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Ausgabe:

1922 Nr. 21

Spalte:

460-461

Autor/Hrsg.:

Geyser, Joseph

Titel/Untertitel:

Intellekt oder Gemüt? Eine philosophische Studie über Rudolf Ottos Buch “Das Heilige” 1922

Rezensent:

Winkler, Robert

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Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 21.

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Wynen, Dr. Artur: Die Rechts- und insbelbndere die Vermögensfähigkeit
des apoftoli fchen Stuhles nach internationalem Recht.

(Das Völkerrecht, 8. u. 9. Heft.) (XVI, 120 S.) 8°. Freiburg i. B.,
Herder 1920.

Unter dem Titel „Das Völkerrecht" gibt Ebert im Auftrage der
Kommiffion für chriftliches Völkerrecht Beiträge zum Wiederaufbau
der Rechts- und Friedensordnung der Völker heraus. Ob fich folche
Friedenshoßhungen jemals verwirklichen werden, muß die Zukunft
lehren. Die Beziehungen der Völker zueinander werden zumeift durch prak-
tifche oder andere Erwägungen mehr beftimmt, als durch die beftge-
meinten und beftaufgebauten Theorien.

Einen praktifchen Beitrag zum Völkerrecht liefert Wynen. Die
völkerrechtliche Stellung des Apoftolifchen Stuhles ift von jeher ein
beliebtes und umftrittenes Thema der völkerrechtlichen Literatur ge-
wefen. Der VerfafTer erläutert diefen Fragenkomplex an einer praktifch
befonders wichtigen Einzelerfcheinung, der Rechts- und insbefondere
der Vermögensfähigkeit des Apoftolifchen Stuhles im internationalen
Recht. Er bejaht die Frage, wie es auch die Kirche wieder im Codex
iuris Canonici tut, und begründet feinen Standpunkt unter Heranziehung
eines ftreng wiffenfchaftlichen Apparates. Die Beifpiele für die Anerkennung
feiner Theorie durch die Staaten find allerdings mehr inner-
ftaatlicher, wie völkerrechtlicher Art. Freilich liegt die Bedeutung der
Rechtsfähigkeit — wenigften der privaten — gerade auf dem Gebiete
des Rechtes der Einzelftaaten, man denke an die Erbfchaftsprozeffe,
und mit der Anerkennung der Vermögensfähigkeit würde manche juri-
ftifche Unklarheit vermieden und doch den Intentionen der Schenker
oder Erblaffer beffer entfprochen werden, als durch das Gegenteil.
Erlangen. E. Sehling.

Freifen, Konf.-Rat, Prof. D. Dr. Jofeph: Das Ehefchließungsrecht

in Spanien, Großbritannien und Irland und Skandinavien (Dänemark
mit Schleswig-Holftein, Schweden, Norwegen und Finnland)
in gefchichtlichcr Entwicklung mit Abdruck vieler alter Urkunden.
2. Bd.: Das Ehefchließungsrecht Großbritanniens und Irlands
nach den angelfächf. Gefetzen, den angelfächf. Bußbüchern, den
mittelalterl. engl. Ritualbüchern, dem Book of Common Prayer, den
Zivilehegeletzen und dem heutigen kathol. Ritus. (Veröffentlichg. der
Görres-Gefellfchaft, Sektion f. Rechts)- u. Sozialwiff., 35. Heft.)
(VIII, 272 S.) gr. 8°. Paderborn, F. Schöningh 1919. M. 16—
Der verdiente Gelehrte bietet in dem zweiten Bande feines großen
Werkes das Ehefchließungsrecht Großbritanniens und Irlands in bekannter
Meifterfchaft. Viele Ileilagen erhöhen noch den Wert der Unter-
fuchungen.

Erlangen. E. Sehling.

Gredt, Jos., O. S. B.: Elementa Philofophiae. Aristotelico-Thomi-
sticae. Vol. I: Logica. Philosophia naturalis. Vol. II: Melaphysica.
Ethica. (XX, 443 u. XV, 393 S.) gr. 8«. Freiburg i. Br., Herder & Co.
1921.

