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Ausgabe:

1922 Nr. 21

Spalte:

454-455

Autor/Hrsg.:

Geyer, Bernhard

Titel/Untertitel:

Peter Abaelards philosophische Schriften. I. Die Logica “Ingredientibus”. 2. Die Glossen zu den Kategorien 1922

Rezensent:

Seeberg, Reinhold

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Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 21.

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zeichnet. Vannutelli hebt hervor, fo werde er vom
,Chriftenvolk' genannt. Ich kannte diefen feinen Titel
nicht und fehe zu meiner Beruhigung, daß das Kath.
Kirchenlexikon2 III, das eine lange Lifte all der Theologen,
die als .Doctor' mit irgendeinem Adjektiv (angelicus,
christianissimus, seraphicus etc. etc., der Artikel a. a.
O., S. 1867m nennt etwa 80!) fpezifiziert find, den hl.
Hieronymus garnicht mitaufführt und zwar einen Doctor
magnus s. universalis (Alanus von Ryffel) kennt, aber
keinen Doctor maximus. Es wäre alfo am Ende nicht
überflüffig gewefen, den Gefeierten am 30. Sept. 1920
eigens dazu zu ,promovieren'. Freilich,Doctor ecclesiae',
Kirchenlehrer in ausdrücklicher päpftlicher Anerkennung,
ift er fchon feit 1298.

An der Spitze der Auffätze finden wir von A. Vaccari
S.J. eineUnterfuchung über Leantiche vite di S. Girolamo.
Bekanntlich haben diefe Viten nur geringen Wert; der
Biograph muß fich an die Notizen in den Briefen oder
fonftigen Werken des H. und feiner Korrespondenten
etc. halten. Gleichwohl ift V.'s Studie nicht ohne Belang;
fie verflicht das Verhältnis der drei ,alten' Stücke, um
die es fich handelt, zueinander genauer feftzuftellen und
nicht minder ihr mutmaßliches Alter. Seinen Ausgang
nimmt er dabei von der ausführlicheren der beiden
Notizen (Berichte) in dem Chronicon des Marcellinus
Comes, d. h. dem Wortlaut im Cod. Tillianus, welcher
noch im 6. Jahrh. gefchrieben ift. In der Sache durch
die beftimmte Angabe über das Alter, das H. erreicht
hat, nur irreführend, auch fonft nachweislich auf Miß-
verftändniffen ruhend, gewährt diefer Bericht doch kritifche
Gefichtspunkte. Diejenige Vita, die Mabillon dem Genna-
dius zufchrieb, erweift fich für V. mit neuen guten Gründen
als dem 9. Jahrh. entflammend. Eine zweite, die
ihrerfeits wieder in doppelter Form vorliegt, die die
Löwengefchichte enthält, ift wieder etwas jünger, eine
dritte gar erft aus dem 12. Jahrh. (zwei, die Grützmacher
noch erwähnt, läßt V. mit Recht einfach bei Seite). —
Es folgt eine Arbeit von Franc. Lanzoni über ,La leggenda
di S. Girolamo'. Sie berührt fich zum Teil mit der von
Vaccari und führt übrigens in ein Geftrüpp hinein, das
im einzelnen kaum zu durchdringen ift. Der Ruhm des
Heiligen geftattete dem Mittelalter (ja auch fchon dem
ausgehenden Altertum), ihm immer mehr Schriften zu-
zufchreiben, ihn vor allem auch für den Veranlaffer oder
eigentliche Autorität neuer liturgifcher Bräuche auszugeben
etc. Natürlich fteigert fich auch daslntereffe für die
miracula Hieronymi immer mehr. Vollends feit um 1400
mehrere Eremitenkongregationen, die fich nach ihm
nannten, entftanden find.

Die dritte Studie, von L. H. Cottineau, O. S. B,
.Chronologie des versions bibliques de St Jerome'
(S. 43—68) berichtet in gefchickter Weife über den Stand
der Eorfchung nach der Entwicklung der fjberfetzer-
tätigkeit des H. Es ift nicht feine Abficht, diefe Eorfchung
felbftändig, fofern es geht, zu vertiefen, aber er zieht
überall die wirklichen Quellen mit heran. In ähnlicher
Weife berichtet des weiteren L. Fonck S.J. ,De Hiero-
nymo interprete ejusque versione quid censeant auctores
recentiores' (69—87). Das Anfehen des H. als Überfetzer
oder Textkritiker ift ohne Frage je länger je mehr bei
den neueren Forfchern geftiegen (zumal das Urteil über
den Wert der von ihm adoptierten Lesarten im N. T.).
In feiner Weife fucht im nächften kleinen Auffatz
A. Cond am in S. J. ,Un prpccde literaire de St. Jerome
dans sa traduction de la Bible' (S. 89—96) das Anfehen
der Vulgata dadurch zu erhöhen, daß er auf allerhand
befcheidene Feinheiten des H. beim Überfetzen aufmerkfam
macht. Er fcheint den Spruch Luc. 16,10 dahin erweitern
zu wollen, daß wer ,im kleinften' fein fei, auch Vertrauen
beanfpruchen dürfe, im Großen als fein befunden zu
werden.

