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Ausgabe:

1922 Nr. 22

Spalte:

469

Autor/Hrsg.:

Landersdorfer, Simon

Titel/Untertitel:

Die Psalmen 1922

Rezensent:

Sellin, Ernst

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Seite 1

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469 Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 22. 470

Diefes Werkchen allein fchon würde genügen, den Namen des Dahingegangenen
auf lange lebendig zu erhalten, fo wenig eigenen wiffen-
fchaftlichen Wert es hat, da, wenn das auch nicht erwähnt wild, die
Vor-Upanisad-Stellen (S. 3—18) aus D's Aligem. Gefch. der Philos.
I, 126—335 und die Upanisad-Stellen (S. 21—214) aus D's ,Sechzig
Upanishad's des Veda überfetzt', Leipzig 1897, wieder abgedruckt find,
von welchen Werken aber ein Abglanz natürlich auch auf diefes Büchlein
fällt, das noch immer nach tieffinn'gen Gedanken Dürftenden aufs ! derfelben Höhe fteht die Überfetzung von itiaovi avov mit Jefus von

feffor der Philologie' eine Ungeheuerlichkeit und fpielt fich als Beffer-
wiffer auf, indem er behauptet, daß gegen diele Erklärung fchon die
Akzente fprächen, denn Anubis würde mit einem Zirkumflex auf der
zweiten Silbe gefchrieben, im Original flehe aber "Avov. Herr v.
d. PI. weiß alfo nicht einmal, daß fämtliche griechiiehen Urkunden
überhaupt keine Akzente aufweifen; auch könnte ihn jedes griechifche
Lexikon belehren, daß Anubis niemals einen Zirkumflex trägt. Auf

wärmfte empfohlen werden darf

Königsberg i. Pr. R. Otto Franke

Anu'. Selbft wenn avov ein vollftändiges Wort wäre, könnte es niemals
die Stadt Anu (= Hcliopolis) bedeuten, denn i) ift die Umfchrei-
bung der alten Hieroglyphen hvmv mit Anu eine moderne Mache des
Lauth, da er die Halbkonfonanten für Vokale anfah, 2) ift diefe Um-

^■Üa^A'tf tr**&2. Ä/ftL JÄf* Reibung falfch, da an erfler Stelle niemals ein a geftanden hat,

deutfeh. (416 S.) 8°. Regensburg, Köfel & Puffet 1922
Das vorliegende Buch, das den Pfalter in einer felbftändigen, über

dem ein u oder o; auch war der letzte Halbkonfonant längft verfchwun-
den, wie das hebräifche On beweift; 3) der alte Name der Stadt war

all auf einer wiffcnfchaftlichen Durcharbeitung beruhenden deutfehen [ zu chrifti Zeit durch den griechifchen Namen Heliopolis verdrängt, daher
Überfetzung und in der der Vulgata unter Anfügung der 14 Cantica 1 kann Anu weder in einem griechifchen noch in einem koptifchen Ori-
des römifchen Breviers darbietet, ift aus dem Beftreben hervorgegangen, , Kjnaie vorkommen, 4) war die Stadt nach dem Berichte des Strabo
das altteftamcntliche Gelang- und Gebetbuch dem Verftändnis des ge- 1 Geograph. XVII, 27 fq. bereits um 25 v. Chr. verödet, die Tempel wa-
bildeten Katholiken der Gegenwart näher zu bringen, und zweifellos ift j rcn verlaffen, die Hochfchule gefchloffen, und 5) wurden nach den
es für diefen Zweck durchaus geeignet. Kurze Einführungen und Be- Berichten des Herodot und Strabo nur mathematifche und aftronomifche
merkungen zu den einzelnen Liedern bereiten das Verftändnis vor und ! Studien auf der Prieftcrfchule getrieben. Deshalb ift Jefus als Student

der Medizin auf der Hochfchule von Anu die dreifte Erfindung eines
Romanfchriftftcilers, der fchon durch diefen Reinfall als Fälfcher entfördern
es. Mit der durch den Zweck gebotenen Befchränkung, Vorficht
und Befonncnheit find die ficheren Refultate der Kritik und Textkritik

aufgenommen, und es wird ja wohl keiner leugnen können, daß das | iarvt je,. Was fonft der edle Herr fich an blühendem Unfinn in diefem
rcligiöfe Verftändnis der Pfalmen durch diefe nur gewinnt. Befonders j neucn Werke leiftet, überfteigt alle Begriffe. So z. B. überfetzt

lobend muß das ruhige, objektive Referat des Verfaffers über die Ent-
ftchungszeit der einzelnen Lieder hervorgehoben werden, obwohl diefer
felbft fich ficher etwas zu ftark von der Tradition leiten läßt, wenn er
meint, daß tatfächlich gut die Hälfte der Pfalmen auf David zurückgehe
, wenn fie auch zum Teil fpätcr überarbeitet feien. Der Hinweis
auf die Entfcheidung der Bibelkommiffion vom I. Mai 1910 in diefen
Fragen (S. 50) ift glücklicherweife vereinzelt geblieben.

