Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1922 Nr. 20

Spalte:

429

Autor/Hrsg.:

Prochnow, Fritz

Titel/Untertitel:

Das Spolienrecht und die Testierfähigkeit der Geistlichen im Abendland bis zum 13. Jahrhundert 1922

Rezensent:

Sehling, Emil

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

429

Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 20.

430

gefchloffen hat, drückt fich viel vorfichtiger aus. S. 130:
in dem bekannten Gedichte ift doch nicht davon die
Rede, daß der Herzog von Bayern feine Klöfter höher
wertet als die filberfchweren Berge Sachfens, da es ja
heißt: mein Land fleht dem euren wohl nicht nach.
Öfter lehnt fich L. an Hauck an, auch ohne ihn zu nennen;
aber er verwäffert dann die Form und vergröbert die
Gedanken (S. 135. 179). Hauck hat die Politik der Päpfte
immer fo fcharf wie möglich herausgearbeitet; Laux ver-
fteht es, die Spitzen abzuftumpfen. An Klarheit
wird dadurch nichts gewonnen. Am feltfamften ift
fein Schlußurteil S. 255: „Indem er die verschiedenen,
einander feindlich gegenüberftehenden deutfchen Stämme
für eine einigende, große Idee, für den katholifchen Glauben
gewann, legte er auch den Grund für Deutfchlands Einheit
und Größe". Weiter S. 269: „Das Grab des hl. Bonifatius
ift in unferen Tagen wieder geworden, was es im
frühen Mittelalter war — der religiöfe Mittelpunkt Deutfchlands
, ein nationales Heiligtum". Ich kann nicht finden,
daß diefe neue Biographie des Bonifatius Befferes über
die Gefchichte und' Bedeutung des Mannes bietet als
Hauck in feiner Kirchengefchichte Deutfchlands geboten
hat und auch v. Schubert in feiner Gefchichte der chrift-
lichen Kirche im Frühmittelalter (i.Tl. 1917), die L. merkwürdigerweife
nicht zu kennen fcheint.

Kiel. G. Ficker.

Prochnow, Dr. Fritz: Das Spolienrecht und die Teltier-
fähigkeit der Geldlichen im Abendland bis zum 13. Jahrhundert
. (Hiftorifche Studien, Heft 136.) Berlin, fc.be-
ring 1919. (130 S.) gr. 8°. M. 5 —

Unter Spolienrecht verfteht man das Recht auf die
Spolien d. h. den Nachlaß eines Geiftlichen. In dem
Kampf zwifchen Kirche und Staat, Clerus und Laientum
fpielte diefes Spolienrecht, welches Könige und Herren an
dem Nachlaffe von Bifchöfen und niederen Geiftlichen
beanfpruchten, eine große Rolle. Die Arbeit des Verf.
ift im wefentlichen darauf abgeftellt, die rechtliche Grundlage
diefes Inftituts aufzudecken: es ift nicht nur eine
wirtfchaftliche Confequenz des Regalienrechts, es hängt
nicht mit der Unfreiheit und der daraus folgenden Teftier-
Unfähigkeit der Eigen-Geiftlichen zufammen, noch auch
mit der Unzuläfligkeit für den Geiftlichen zu Verfügungen
von Todes wegen aus Gründen des Lehnrechts, noch
mit dem Rechte des Herren an der vakanten Kirche.
Der Verf. erklärt das Sp. vielmehr aus den Grundfätzen
des gemanifchen Erbrechts und fchafft damit für die Beurteilung
des ganzen Inftituts eine wirkliche, juriftifche
Balis, die im Gegenfatz zu der bisherigen, auf rein kirchlichen
Quellen beruhenden Beurteilung das Spolienrecht
in einem ganz anderen Licht erfcheinen läßt. Eine fehr
gelehrte und tüchtige Leiftung.

Erlangen. Sehling.

Schröder, Prof. Dr. Alfred: Der Archidiakonat im Bistum
Augsburg. (135 S.) gr. 8n. Dillingen, Verlag d. Archivs
f. d. Gefchichte d. Hochftifts Augsburg 1921. M. 14 —
Angeregt durch Werminghoffs Arbeiten zur Verfaffungs-
gefchichte der deutfchen Kirche im Mittelalter hat fich
Schröder entfchloffen, die fc:rgebniffe eines dreißigjährigen
Studiums über den Archidiakonat im Bistum Augsburg
zu veröffentlichen. Eine entfagungsreiche Arbeit. Aber
dennoch flehen fie in keinem rechten Verhältnis zu der
vielen aufgewandten Mühe. Gewiß ift dem Verfaffer dann
beizuftimmen, daß auch der Archidiakonat in der Augsburger
Diözefe feine befondere Entwicklung hatte; aber
die unterfcheidenden Merkmale find noch nicht greifbar.
Rückfchlüffe aus fpälerer Zeit oder Vergleiche mit den
benachbarten Diözefen find noch kein tragfähiger Grund
zur Löfung diefer^Aufgabe. Auf viele fcVagen gibt es
bis jetzt nur ein non liquet. Darin liegt keineswegs ein
Vorwurf gegen den Verfaffer; er hat fcharffinnig die wenigen
Quellen foweit verwertet als es nur möglich war; aber I