In der dritten Auflage des bekannten ,Schulbuches' find mancherlei
Verbefferungen und Zufätzc zu verzeichnen. Von befonderer Bedeutung
erfcheint mir eine eingehendere Erörterung des Wertes und der
Objektivität der menfehlichen Erkenntnis und eine ftärkere Berückfichti-
gung der neueren Lehren von der Zufammenfetzung der Materie, foweit
Ire philofophifch wichtig erfcheinen. Im übrigen hat das Buch, das
außerordentlich klar gefchrieben ift, feinen Charakter durchaus bewahrt.
Außerhalb der katholifchen Unterrichtsweife ift es freilich ohne jede
Bedeutung, zum Unterfchied von dem bekannten Lehrbuch von Lehmen
und mehr noch der ausgezeichneten Metaphyfik von Baur, die zeigt,
daß (nach Bäumkers Worten) eine Fortentwicklung der von Plato und
Ariftoteles begründeten, von der Patriftik im chriftlichen Sinne geftal-
leten, von der Scholaftik, insbefondere Thomas von Aquino ausgebauten
, von Leibniz im wefentlichen feftgehaltenen philofophia perennis fehr
wohl möglich ift ohne Preisgabe der Grundlagen und Hauptfätzc, wenngleich
natürlich felbft hier nur feiten die eigentliche Problematik der
neueren Philofophie tiefer berührt wird.

Bremen. Bruno Jordan.

Ettlinger, Prof. Dr. Max: Leibniz als Gefchichtsphiloloph.

Feftrede bei der 50jährigen Reichsgründungsfeier der
Weftfälifchen Wilhelms-Univerfität zu Münfter am
18. Januar 1921. Mit Beigabe eines bisher unveröffentlichten
Leibnizfragmentes über „Die Wieder-
herftellung aller Dinge". (34 S.) gr. 8°. München,
J. Kofel & F. Puffet 1921.
Die kleine Schrift emhält einen Neudruck der in der
Zeilfchrift „Hochland" im Aprilhefte 1921 zuerft abgedruckten
Feftrede des Venaffers bei der 50jährigen
Reichsgründungsfeier der Weftfälifchen Wilhelms-Uni-
verfität zu Münfter, in der Ettlinger die Hauptgedanken
der Leibnizifchen Gefchichtsphilofophie treffend darftellt.
Hier zeigt fich Leibniz als „patriotifcher Deutfcher", der
das Reich ungeteilt erhalten wiffen will. Denn gerade
Deutfchland muß nach feiner hiftorifch begründeten
Überzeugung zum Kriftallifationspunkt werden für die

große entwicklungsnotwendige Verföhnung der feindlichen
Brüder in der europäifchen Völkerfamilie, für die Beilegung
des Zwiftes zwifchen den germanifchen und romanifchen
Nationen, der feit Karls des Großen unebenbürtigen Nachfolgern
das chriftliche Abendland fo unheilvoll zerklüftet.
— Der Verfaffer hat der Rede beigegeben ein bisher
unveröffentlichtes Leibniz-Fragment: „Von der Wiederkehr
des Gleichen", im lateinifchen Urtext nebft deutfcher
Überfetzung nnd Erläuterungen.

Berlin. Artur Buchenau.

Fichte, Johann Gottlieb: Einige Vorleuingen über die Beftimmung
des Gelehrten. (Jenaer Vorlefungen 1794) Neu herausgeg. von
Fritz Medicus (der Philofophifchen Bibliothek Band 127c) (61 S.)
8°. Leipzig, Felix Meiner 1922. Grundzahl 1,8

Die Zufätze, durch die diefer Neudruck der Jenenfer Vorlefungen
von 1794 vermehrt ift, flammen aus der dänifchen Ausgabe von 1796
und find zuerft mitgeteilt von Hans Schulz (Kantftudien XXV Heft 2/3).
Einer von diefen Zufätzen gibt eine Kritik am Eudämonismus: Luft
ift Erzeugnis, nicht Erzeugerin des Triebes. Ein anderer fchränkt die
Lehre vom Einfchlafen des Staates in gewiffer Weife ein und darf von
Darftellern der Staatslehre Fichtes nicht überfehen werden.

Warum in aller Welt hat Medicus nicht aus Hale's Jenaifchem
Fichtcbücblein die dort S. 59—75 mitgeteilte und fall unzugängliche
Schlußvorlefung gleichfalls neu gedruckt?