In ein anderes Gebiet der Arbeiten des Heiligen führt
P. Batiffol ,Les sources de l'Altercatio Luciferiani et

Orthodoxi de St. Jerome' (S. 97—114). Indem er die
gefchickte fcenifche Aufmachung des Schriftchens nachweift
, ermittelt er als ficher benutzt ein Diktum des
Hilarius von Poitiers, dann zumal die libelli des Luci-
ferianers Hilarius, Briefe Cyprians, aber auch die fälfch-
lich Tertullian zugefchriebene Schrift .Adversus omnes
haereses (die damit als a. 382 bereits exiftierend ficher
erwiefen werde). Befonders wertvoll ift der Nachweis,
daß H. auch die offiziellen Akta des Konzils von Rimini
benutzt. Dagegen habe er ficher keine Acta des Konzils
von Nicaea zur Hand gehabt, wie er anzudeuten fcheinen
könne. — Zur gleichen Kategorie gehören die .Analecta
Hieronymiana et patristica', welche A. Amelli O. S. B.
(S. 157—180) beifteuert. Zu einem Teil handelt es fich
um kritifche Beiträge, zu einem andern um Eigenfunde,
die beweifen, wieviel Material für eine wirklich vollftändige
Hieronymusausgabe noch verfteckt ift. — ,Sur le marty-
rologe dit de St.Jerome' handelt, S. 219—226, L.Duchesne.
Der nun faft achtzigjährige Doctor maximus in archäolo-
gifchen, fpeziell liturgischen Gefchichtsfragen faßt da
lebendig und klar zufammen, was ihm feine faft vierzigjährige
Befchäftigung mit dem fog. Martyrologium Hiero-
nymianum an Refultaten und Problemen ergeben habe:
der kleine Auffatz gehört zu den lefenswerteften in dem
Werke.

Auch die weiteren Auffätze lprechen durchaus an,
fei es durch Gelehrfamkeit, fei es durch irgendwelche
fonftige Vorzüge. Sehr freimütig ift die Beleuchtung des
i berühmten .Traumes' des Hier., der ihn frei machte von
feinen blos .weltlichen' Studien: P. de Labriolle, ,Le
songe de St. Jerome', S. 227—235; die Erzählung fei aus
der Art zu verliehen, wie die Zeit es liebte, geiftige Vorgänge
zu .poetifieren'. Labriolle bringt fehr inftruktive,
überzeugende Parallelen; Hier, felbft werde nicht daran
gedacht haben, daß man, daß Euftochium, der er fein
Erlebnis berichtet, es einfach wörtlich als ein folches
hinnehmen werde.

Im weiteren notiere ich nur noch die Titel, die ja
meift ausreichen, um diejenigen aufmerkfam zu machen,
welche nach ihren eigenen Studien dafür intereffiert find:
J. Schuft er, L'influenza di S. Girolamo sui primordia
della vita monastica in Roma, S. 115 —122. J. Zeiller,
Saint Jerome et les Goths (Brief an Frithila nnd Sunnia;
bei Hilberg Nr. 106). — F. M. Abel O. P., Saint Jerome
et Jcrufalem, S. 131—155 (über die Art des Intereffes,
das Hier, an die heiligen Stätten führte und dort feft-
hielt, zumal auch foweit es .wiffenfchaftlich' war). —
G. Biafiotti, ,Le memorie di S. Girolamo in S. Maria
Maggiore di Roma' (S. 237—244, mit drei Tafeln);
P. D'Achiardi, Intorno a tre quadri della Pinacoteca
Vaticana rappresentanti S. Girolamo' (S. 245—252: mit
vortrefflichen Wiedergaben der Bilder von Giovanni Santi,
Leonardo da Vinci und Domenichino). — Card. N.Marini,
.Beatus Hieronymus doctrinae de Romanoruin Pontificum
primatu penes Orientalem Ecclesiam testis et assertor,
(S. 181—217)'; F. Bulic, .Stridon eluogo natale di S. Gira-
lamo' (S. 253—330); die letzte, bei weitem umfänglichfte
Abhandlung; B. identifiziert Stridon mit dem heutigen
Grahovopolje in der Ecke, wo Bosnien, Kroatien und
Dalmatien fich treffen).

Halle a. S. F. Kattenbufch.

Geyer, Prof. Dr. Bernhard: Peter Abaelards phiiofophifche
Schriften. I. Die Logica „Tngredientibus". 2. Die
Gloffen zu den Kategorien. (Beiträge z. Gefchichte
d. Philofophie d. Mittelalters. Texte und Unterfuch-
ungen. Bd. XXI, H. 2) (S. 111—305) gr. 8°. Münfter,
Afchendorfffche Verlagsbchh. 1921. Grundzahl 6

B. Geyer führt in diefem Heft feine überaus ver-
dienftvolle und wichtige Herausgabe der Logica „Ingre-
dientibus" des Abälard zu Ende, nachdem er in Bd XXI
Heft 1 dem erften Teil des Werkes hatte drucken laffen.
Diefer enthielt die Gloffen über die Ifagoge des Porphy-