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Ausgabe:

1922

Spalte:

380

Autor/Hrsg.:

Messer, August

Titel/Untertitel:

Weltanschauung und Erziehung 1922

Rezensent:

Buchenau, Artur

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Seite 1

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379 Theologifche .Literaturzeitung 1922 Nr. 16/17. 380

tos hat Bedenken. Alle folche Abweichungen vom hifto-
rifchen Verlauf bergen die Gefahr in fich, daß man fich
wichtige Motive der Entwicklung und damit fchließlich
auch ihren „Sinn" verdeckt und in Konftruktionen verfällt
. Diefer Gefahr fcheint mir der Verfaffer auch
bei der Darftellung Piatons nicht entgangen zu fein, wenn
er das pulfierende Denken diefes lebendigften unter den
Philofophen ganz fchulmäßig in eine Götterlehre, Sittenlehre
, Naturlehre u. a. m. zerlegt. Doch bilden die mit
vielfachen kritifchen Bemerkungen durchfetzten Bände
eine, wenn auch in manchen Einzelheiten nicht immer
überzeugende — ift es wirklich ernft gemeint, daß alle
wefentlichen Momente des Berkeleyfchen Idealismus in der
Lehre des Ariftippos vorgebildet feien? —, fo doch inte-
reffante und anregende Einführung.

Königsberg i. Fr. Goedeckemeyer.

Höffding, Harald: Bemerkungen Uber den platomTchen Dialog
Parmenides. (65 S.) gr. 8°. Berlin, L. Simion Nf.
1921. M. 6—.

Von den beiden Abfchnitten, die H. im Farm, unter-
fcheidet, enthält in feinen Augen der erfte eine Kritik
der Ideenlehre, die jedem Verfuch einer Metaphyfik gegenüber
Interesse hat, während er den zweiten für einen bloßen
von Schülern unbedacht herausgegebenen Entwurf hält.
Demgemäß befchäftigt fich feine Arbeit befonders eingehend
mit der Interpretation und fachlichen Bedeutung
des erften Teiles, ohne freilich wefentlich Neues zu
bringen. Seine abfprechende Beurteilung des zweiten
Teiles fcheint mir nicht berechtigt. Er enthält doch
wohl die für Piatons Entwicklung wichtige Phafe der
Ablöfung vom Eleatismus (vgl. Arch. 1901 S. 446t.). H.
greift aus ihm nur einige Kragen heraus, unter denen
die Erörterung des Begriffs des Plötzlichen in Piatons
Philofophie befondere Beachtung beanfpruchen darf. Den
Schluß bildet ein Blick auf die Nachwirkung des Parmenides
in den fpäteren Dialogen. Ich erwähne daraus
die Stellung des Theaitetos hinter den Parin. (47) und
die Interpretation von Tim. 53 d als Hinweis auf Atome
dritten Grades (?). Auch das Verhältnis Kant-Plato wird
gelegentlich, natürlich abweichend von der Marburger
Auffaffung, gestreift (vgl. bes. S. 19).

Königsberg i. Pr. Goedeckemeyer.

Mercier, Kardinal D.: Psychologie. Überfetzt und mit
einer Einleitung verfehen von L. Habrich. I.Band:
Das vegetative und das finnliche Leben. Mit vier
Tafeln. 2.Band: Das Verftandes- oder Vernunftleben.
Zweite, nach der neunten Auflage d. Franzöfifchen
ergänzte und verbefferte Auflage. (XIII, 388 S. u.
VII, 362 S.) gr. 8°. Kempten, J. Köfel & F. Puftet
1921. je M. 40 —; geb. M. 48 —

Es handelt fleh um eine Neuauflage der Habrichfchen
Überfetzung von Kardinal Merciers bekannter „Psychologie
", die ihrerfeits in zahlreichen Auflagen erfchienen
ift und urfprünglich Ipeziell für die, an der Univerfität
Löwen den Kandidaten-Kurfen in Philofophie und Literatur
folgenden, Studierenden beftimmt war. Das Buch
hat fich allmählich zu zwei anfehnlichen Bänden ausge-
wachfen, von denen der erfte das „vegetative" und das
„finnliche Leben" befpricht, während der zweite das
„Verftandes- oder Vernunftleben" zum Thema hat und
in drei Abfchnitten von der „Natur" der menfehlichen
Seele, von ihrem „Urfprung" und ihrer „Beftimmung"
handelt, um mit einer lummarifchen Auseinanderfetzung
über das Wefen der Unfterblichkeit zu fchließen.