Göttingen. E. Hirfch.

Schriften Franz von Baaders. Ausgewählt und herausgegeben von
Max Pulver. (Der Dom. Bücher der deutfehen Myftik). (XV,
365 S.) gr. 8°. Leipzig, lnfel-Verlag 1921.

geb. M. 60—; in Halbperg. M. 90—.

Diefe Auswahl fchließt aus 1. alle ftaats- und kirchenpolitifchen
Schriften, 2. alle philofophifche Auseinanderfetzung mit der kantifchen
und idealiftifchen Philofophie, 3. die Bearbeitung und Erklärung J.
Böhme's, 4. alle naturwiffenfehaftlichen Schriften. Es ift der zeitlos
gemachte Gnoftiker Baader, der uns vorgeführt wird. Im Mittelpunkt
der Auswahl lieht Baader's Hauptwerk, die Fermcnta (cognitionis) (S. 84—
226), leider auch fie verftümmelt. Von den ihnen vorhergehenden Auf-
fätzen find u. a. aufgenommen: ,Analogie des Erkenntnis- und des
I Zeugungstriebes', ,Begründung der Ethik durch die Phyfik'. Von den
nachfolgenden Auffätzen feien hervorgehoben: ,Sätze aus der erotifchen
Philofophie', ,Vierzig Sätze aus einer religiöfen Erotik', ,Alle Menfchen
lind Anthropophagen', ,Über den paulinifchen Begriff des Verfehenfeins1.

Für ein wiffenfchaftliches Studium Baader's oder feine Nachwirkungen
reicht die Auswahl nicht ganz aus. Da dürfte die Schrift
über das Proletariat und die Auseinanderfetzung mit Kant und dem
Idealismus nicht fehlen. Auch müßten die Ausladungen kenntlich gemacht
und die Seitenzahlen der großen Ausgabe angegeben fein. Gern
würde der Gelehrte für ein wenig mehr Gediegenheit in feinem Sinne
ein gut Stück der vornehmen Ausftattung dran geben. Der Infelverlag
hat nicht den feinen Sinn des Diederichs'lohen Verlags dafür, daß eine
fchöne Ausgabe auch eine gründliche Ausgabe fein muH.

Schließlich aber, das Gebotene ift immerhin nicht wenig, und es
ift genug, um Baader's Spekulation in den Grundzügen kennen zu lernen.
Göttingen. E. Hirfch.

Geyfer,Prof.Dr.Jofeph: Intellekt oder Gemüt? Einephilofo-
phifche Studie über Rudolf Ottos Buch „Das Heilige".
(50S.) kl.8°. Freiburgi.Br.,Herder&Co., 1921. M. 16.—
Der Verfaffer gibt eine gedrängte Überficht über den
Hauptinhalt von Ottos Buch. Maßgebend für feine Dar-
ftellung und Kritik ift das Problem: Intellekt oder Gemüt
? Genügt der Gebrauch der Verftandeskräfte allein,
um fich Gottes bewußt zu werden, oder bedarf es dazu
eines irrationalen Erlebens? Einfacher: Ift in Dingen der
Religion Vorftellung oder Gefühl das Primäre? G. erkennt
als Katholik den religiöfen Vorftellungen den
Primat zu. Die Gefühle könne man fchon wegen ihrer
Subjektivität nicht zum letzten, eigentlichen und einzigen
Fundament des Wichtigften und Notwendigften der ge-
famten Kultur machen, der Religion des Chriftentums.
Nach Otto aber ift die religiöfe Vorftellung nur eine
nachträgliche rationale Schematifierung irrationalen Er-
lcbnisgehaltes, des Gefühls. Mit einer folchen Gefühls-
theorie der Religion find notwendig zwei auch von Otto
geteilte Voraussetzungen gegeben. Einmal: es muß eine
eigene, von jeder anderen qualitativ verfchiedene Art
religiöfer Gefühle geben, eine befondere pfychifcheFunktion
für die Religion. Statt diefer pfychologiftifchen Annahme
ift es aber nach G. einfacher zuzugeftehen, daß die angeblich
qualitative Einzigartigkeit der religiöfen Gefühle aut