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Ausgabe:

1922 Nr. 22

Spalte:

477-478

Autor/Hrsg.:

Hoekstra, F.

Titel/Untertitel:

Geschiedenis der Philosophie. Eerste Deel: Oude Philosophie 1922

Rezensent:

Schmidt, J. V.

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Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 22.

478

fchichte in kleinen Einzelunterfuchungen mit bekannter
holländifcher Belefenheit behandelt. Als Ergebnis wird
eine Synthefe von Kahler und Herrmann vorgetragen.
Die Stellung der ,Weltanfchauungsreligion', der .natürlichen
(Humanitäts) Religion', der .philofophifchen Religion', der
.Myftik-', des .pragmatifchen Pluralismus' zur Gefchichte
wird im erften Teil abgelehnt. In 5 weiteren gefchicht-
lichen und fyftematifchen Appercus (Gefchichte, Heils-
gefchichte, Wunder, das Überhiftorifche, die Vollendung)
foll durch eine Synopfe von Kierkegaard, Herrmann,
Kahler, von dem Engländer Forsyth u.a. die hiftorifch-über-
hiftorifche Wirklichkeit des .lebendigen Herrn' als Objekt
des irrationalen Erlebens herausgeftellt werden. Alle
in Betracht kommenden Fragen, von der Gefchichtsauf-
faffung der Primitiven bis zur jüngften Debatte über den

voiaufgehende und das Gefchehcn beftimmende Urfache, gilt im vollen
Maße. Aber das Kaufalitätsgcfetz ift nicht im Widerftreit mit dem Satz,
daß in das Syftem von causae efticientes und causae finales eine höhere
causa(!) nämlich Gott eingreift und den Lauf des Gefchehens beftimmt.
(*. 45)

Doch ift vielleicht zu hoffen, daß die weiteren Bände
nicht nur gefchickt in den philofophifchen Stoff, fondern
auch in die philofophifche Problematik felbft einführen,
nicht nur bis zum Leibe, fondern auch bis zur Seele des
Objekts vordringen.

Bonn. Schmidt.

Gleichen-Rußwurm, A. v.. PhilorophiTche Profile. Erinnerungen
und Wertungen. (173 S.) kl. 8". Stuttgart, Strecker u. Schröder
1922.

So follte nicht über l'hilofophie gefchrieben werden; diefer ver-
nünftige, gemäßigte, laue Plaudcrton ift der Größe des Gegenftandes
Wunderglauben werden geftrelft, wobei auslandliche Ihe- j durchaus unangemeffen. Die zuweilen geiftreichen Cberfchriiten, die

ologen (in 6 verfchiedenen Sprachen) viel zitiert werden. 1 irgendeinen Mann charakterifieren follenj lafTen wenigftens wirklichen

— Als Beweis einer liebevollen Befchäftigung mit dem | Geiftreichtum der Ausführung erwarten: umfonft; das Durchfchnittsniveau

Problem ift das AUiftifi^r gefcMebeneBuch *Zeagpi. ^hTt^^n!^^^^V^^^

für den FÖQ des Verfaffers. Das Problem felbft wird fo Ueht dic!-e ,dee fo(,ar unter dem Niveau de(Tenj «JV"J*ocom wird.

nicht gefördert. Denn die einfache Verfenkung des ,Un- des 20. Jahrhunderts dem 19. gegenüber durchfchaut hat. Es zeigt Geh

löslichen Dualismus' von Glauben und Wiflen in die ir- in diefem Buch fo recht, daß man ohne entfchloffene Stellungnahm ■

rationale Erfahrung durch einen Kierkegaard'fchen Sprung 'nncrbalb der gefchichtlichen Vielheit nicht einer einzigen Erfcheinung

löft oder klärt die? Frage nicht, fondern zerbricht L ^L™*™ ^ f°ndern '»

Bonn. Schmidt.

Hoekstra, Dr. F.: Geschiedenis der Philosophie. Eerste
Deel: Oude Philofophie. (VIII, 218 S.) 8". Kampen,
I. H. Kok 1921. Fl. 3.25; geb. Fl. 4.60

Diefe Gefchichte der alten Philofophie von den Vorfo-
kratikern bis zum Neuplatonismus macht nicht den An-
fpruch, inhaltlich etwas Neues zu enthalten. Sie will ein Hilfsbuch
für Studenten fein, ein Repetitorium fürs Examen,
ja fogar einem philofophifchen Laienpublikum die erfte
Bekanntfchaft mit der Philofophie vermitteln. Zu diefem

pädagogifchen Zweck eignet fich das 215 Seiten ftarke
Buch vorzüglich. Hoekstra macht den Verfuch, und er
gelingt zumeift, nicht nur die Philofopheme, fondern auch
die Geftalten der Philofophen deutlich zu zeichnen. Zahlreiche
glückliche Zitate unterftützen die Ausführungen
mit plaftifcher Anfchaulichkeit. Die Fo-mulierungen find
oft klar und knapp, zum Auswendiglernen fehr geeignet;
z. B. beim Abfchluß des Abfchnitts über die Sophiften:
,De Sojihistiek is alzoo in de kennistheorie seepticistisch,
in de ethik relativistisch, in de religieleer agnosticistisch'.
Auf die Darftellung eines einheitlichen Auftriebes in der
griechifchen Philofophengefchichte wird verzichtet. Hie
und da nur glaubt man Hegelfchen Einfluß zu fpüren.
Die Literaturangabe holländifcher, englifcher, deutfeher
Werke geht bis zum letzten Jahre und ift gut.

