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Ausgabe:

1922 Nr. 23

Spalte:

496-498

Autor/Hrsg.:

Frischkopf, Burkard

Titel/Untertitel:

Die neuesten Erörterungen über die Abendmahlsfrage 1922

Rezensent:

Koch, Hugo

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Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 23.

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hat, hinzukommen muß. Mit diefer Methode der Betrachtung
von innen her wird erft die Bahn frei gemacht zur
Überführung der noch weithin herrfchenden rein anti-
quarifchen Gefchichtsfchreibung in die wirkliche, die
pfychologifch-biographifche.
Jena. W. Staerk.

Lattey, C, S. J.: The Religion of the Sriptures. Papers
from the Catholic Bible Congress held at Cambridge,
July 16—19, !921- (xm. 112 S.) kl. 8°. Cambridge,
W. Heffer & Sons 1921. 3 sh 6 d

Zwei der auf diefem bibelwiffenfchaftlichen Kongreß
englifcher Katholiken gehaltenen Vorträge, der von
Lattey S. J. über die Propheten und der feines Ordens-
genoffen Martindale über Chriftus im N.T. unterfcheiden
fich nicht fehr von dem, was ein konfervativ gerichteter
deutfch - evangelifcher Theolog fagen würde. Der von
Bird über das mofaifche Gefetz geht darüber hinaus.
Namentlich unter Hinweis auf die Vorausfetzungen des
Tempelkults von Elephantine und darauf, daß Israel fchon
in alter Zeit kein kulturlofes Volk gewefen fei, will B.
die ganze heutige Anficht vom Entftehen des Penta-
teuchs als ein teutonic yoke abfchütteln. Knox behandelt
die organifierte Kirche im N.T. Wenn es nach
Gleichniffen wie den von den 10 Jungfrauen und vom
Unkraut unter dem Weizen und dem Worte, daß viele
berufen, wenige auserwählt find, viele unvollkommene
Chriften geben foll, fo gewinnen diefe Worte für Kn.
apologetifche Bedeutung im Zufammenhang mit dem
Gedanken, daß Chriftus eine fichtbare heilige Gemein-
fchaft habe ftiften wollen. Hier wird katholifches und
proteftantifches Empfinden verfchieden bleiben: dem
Katholiken wird die Unheiligkeit vieler feiner Glaubens-
genoffen von der Heiligkeit der Kirche überstrahlt; wir
Protestanten würden eine Gemeinfchaft auf Erden nur
dann in folch himmlifchem Lichte fehen (wie der Katholik
feine Kirche), wenn fie wirklich alle ihre Glieder zu
Heiligen machte; wiederum zerftört die tatfächliche Un-
vollkommenheit der Mitglieder für uns den Glauben an
die Göttlichkeit der Gemeinfchaft.

Daß in einer Reihe bibelwiffenfchaftlicher Vorträge
von katholifchen Gelehrten einer über Hieronymus und
die Vulgata fleht (von Barry), entfpricht der Bedeutung,
die diefe Überfetzung dort hat.

Diefe Bedeutung fpielt auch in Latteys Bemerkungen gegen Coul-
ton hinein( der behauptet (the roman catholic church and the bible,
2. Aufl. 1919J, kein katholifcher Theolog dürfe die jedem kritifchcn
Forfcher klare TJnechtheit des comma Johanneum ausfprechen, ohne
feine Stellung zu verlieren, da das sanctum officium 1S97 diefe Stelle
für authentifch erklärt hat; auch habe auf dem 4. Laterankonzil Innozenz
III. diefe Stelle gegen Joachim benutzt. Lattey entgegnet, Innozenz
habe fich nicht felbft für diefe Stelle eingefetzt, fondern fie fei
bei ihm nur Zitat aus Joachim. Wenn Lattey fodann darauf hinweift,
daß Künftle inzwifchen fie auf Priscillian zurückzuführen gefucht habe
und Vogels in feiner Ausgabe des NT. fie weggelaffen habe — es
hätten fich noch -andere deutfch-katholifche Theologen nennen laffen,
die deutlich genug ihr kritifches Urteil ausgebrochen haben, wie der
Bifchof Bludau —, fo genügt das zum Beweife dafür, daß man in Rom
heute nicht mehr feine Machtmittel für jene Entfcheidung von 1897
einfetzen will. Dagegen wird die Auslegung, authentifch heiße hier
nur fo viel wie offiziell, gezwungen bleiben: hat die Inquifition wirklich
1897 nur fagen wollen, daß die Stelle zum offiziellen Vulgatatext
gehöre, wobei es aber jedem Frommen erlaubt fei, fie für unecht zu
halten?

Anhangsweife wird, wie diefe Frage, fo der Urfprung des Buches
Tobit behandelt. Moulton hatte in Early Zoroastrianism (1913) behauptet
, es gehe auf eine perfifche Volkserzählung zurück. Cafar-
telli facht dem gegenüber zu zeigen, hier fei eine Hypothele vorfchnell
als Tatfache hingeftellt; der Titel feines Beitrags the genesis of a myth
ift ironifch-doppelfinnig.

