfragen,
9. Folge, Heft 10—12). (60 S.) 8°. Münfter i. W.,
Afchendorff 1921. M. 4.60

In knapper, gemeinverftändlicher und doch klarer,
das Wefentliche heraushebender, Art wird hier von den
Perfonifizierungen leblofer Gegenftände und körperlicher
Zuftände, fittlicher Ideen und göttlicher Eigenfchaften,
bzw. ihrer Verdichtung zu Hypoltafen, gehandelt, wie fie
fich im A. T., in der babyl.-affyr., inderägyptifchen Literatur
und im Avefta finden, und ganz kurz werden auch die
hierher gehörigen Vorftellungen der Griechen und Römer
berückfichtigt. Die Nebeneinanderftellung gleicher oder
ähnlicher Erfcheinungen aus mehreren Religionen ift
lehrreich und kann, auch wenn literarifche Abhängigkeit
der einen Erfcheinung von der anderen abgelehnt wird,
das Verftändnis der Sache fördern. Das vorliegende
Heft will feiner Art nach mehr den Weg zu folch tieferem
Eindringen in die Sache weifen als diefe Arbeit felbft
tun. Aber fchon das Aufzeigen diefer Aufgabe ift ver-
dienftlich. Die im A. T. vorkommenden Hypoltafen: der
Geilt Gottes, der Engel Jahwes, die Weisheit müßten in
der Tat einmal oder einmal wieder in die hier gezeigten
Zufammenhänge hineingeftellt werden. In einem Punkte
freilich wird man bei folchem Unternehmen dem Verfaffer
die Gefolgfchaft vertagen müffen: in der Verquickung
hiftorifcher und dogmatifcher Gefichtspunkte. Sätze wie
diefer: „Dem Neuen Teftament erft war es vorbehalten,
Licht in das Dunkel zu bringen, welches auf den Aus-
fprüchen des Alten Teftaments ruhte, und uns nicht nur
darüber Auffchluß zu geben, daß der Geilt Gottes wahre
Perfon ift, mit Gott in der Einheit des Wefens verbunden,
fondern auch darüber, daß der Geilt Gottes ebenfo der
,Geilt der Weisheit' ift, indem der heilige Geift vom Vater
und vom Sohne zugleich durch Hauchung ausgegangen
ift" S. 21, vgl. S. 26. 27, S. 32, S. 55. 56, zeigen deutlich
das Gefährliche folch einer Vermifchung.
Berlin. Otto Eißfeldt.

Meyer, Eduard: Die Gemeinde des neuen Bundes im Lande
Damaskus. Eine jüd. Schrift aus der Seleukidenzeit.
Aus dem Abhandlgn. der Preuß. Akad. d. Wiff. Jahrg.
1919. Phil.-hilt. Kl. Nr. 9. (66 S.) Lex. 8". Berlin,
Vereinigg. wiff. Verleger 1919. M. 7 —

Im Jahre 1910 hatte S. Schechter, der Entdecker
des hebr. Jefus Sirach, aus den Schätzen der Geniza
derEsra-Synagoge in Kairo ,Fragmente zweier hebräifcher
Handfchriften aus dem 10. bzw. II- Jhdt. ans Licht gebracht
und der literarifchen Welt als Bruchltück aus einem
sadoqitilchen Werk dargeftellt, [Documents of Jewifh
Sectaries Vol. I Cambridge 1910 vgl. dazu Landauer
ThLZ 1912, 261 ff.] Der Inhalt diefer 9 Blätter hat begreiflicherweife
fofort großes Auffehen erregt und jüdifche
und nichtjüdifche Gelehrte zu kritifcher Auseinander-
fetzung mit dem Herausgeber veranlaßt. Überwiegend
ftimmte man Schechters Einzelerklärung der Fragmente
zu, lehnte aber die befondere gefchichtliche Ausdeutung
ab. Man war geneigt, die Urkunden fpäter, z. T. fogar
fehr Ipät in frühmittelalterlicher Zeit anzufetzen. Dann
ift es den Geniza-Fragmenten ergangen wie den wiederentdeckten
Oden Salomos: die Diskuffion brach ab, vielleicht
weil man inzwifchen gemerkt hatte, daß die Probleme,
die diefe wenigen Blätter bieten, wuchfen, jemehr man
in die Texte einzudringen fuchte. E. Meyer hat darum
Recht getan, daß er den wichtigen Fund wieder zur Debatte
geftellt hat. Daß das mit der ihm eignen Frifche,
mit Scharffinn und umfaffender Gelehrfamkeit gefchehen
ift, ift felbftverftändlich. Es hat nur den Nachteil, daß
auch er in feiner temperamentvollen, allzu keck zufaffenden
Art zu fchnell über die tiefer liegenden Schwierigkeiten
der Texte hinweggeht und den Lefer bedenklich in die
Irre führt.

M. unternimmt es in eingehender Analyfe der von ihm überfetzten
Texte die Thefe zu beweifen, daß die beiden Fragmente, die, wie fofort
erkannt worden war, im Verhältnis zweier Rezenüonen derfelben Schrift
ftehen, Zeugniffe für die Entftehung und das innere Leben einer
jüdifchen Diafporagemeinfchaft in Damaskus aus der i. Hälfte des
2. Jhdt. v. Chr. find. In ihnen fpiegeln fich alfo f. M. n. kirchen-
politifche Ereigniffe im Judentum vor der makkabäifchen Erhebung.
M. glaubt auch im Einzelnen Perfonen und Verhältniffe diefer unruhigen
Zeit in den Fragmenten nachweifen zu können. Die Trennung der
Damaskus-Gemeinde von der jerufalemifchen Kirche hat fich f. M. n.
etwa kurz vor 170/169 vollzogen, und damals ift aucli die in den Fragmenten
erhaltene Mahnrede und das Gefetzbuch (Schechter I, I—VIII, 21
bzw. XIX und XX, und IX, 1—Schluß von A) entftanden. Die Ver-
anlaffung zu diefem Schisma hätten die antinomistifchen Beftrebungen
der helleniftifchen Reformjuden unter Führung des Hohenpricfters Jason
(er ift nach M. der I, 14 erwähnte iä ha-lason) und die dadurch hervorgerufene
religiöfe Beunruhigung der eschatologifch geftimmten Frommen
gegeben.