Der Inhalt und Charakter des Werkes wird wohl in
gebotener Kürze am beften gekennzeichnet durch den
Hinweis darauf, daß es eine Schöpfung des Neu-Tho-
mismus ift, wie er bereits unter Zuftimmung Leos XIII.
befonders in Löwen fich ausgeprägt hat, und wie er feinen
Eigentümlichkeiten nach in einem längeren Vorwort
des Überfetzers noch einmal ausdrücklich befchrieben

wird: es fei damit nicht auf eine bloße Wiederholung
des alten Thomismus abgefehen; es werde auch nicht
nur zu dem Zwecke, das Dogma zu beweifen, der Philofophie
Studium und Intereffe gewidmet; vielmehr müffe
diefe wohl im Dienft der Kirche, jedoch durchaus um
ihrer felbft willen betrieben werden. Ihre Bearbeiter
haben fich ernftlich mit zu beteiligen an den Beftrebungen
der modernen Forfchung, fei es auf dem Gebiet der Na-
turwiffenfehaft im allgemeinen, fei es auf dem der Biologie,
felbftverftändlich auch auf dem der experimentellen Pfy-
chologie. Die „ariftotelifch-fcholaftifche Philofophie" habe
dann nur den „erweiterungsfähigen Rahmen" abzugeben,
in welchem „die Ergebniffe der modernen Wiffenfchaft
gefammelt" werden; oder „fie folle das Fundament fein,
auf welchem das wiffenlchaftliche Gebäude errichtet,
das Einzelvviffen in einer überfchauenden Synthefe zu-
fammengefaßt werden" kann. „Ein Schüler des hl. Thomas
im 20. Jahrhundert kann nur ein Mann feiner Zeit
fein, der fleh mit den Problemen von heute befchäftigt,
aber der durchdrungen ift von der Lehre des Meifters,
um die Löfung diefer zu finden."

Dem fo charakterifierten Programm gemäß wird
ziemlich getreu verfahren. Es findet in der Tat eine
nicht ungefchickte Kombination der geficherten Ifrgeb-
niffe felbft der neueften Forfchung mit der ariftotelilch-
thomiftifchen Auffaffung und Metaphyfik ftatt. Das Werk
ift denn auch wiederholt fchon in feinen früheren Auflagen
von ausgefprochen proteftantifchen Philofophen und
Kritikern, wie beifpielsweife R. Eucken und anderen, bei
allen unvermeidlichen und berechtigten Vorbehalten als
eine in hohem Maße achtungswerte Leiftung beurteilt
worden: eine Einfehätzung, der auch hier unter denfelben
Vorbehalten nicht anders als zugeftimmt werden kann.
Gießen. E. W. Mayer.

Meiler, Prof. Dr. Auguft: Weltanlchauung und Erziehuny.

(VIII, 126 S.) 8°. Ofterwieck a. Harz, A. W. Zickfeldt,
1921. M. 10—.

Meffer fteht auf dem Boden des ethifchen Idealismus
Fichtes, vertritt aber erkenntnis-theoretifch einen
dem Külpefchen Realismus verwandten Standpunkt. In
leiner neuen Schrift erörtert er die großen Fragen der
Welt- und Lebens-Anfchauung gerade in ihrer Bedeutung
für den Erzieher und Lehrer. Mefler möchte zu kritifchem
Sinn und eigenem Nachdenken, dabei aber doch zugleich
zur Ehrfurcht vor Menfchentum nnd zu gefchichtlicher
Befinnung erziehen. Er behandelt alfo die philofophilchen
Hauptprobleme: Erkenntnis — Wirklichkeit — Wert —
Freiheit — Religion in ftetem Hinblick auf die pädago-
gifchen Zufammenhänge. Das Büchlein ift in leicht ver-
ftändlicher Art und Weife gefchrieben, ohne an der
Oberfläche zu verbleiben. Auch für denjenigen, der
felber vielfach fich anders zu den behandelten Problemen
einftellt, bietet es viel Anregendes und Bedeutfames. Als
erfte Einführung kann es alfo durchaus empfohlen werden.
Berlin. Arthur Buchenau.

Geyser, Prof. Jofeph: Neue und alte Wege der Philosophie. Eine

Erörterung der Grundlagen der Erkenntnis im Hinblick auf Edmund
Hufferls Verfuch ihrer Neubegründung. (X, 302 S.) gr. 8°. Münder
i. W., Schöningh 1916. M. 6.60

(Für die Verzögerung der Befprcchung trifft weder die Schriflleitung
noch den gegenwärtigen Referenten eine Schuld.)

Eine doppelte Aufgabe hat fich der Verfaffer gedeiht: Die Gedanken
von Hufferl zu reproduzieren und zu erläutern, und in der
Auseinanderfetzung mit ihnen den eignen Standpunkt zu begründen.
Für das erde Ziel wird ihm Dank wiffen, wer die Schwierigkeit der
Hufferlfchen Gedanken nach Gehalt und Terminologie kennt. Ift es
doch fad ein fortlaufender Kommentar, den Geyfer zu den Grundideen
Hufferls gibt. — Das andere Ziel ift die Widerlegung des Hufferlfchen
Idealismus und der Verfuch, auf realiftifchem Boden die phänomeno-
logifche Methode fruchtbar zu machen. Es ift der fchwankende Begriff
des Seins, den er mit Energie zur Klärung zu bringen fucht,
fpcziell des „Seins" der Wefenheiten, die nach Hufferl nicht Realität,
wohl aber wahres Sein haben. Was ift das für ein Sein, fragt Geyfer
das nicht Realität ift? Er gibt dann die Antwort im Sinne des mittel'