Berlin. E. Sellin.

Planitz, Ernft Edler von der: Jefus von Anu. Meine Entdeckung

über Jefus in einer heidnifchen Schriftrollc aus der Urchriftenzeit.

(128 S.) kl. 8°. Berlin, A. Piehler & Co.
Warncke, Paftor W.: Was ift der Benan-Brief? Eine Antwort.

(16 SV) kl. 8». Berlin, A. Piehler & Co.
Für die Wiffenfchaft ift' ficherlich der Fall v. d. Planitz erledigt,
nachdem fämtliche Kritiker meinen in Gcmeinfchaft mit Dr. Grapow
geführten Nachweis, daß der Benanbrief die gemeine Fälfchung eines
Romanfchriftftcilers ift, anerkannt haben (vgl. Schmidt-Grapow: Der
Benanbrief, Eine moderne Leben-Jefu-Fälfchung des Herrn Edlen von
der Planitz. Hinrichs'fche Buchhandlung, 1921). V. d. PI. hat fich ein
Jahr Zeit gclaffcn, auf die fchweren Vorwürfe des literarifchen Betruges
zu antworten oder — nicht zu antworten, denn in feinem Jefus von Anu'
erwähnt er die Angriffe mit keiner Silbe, fondern operiert ruhig mit
dem Benanbriefe als einer hiflorifchen Urkunde weiter. Freilich befitzt er
nicht mehr die Drciftigkeit, feine Publikation als eine direkte Überfetzung
eines koptifchen Originales anzupreifen, vielmehr g:bt er S. 31 die Erklärung
ab, er fei als Student von 19 Jahren in München mit Rabenau
bekannt geworden, fei von diefem 4 Semefter hindurch in die Materie
eingeführt, und feine damals nach deffen Erklärungen und Diklaten nie-
dergefchriebenen Notizen hätten 30 Jahre fpäter als Unterlogen zu der
Publikation des Briefes in deutfeher Sprache gedient. Das ift ohne
Zweifel eine bewußte Verfchleierung des wirklichen Tatbeftandes, daß
nämlich das ägyptologifche Material aus den veralteten Büchern feines Lehrers
, des Profeffors Lauth, zufammengetragen ift. Heute fucht er fein
Machwerk zu retten durch hiftorifche Stützpunkte, die unabhängig vom
Benanbrief entdeckt, und die den fachlichen Inhalt an der Hand anderer
noch vorhandener antiker Quellen erweifen follen. Dabei fallen
aber der famose Präfekt Ägyptens, der Sextus Afrikanus, und die herrlichen
Mofesnachrichtcn unter den Tifch. Statt deffen wird S. 47 ff.
mit großem Selbftgefühl die fo lange ängftlich gehütete Entdeckung aus
dem Anu-Papyrus vorgetragen.

Es handelt fich um eine Stelle des im Leydcner Reichsmufeum
aufbewahrten, von Albrecht Dieterich nach Leemanns neu herausgegebenen
griechifchen Zauberpapyrus (vgl. Neue Jahrb. f. Claffifche Philologie
16. Suppl. Heft 3, S. 747 ff-)- v-..d- leKl dcn griechifchen
Text mit (zurechtgeftutzter) deutfeher überfetzung vor. Er datiert
willkürlich die antike Originalhandfchrift auf die Zeit Benans, alfo auf
5o—80 n. Chr., obwohl die Herausgeber sie auf 300-350 n. Chr. an-
fetzen, wenn auch nach unfercr Meinung die Hd. bedeutend älter ift.
Ebenfo unrichtig ift die Behauptung S. 4S, daß <H< fur d,e Anu-I-rage ent-
fcheidende Stelle tadellos erhalten ift; er unterfcblagt feinen Leferii,
daß der Text innerhalb der 3 Zeilen 3 Lücken aufweift und gibt keine
Lücke für die entfeheidende Stelle njooxq avov ... an. Lccmanns las
ävov[n] 4, Dieterich ergänzte *Arov[ßtc] '). Herr v. d. PI. ftellt letzteres
als unglücklichen Verbuch einer Abkürzung' des ägyptifchen Anubis
hin (S. 61) und imputiert damit unehrlicher Weife ,einem deutfehen Pro-