Diefe gefchichtliche Deutung der Schechterfchen Fragmente trägt
M. mit großer Sicherheit vor. Aber feine Gründe find wenig überzeugend
. So wenig, daß Bertholet fchon wieder einen neuen Er-
klärungsverfuch glaubt bieten zu können, indem er von denfelben Vor-
ausfetzungen aus auf eine rund 100 Jahre fpätere Entftehungszeit der
Texte fchließen will, vgl. feinen Auffatz ,Zur Datierung der Damaskus-
Schrift' (Beih. 2, ZatW 34, 1920 S. 31 ff.). Die Methode, mit der fo
widerfprechende Ergebniffe zuftande kommen müffen, wird grell beleuchtet
durch Bertholet's Verfuch, den vom Verf. von A beliebten biblifch-
fymbolifchen Ausdruck ,die Erbauer der Wand und Übertüncher' (vgl.
Ezech. 13, 10 = falfche Propheten = Irrlehrer und Volksverderbei) auf
einen einzelnen, zufällig aus der Menge ähnlicher politifcher Vorgänge
erhaltenen Vorfall zu deuten, vgl. Jofephus Ant. XIII, 13, 5. Aber fie
wird m. E. dadurch auch als grundfätzlich falfch erwiefen. E. Meyer's
Hauptbeweis für feine Thefe über die Entftehung der .Gemeinde des
neuen Bundes' und die Texte, die von ihr zeugen, ift letztlich nur
eine literaturgefchichtliche Hypothefe, nämlich die Annahme, daß die
aulierkanonifchen Literaturftücke, deren enge formale und gedankliche
Vetwandfchaft mit den Fragmenten Schechter fofort erkannt und heraus-
geftellt hatte, alfo Buch der Jubilaeen, Teftamente der 12 Patriarchen
und Teile des äthiopifchen Henoch, aus dem Anfang des 2. Jhrdts. v.
Chr. (lammen. Das ift aber nur eben eine Hypothefe. In Wirklichkeit
find die Forfcher bis heute noch nicht zu einem eindeutigen gefchicht-
lichen Verftändnis diefer apokalyptifch - paraenetifchen Literatur gekommen
. Als Basis für die kühne Konftruktion, die M. aufführt, ift
jene Hypothefe alfo entfehieden zu fchmal und zu fchwach. Überdies
bewegt er fich dabei in einem Zirkel, denn die Heraufdatierung der
genannten Pfeudepigraphen ift ja genau befehen erft eine Folge der
fubjektiven Ausdeutung der Scheck ter'fchen Texte auf die vormakka-
bäifche Zeit, und diefe wieder ift aus der Verwandfchaft mit jenen er-
fchloffen.

M.s Thefen find übrigens nicht neu. Schon Chajes (in der
Rivista Israelitica VII, 205 fr. und VIII, 1 ff.) hat die Texte auf die vor-
makkabäilche helleniftifche Bewegung im Judentum gedeutet. Und
andere Gelehrte vor M. haben mit denfelben Gründen gegen Schechter's
Anficht polemifiert, es handle fich in den Fragmenten um Zeugniffe
antipharifäifcher Polemik, fo Poznanski, Ginzberg, Moore, Greßmann u. a.

Ref. behält fich vor, demnächft an anderer Stelle eingehend darzulegen
, daß die Sicherheit, mit der M. fein gefchichtliches Verftändnis
der Damaskus-Texte vorgetragen hat, in keinem rechten Verhältnis fleht
zu der leider vermißten Gründlichkeit, dem fprachlich ja leichten, aber
trotzdem von erheblichen Schwierigkeiten behafteten Wortlaut derfelben
gerecht zu werden. Ich kann hier nur kurz andeuten, daß M. öfters nicht
bloß falfch überfetzt hat und auf Grund folcher Irrtümer zu falfchen
exegetifchen Ausdeutungen gekommen ift (vgl. bef. S. 27 wo er VII, 21
■ptiTnll mpsn yp3 trotz der von Bacher (ZtHebr. Bibl. XV 1911,
18) gegebenen richtigen Exegefe auf das babylonifche Exil beziehen
will); er ift fich auch der Tatfache nicht ganz bewußt geworden, daß
wir vorerft garnicht imftande find, den mehrdeutigen Charakter vieler
Auslagen in diefem oder jenem Sinne gefchichtlich fcftzulegen. Wo
fleht z. B. etwas davon, daß das Motiv der angeblich von den helleniftifchen
Reformern gepredigten Verwerfung des Gefetzes (V, n f.)
die Überzeugung fei, Gottes Zorngericht fei unvermeidlich für ganz
Ifrael? Diefe Auffaffung gewinnt M. bloß durch die Überfetzung XIX,
25: er hat prophezeit, daß der Zorn Gottes entbrannt fei. Aber in dem
Zufammenhänge des Satzes kann 'aser auch sodaß bedeuten, und fo
I wird es hier wohl verftanden werden müffen. Dann fällt aber M.s ganze