Vorausfetzung der Argumentation in den obengenannten
Vorträgen von Martindale und Knox ift die
Zuverläffigkeit der einzelnen Bibelworte; fo ift der wich-
tigfte der einleitende von Arendzen über die Infpira-
tion. Sie wird klar unterfchieden vom praktifchen reli-
giöfen Wert der Schriften (diefer ift bei der imitatio Chrifti
größer als beim Leviticus) und von der Irrtumslofigkeit

(päpftliche Kathedralentfcheidungen find infallibel, aber
nicht infpiriert — man wird hinzufetzen dürfen: nicht
infpiriert in dem Sinne, wie es die Bibel ift). Auch bleibt
der verfchiedene literarifche Charakter der Schriften zu
beachten. Das Buch Hiob ift Poefie; fo find wir nicht
verpflichtet ,zu glauben, daß Hiob auf dem Düngerhaufen
faß und Hunderte von Verfen fprach und feine PYeunde
ihm in Verfen antworteten.' Überhaupt muß nicht alles
wörtlich genommen werden; der Schöpfungsbericht ift
von katholifchen Gelehrten fehr verfchieden ausgelegt
worden; A. rühmt die Freiheit des katholifchen Bibel-
forfchers. In der Tat können katholifche Theologen die
Infpiration fo behandeln, daß fie ein gepriefenes, aber
praktifch fchwer faßbares und darum die Forfchung kaum
hinderndes Prädikat der Bibel wird, wie denn A. felbft
fagt, die wahre Natur der Infpiration fei nur Gott bekannt
und wem er fie offenbaren wolle (man kann ganz
ernfthaft die Präge hinzufügen: war fie den Infpirierten
felbft deutlich?). Aber wenn A. erklärt, in einigen wenigen
Fällen läge unfehlbare kirchliche Entfcheidung über den
Sinn von Bibelftellen vor und es könnte (obwohl es bisher
nie gefchehen fei) folche darüber erfolgen, wer der
menfehliche Verfaffer eines biblifchen Buchs fei, fo zeigt
fich da wieder der Sondercharakter katholifchen Bibel-
ftudiums, ebenfo in der Entfchiedenheit, mit der Grad-
unterfchiede der Infpiration abgelehnt werden; das
4. Evangelium und das 2. Makkabäerbuch find equally
inspired, und wenn 2. Makk. ein Auszug aus den 5 Büchern
Jafons ift, fo hat dennoch ,Gott das 2. Makkabäerbuch
gefchrieben, indem er das Material von Jafons Buch benutzte
' (S. 10). Der Gefamteindruck der Vorträge ift:
Bibelforfchung als folche wird Katholiken und Prote-
ftanten immer verbinden; an wichtigen einzelnen Punkten
aber macht fich geltend, daß der Katholik die Bibel nur
aus der Hand feiner Kirche entgegennimmt.

Kiel. H. Mulert.

Frifchkopf, Dr. phil. et theol. Burkard: Die neueften Erörterungen
über die Abendmahlsfrage. (Neuteftament-
liche Abhandlungen, herausgegeben von Prof. Dr. M.
Meinertz, Münfter i. W. IX. Bd. 4—5. Heft.) (189 S.)
8°. Münfter i. W., Afchendorff. 1921. _ Gz. 5.

Vorliegende Schrift will, wie ihr Verf. in der Einleitung
felber erklärt, .nicht eine pofitivtr Darlegung u. Begründung
der katholifchen Auffaffung bezüglich der ver-
fchiedenen Streitpunkte fein, fondern bloß eine Vorführung
u. Kritik der neueften Erörterungen über die Abendmahlsfrage
.' Sie ift aber nach der bekannten, hier be-
fonders dankbaren Art gehalten, daß die eine proteftan-
tifche Anficht als Totengräberin der andern arbeiten muß
und inmitten des allgemeinen Trümmerfelds der altehrwürdige
Bau des katholifchen Dogmas in einzigartiger
Sturmficherheit flehen bleibt. Der zeitliche Rahmen
reicht, foviel ich fehe, von 1889—1911. Ed. Meyers An-
fchauung (Urfprung u. Anfänge des Chriftentums. 1. Bd.:
Die Evangelien 1921) ift nicht mehr berückfichtigt, aber
auch nicht die kath. Schrift von Franz Zimmermann: Die
Abendmeffe in Gefchichte u. Gegenwart 1914. Eingeteilt
ift der Stoff nach fachlichen Gefichtspunkten: I.Ausgangspunkt
der neueren Abendmahlsforfchung. Würdigung
der einzelnen Berichte im allgemeinen. 2. Textkritifches.
A. Lk. 22, 19 b. 20. B. Die Konjekturalkritik und die
Opferausfagen in den Einfetzungsworten. 3. Euchariftie
u. Paffahmahl. 4- Euchariftie u. Agape. 5. Sinn und
Bedeutung der Abendmahlshandlungjefu. A. Auffaffungen
mit einfeitiger oder hauptfachlicher Betonung des Genußmomentes
, B. Einfeitige oder hauptfächliche Betonung des
Darftellungsmomentes (parabolifch-fymbolifche Auffaffun-
gen). 6. Die Leugnung einer Stiftung des Abendmahles
(Spitta, Jülicher, Gräfe, W. Brandt). Bei diefer Einteilung
kehren naturgemäß diefelben Namen immer wieder.
Freilich hätte jede andere Einteilung auch ihre Nachteile
gehabt. Aber daß der Verf. die Anflehten vielfach nur