1) Prof. Preifendanz in Karlsruhe, der eine Gefamtausgabe der
griechifchen Zauberpapyri plant, hat nach freundlicher Mitteilung
ttVOVt . . . gelcfen und denkt an die zahlreichen unverftandenen Anrufungen
hinter der betreffenden Gottheit; er vergleicht im großen Pa-

rifer Zaubcrpapyjus Z. 2430: <l>p>'/ ni wi etc. I Pflicht, dem Schwindel ein Ende zu machen. In Gemeinfchaft mit

ben—ajin mit ,Sohn des Auges' und zugleich mit ,Sohn der Sonne'
(S. 66), oder er identifiziert den Hermes Trismegiftos mit dem im Benanbrief
genannten Sonncnpriefter Putiphra in Heliopolis, dem Ziehvater
Jefu !S. 69). Noch toller ift die Thefe S. 121 f., daß Paulus mit Jefus,
der nach feinem Abfchied von den Jüngern in Galiläa fich nach Damaskus
begeben habe, dafelbft zufammengetroffen fei, von ihm perfön-
lich gewonnen und 3 Jahre mit ihm in Arabien geweilt habe. Man
kann nur mit Verachtung lolche Ausgeburten der Phantafie betrachten,
aber leider fällt das gebildete Publikum auf diefe neuen Forfchungen
über Jefus herein. Schon hat ein Berliner Preßbureau die gefamte
Provinzialpreffe mit einem größeren Referat über diefe Auffehen erregenden
Entdeckungen überfchwemmt, und wird diefe Irreführung des
Publikums bald weidlich ausgenutzt werden. — Mit welchem Raffinement
die Reklame inszeniert wird, erfieht man aus dem Vertrieb der Bro-
fchüre des Paftors W. Warncke. Diefe ift keine Antwort auf unfere
Schrift, fondern ein Neudruck einer vor vielen Jahren erfchienenen Ab
handlung eines der feurigften Benanfanatiker. Einen befferen Aushänge-
fcbild konnte fich v. d. PI. garnicht wünfehen, denn wenn felbft ein
orthodoxer Theologe in Mecklenburg-Strelitz für die Echtheit des Benan-
briefes einfteht, wird nach Laienurteil die Sache fchon ftimmen. Da
lefcn wir denn auf S. 14: ,Der Benan-Brief ift trotz etwaiger Überarbeitung
und fpäterer chriftlicher Zufätze die großartigste Verteidigungs-
fchrift Chrifti aus heidnifcher Feder', und die Schlußworte
lauten : ,So ift denn das meine Meinung, daß der Benan-Brief nächst den
neuteftamentlichen Schriften eines der heften Werke ift, die jemals über
Jefus und die ersten Christen gefchrieben find'. Man lächelt ob der
Weisheit diefes ,betrogenen Betrügers', der von feinem Bufenfreund
zum ,Ncftor dcutlcher Theologen und Bibelforfcher' erhoben ift. Ha-
beat sibi.

Berlin. Carl S c h 111 i d t.

Schmidt, Prof. D. Dr. Carl u. Dr. Herrn. Grapow: Der Benanbrief.

Eine moderne Leben-Jefu-Fälfchung des Herrn Ernft Edler von der
Planitz. (Texte u. Unterteilungen etc. 44,1) (95 S.) 8». Leipzig,
J. C. Hinrichs 1921. Grundzahl 1,5

Menfcbliche Neugier, Luft am Geheimnisvollen, an Enthüllungen
ift unausrottbar und die Dummen werden nicht alle. Die Apokryphen
fpielen noch heute eine weit größere Rolle im Volk, als die Gelehrten
ahnen und glauben. Überfet/.ungeii des 17. und 18. Jahrhunderts werden
immer aufs neue nachgedruckt. Ein aus dem Amerikanifchen über-
fetztes Leben Jefu, das im Stil Vcnturinis mit effenifchen Drahtziehern
hinter der Bühne operiert, hat im Mazdaznan-Verlag die 6. Auflage erlebt
. Wenn ein franzöfifchcr Benediktiner Dom Etiennc Darlcy 1919
für die Echtheit nicht nur der Pilatus-Akten, fondern der ganzen daran
anfchließenden Literatur, Cura Sanitatis Tiberii, Vindicta Salvatoris
ufw. eintritt, fo wundert man fich nicht, daß in Mecklenburg manche,
fogar Gebildete, Geiftliche, auf eine Fälfchung hineingefallen find, die
der Kundige fofort als folche erkennt und mit Nie. Notowitfch's Lücke
im Leben Jefu auf eine Linie ftellt. Ich meine den 1910 erfchienenen
fog. Benan-Brief, angeblich von einem Zeitgenoffen Jefu, dem ägyptifchen
Arzt Benan an feinen Freund Straton im J. 83 gefchrieben, worin
über Jefu Jugend und Wunder, Tod und Auferftehung fowie über die
Anfänge des Chriftentums gehandelt wird. Schon die Inhaltsangabe
genügt zum Beweis, daß es eine moderne literarische Fälfchung ift:
diefer Benan erlebt alles das, wovon wir zufällig lilerarifche Kunde
haben: er trifft Philo, Vcronica mit ihrem Schwcißtuch, Paulus und
Seneca, entkommt beim Vefuvausbruch auf einer Galeere des Plinins.
So hatte denn Jülicher die Fälfchung in der Chrifti. Welt 1912 mit
gebührender Kürze abgetan; inzwifchen ift aber die Propaganda weitergegangen
, die Benan-Serie ift auf 5 Bände angewachfen; fo hielt C.
Schmidt, der befte Kenner der koptifchen Apokryhen, es für feine