Aber an eigentlichem philofophifchem Denken kann
der Lefer aus diefer Gefchichte der Philofophie _ wenig | Weisheit

Deycke, Georg: Kants Einführung in die Kritik der reinen
Vernunft, in neues, reines Deutfch überfetzt. (135 S.)
8°. Lübeck, Coleman 1921.
In letzter Zeit mehren fich die Verbuche, Kants Werke
in ,reines Deutfch' zu übertragen und fo einem weiteren
Leferkreife zugänglich zu machen. Der eine denkt an
die Gebildeten überhaupt, er ,überfetzt' für die einfeltigen,
layen, nit für die gelerten" (Luther), der andere will jedem
Deutschen, der denken will und kann, die gewaltige Gei-
ftesarbeit Kants zugänglich machen. Beide wollen nicht
fo fehr der Wiffenfchaft als Kant und feinen Lefern dienen
. Solche Verbuche Rheinen auf den erften Blick anerkennenswert
zu fein. Aber eine nähere Betrachtung
diefer „Verdeutfchungen" führt zu einem vernichtenden Ur-
teilundzu völliger Ablehnung. Es muß fchon fehr bedenklich
(timmen, wenn der eine Verdeutfcher (Stapel) dem, deffen
geiftige Spannweite noch ungeübt ift, empfiehlt, erft einen
Abfatz derÜberfetzung und dann den entfprechenden Abfatz
bei Kant felbft zu leben! Geradezu kläglich aber ift bei näherer
Prüfung die neue Form(!) des anderen (Deycke). Im
Text find nur belanglofe Kleinigkeiten geändert (veraltete
Wörter, Interpunktion); das Hauptgewicht ift auf
die Überfetzung der Termini gelegt. Gerade diefe Übertragung
der Termini aber zeigt deutlich das grundfätz
lieh Verfehlte eines folchen Unternehmens. Einige Beifpiele
mögen genügen: Metaphyfik=Überfinnliche, Philofophie=

lernen. Die Maßftäbe, nach denen geurteilt wird, find : dogmatifch=fchulgläubig; a priori unmittelbar, uiffprüng
reichlich primitiv und maffiv. Das ungeheure Problem j Hch;fubjektiv=perfönlich, objektiv=fachlich, foekulativ-&

z. B., das hinter dem fokratifchen Satze von der Tugend
als Wirten* fteht, kann doch nicht abgetan werden mit dem
Diktum, daß die Sokratifche Ethik rationaliftifch, eudä-
moniftifch und utilitariftifch ift. (S. 66 u. 67). Nicht daß das
hier vorliegende Problem nicht in voller Ausdehnung entwickelt
ift, muß dem Buch zum Vorwurf gemacht werden;
aber die tiefe Problematik der Sache felbft kommt überhaupt
nicht zur Darftellung. Vom philofophifchen ,Staunen',
das die Tiefe der Griechifchen Philofophie ausmacht, habe
ich auf den ganzen 200 Seiten nicht den geringften Hauch
verfpürt.

In grotesker Weife zeigt (ich das vor allem In den Vergleichen
der griechifchen Philofophie mit dem Chriftentum, die von apologetifchem
tntcreffe diktiert find. Nach Sätzen des .Wortes Gottes' wird z. B. der
Piatonismus gelobt wegen feiner Unterfcheidung der materiellen von der
immateriellen Welt, getadelt wegen feines ethifchen Dualismus und der
kehre vom leeren Raum (S. U2j.) Das geringe philofophifche Bathos
des Buches zeigt fich in kraffer Weife in folgenden Sätzen, die über

gedanklich; Spekulationen=waghalfige Grübeleien; Prob-
lem=Aufgabe, fyftematifch==planmäßig, wiffenfehaftlich;
Skeptizismus=Zweifelfucht; Genie=Geift; kritifch=ftreng
prüfend; Idealität=Vorftelligkeit(!); tranfzendental=urge-
fetzlich ufw. Aus der Urteilstafel: kategorifch ufw. =
fraglich, behauptend, unfehlbar ufw. Ich habe den
Eindruck, daß ein Laie das „gereinigte" Deutfch erft
dann verlieht, wenn er — den Urtext mit feinen ihm
meift geläufigen Terminis zuhilfe nimmt. In den meiften
Fällen verlieht er die deutfehen Wendungen erft mit
Hilfe der Termini. Eine Lektüre einzelner Abfchnitte
zeigt vollends das Verfehlte diefer Verfuche. Um
Kant zu verliehen, muß man gründlich Philofophie und
ihre Gefchichte (mit Einfchluß der Gefchichte der Termini
) ftudieren. Mit folchen verfehlten Reinigungsver-
fuchen ift es nicht getan. Da ziehe ich doch die Methode
von E. Marcus vor. Der führt durch fachliche Verein-

Dcmokritgcfagt werden: Nun ift ohne Zweifel feine (D.s) Auffaßung von j * p* " ~~S^J^TvÄT **"*""c. vclcl."-

der Unmöglichkeit eines urfaehlofen Gefchehens vollkommeu richtig, lachung und Verdeutlichung in die Grundprobleme ein
das Kaufalitätsgcfetz, d. h., daß es kein Gefchehen gibt ohne eine ihm I Bremen. Bruno Jordan.