j das Unvollftändige der Erkenntnis tritt immer wieder zu
Tage. Noch ift es nicht einmal möglich, die Zahl der
Archidiakone und ihre Sprengel genau zu beftimmen
und auch bei der Befchreibung ihrer Amtsbefugniffe —
fei es, daß es fich um ihre Gerichtsbarkeit oder ihre

| Verwaltungstätigkeit handelt — macht fich die Lückenhaftigkeit
des Materials immer wieder bemerkbar. Schröder
erklärt das Aufkommen des Archidiakonats in der Augsburger
Diözefe aus 2 Gründen. In dem Stadtarchidia-
konat fieht er ein Presbyterialarchidiakonat, entftanden
im Anfchluß an die Regel des Bifchof Chrodegang von
Metz; die Landarchidiakonate dagegen wurden von den
Bifchöfen in ihrem Kampf gegen das Eigenkirchenwefen
ins Leben gerufen. Dies dürfte zutreffend lein; denn mit
dem Sieg der bifchöflichen Gewalt und dem Untergang
des letzteren verfchwinden gleichzeitig die Landarchidiakonate
. Erhalten hat fich nur der Stadtarchidiakonat bis
zum Jahre 1891, an feine urfprüngliche Aufgabe zum
Schluffe allerdings wenig mehr erinnernd. Möge es dem
Verfaffer doch noch vergönnt fein, weiteres Material zur
Löfung der vielen Probleme, die gerade der Augsburger
Archidiakonat der fcorfchung ftellt, ausfindig zu machen.
Das wäre die belle Belohnung für dies entfagungsvolle
Studium.

Roth bei Nürnberg. Schorn bäum.

ThomaeAquinatiSjD.: Summaetheologiaepartislquaesliones
75—77 de essentia et potentiis animae in generali una

cum Guilelmi de La Mare correctorii articulo 28.

Ed., adnotavit, praefatus est D. Dr. Bernardus Geyer.

(Florilegium patristicum, Nova series XIV.) XX, 66 S.

gr. 8°. Bonn, Peter Hanstein 1921. M. 4.50.

Das Bonner Florilegium patrifticum bringt neuerdings
auch mittelalterliche Texte. Indem mirvorliegenden i4.Heft
sind die Quäftionen aus dem ersten Teil der Theologischen
Summe des Thomas abgedruckt. Der Text schließt sich
der Editio Leonina an. In den Anmerkungen werden
lämtliche Stellen aus den Kirchenvätern, Ariftoteles,
Averroes etc., auf die Thomas Bezug nimmt, genau nach-
gewiefen und zum Teil abgedruckt. Eine kurze Einführung
charakterifiert die wefentlichen Eigentümlichkeiten
der thomiftifchen Pfychologie und gibt Auffchluß
über Anlaß und Inhalt der einzelnen Artikel fowie über
die Aufnahme, die sie bei Duns Scotus und anderen Gegnern
des Thomas gefunden haben. Zum Schluß ift der
28. Artikel aus dem berühmten Correctorium fratris Thomae
des Wilhelm de la Mare (ca. 1280) abgedruckt. So hat
derfclerausgeber alles getan, um den Text für akademifche
Übungen oder zum Selbftftudium zweckmäßig herzurichten.
Dabei find die betr. Quäftionen gut ausgewählt, denn ohne
fich zu sehr in Einzelheiten zu verlieren, führen fie in
die Hauptprobleme der thomiftifch-ariftotelifchen Pfychologie
ein und laffen zugleich die wefentlichen Gegenfätze
erkennen, die zwifchen ihr und der älteren franziskanifch-
auguftinilchen Pfychologie beliehen, von welch letzterer uns
jüngft H. Spettmann in feinem Buch über die Pfychologie
des Johannes Pecham eine eingehende Darftellunggelchenkt
hat. Das pfeudoauguftinifche Werk De spiritu et anima,
das eine fcharf zugefpitzte Darfteilung der auguftinifchen
Pfychologie bietet und das neuerdings Aicher von Clairvaux
beigelegt wird, ift Thomas bekannt, wird aber von ihm
als unecht abgelehnt (Iq 77a 8 ad l Von befonderem
Intereffe ift der Beweis der Unfterblichkeit der Seele bei
Thomas, die, da fie ein subsistens per se und nicht per
accidens ift, dem corrumpi nicht unterliegen' könne
(q. 75 a. 6). Duns Scotus hat bekanntlich diefen Beweis
famt feiner Vorausfetzung als nicht zwingend abgelehnt
(in sent. IV d. 43 q. 2). — Im übrigen sei die treffliche
Ausgabe theologlichen und philofophifchen Seminaren
beftens empfohlen.

Berlin. R. Seeberg.