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Ausgabe:

1922 Nr. 1

Spalte:

371

Autor/Hrsg.:

Ley, Conrad Albrecht

Titel/Untertitel:

Kölnische Kirchengeschichte von der Einführung des Christentums bis zur Gegenwart. 2., umgearb. Aufl 1922

Rezensent:

Levison, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 16/17.

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fchieden. Insbefondere diefe Feftftellung berührt wohltuend
, und mehr noch, daß die Tat dem Wort entfpricht.
Es ift wirklich erfreulich, daß Funks verföhnlicher Geift
auch leinen Nachfolger befeelt, und daß fich deffen wif-
fenfchaftliches Können vor dem des alten Meifters nicht
zu verftecken braucht. Man wird deshalb fagen dürfen,
daß die katholifchen Studierenden und Pfarrer, die zu
diefem Buche greifen, gut beraten find. Es ift in allen
feinen Teilen mit Sorgfalt nach dem neueften Stand der
Forfchung durchgearbeitet. Auch der jüngften Entwicklung
ift gebührende Aufmerkfamkeit gefchenkt. Daß
der Proteftantismus nicht mit der gleichen Ausführlichkeit
bedacht wird wie die eigene Kirche, wird kein ver-
ftändig Denkender dem Verfaffer übel deuten. Was über
den Proteftantismus gefagt ift, hält fich von unfchicklicher
Polemik oder gar Ketzerriecherei völlig fern, wie denn
überhaupt der Grundton der Darftellung als vornehm bezeichnet
werden darf. Beneidenswert, aber ficher nicht
unberechtigt, ift das ruhige Vertrauen, mit dem der Verfaffer
in der Schlußbetrachtung der zukünftigen Miffion
feiner Kirche entgegenfchaut.

Gießen. G. Krüger.

Ley, Conrad Albrecht: Kölnilche Kirchengefchichte von der

Einführung des Chriftentums bis zur Gegenwart,
2., umgearb. Aufl. (X, 621 S. m. 2 Bildniffen u. 2 Ab-
bildgn.)gr. 8°. Eflen, G. D. Baedeker 1917. Geb. M. 12 —
Das Buch von Ley ift zuerft 1883 erfchienen. Die neue, umfangreichere
Bearbeitung, die der Verfaffer „in bereits vorgerücktem Alter"
beforgt hat, befriedigt wenig. Ich denke dabei nicht fo fehr an den
Einfluß, den fein katholifcher Standpunkt mehr als nötig auf die Auf-
faffung gefchichtlicher Vorgänge geübt hat, und auch über den Gedanken
, den Hauptabfchnitten als Einleitung kaum zugehörige erbauliche
Betrachtungen apologetifcher Art vorauszufchicken, foll bei einem
offenbar für weitere Kreife beftimmten Buche mit dem Verfaffer nicht
gerechnet werden. Er hat auch, wie die Zufammenftellung dei Quellen
und Hilfsmittel zeigt, vielerlei gelefen und fo eine Fülle von Tatfachen
zufammengetragen. Aber während fo manche längft veraltete Schrill
verzeichnet ift, vermißt man dafür grundlegende Arbeiten aus neuerer
Zeit, die kaum fehlen durften, und man vermißt daher auch Gefichts-
punkte, die Berücksichtigung hätten finden follen. Die Darfteilung ift vielfach
eine ziemlich äußerliche Kompilation; wie wenig es teiiweife dem
Verfaffer gelungen ift, die Gefchichte der Kölner Kirche in wirkliche
Beziehung zur allgemeinen Entwicklung zu fetzen, darüber können
allerlei Lefefrüchte kaum hinweghelfen, die mitunter mit dem Gegen-
ftand des Buches in keiner oder nur in lofer Verbindung flehen. So
verzichte ich darauf, im einzelnen den Mangel an methodifcher Kritik,
Unkenntnis neuerer Forfchungen, Lücken und Fehler nachzuweifen und
verweife nur noch auf das ähnliche Urteil, das J. Greven im Hiftori-
fchen Jahrbuch 40 (1920}, S. 306 über das Buch gefällt hat.

Bonn. Willi. Levifon.

Uetz mann, Prof. D. Plans: Das Sacramentarium Grego-

rianum nach dem Aachener Urexemplar. Mit Re-
giftern v. Heinr. Bornkamm. (Liturgiegefchichtliche
Quellen in Verbindung mit andern hrsgeg. v. Dr. P.
K. Mohlberg u. Dr. A. Rücker, H. 3.) (XLVIII, 186 S.)
gr. 8°. Münfter, Afchendorff 1921. M. 60 —

Die vorliegende Ausgabe knüpft an Studien an, die
Lietzmann für fein 1915 erfchienenes Buch über „Petrus
und Paulus in Rom" (S. 21 ff.) begonnen hatte. In der
Gefchichte der Römifchen liturgifchen Quellen ift die
Überfendung des Gregor dem Großen zugelchriebenen
Sakramentars durch Papft Hadrian I. an Karl den Großen
in den fahren 784—791 einer der wenigen ganz
feften Punkte, gegeben durch einen Brief des Codex
Carolinus; feitdem verbreitet fich das Sakramentar im
Frankenreich, deffen kirchlichen Brauch mit dem Römifchen
in Übereinftimmung zu bringen Karl ja bemüht
gewefen ift. Gleichwie Handfchriften der Collectio Dio-
nysio-Hadriana auf das vom felben Papft Karl 774 ge-
fchenkte Exemplar zurückgehen, fo enthalten nun auch
Abfchriften des Gregorianums in der Überfchrift den
Vermerk, daß fie aus dem in der Hofbibliothek (vermutlich
zu Aachen) aufbewahrten „Mufterexemplar", dem
„authenticum" — unmittelbar oder mittelbar — gefloffen
feien. Neben diefem Hauptzweige der Überlieferung

gibt es einen zweiten aus der gleichen Wurzel: ein Zeit-
genoffe Karls, wie Bäumer gezeigt hat, Alkvin (für das
Zeugnis des Bibliothekskatalogs von St. Riquier S. XXI
ift auch die Ausgabe des Hariulf III, 3 von F. Lot zu
nennen, Collection de textes pour servir ä l'etude et ä
l'enseignement de l'histoire [17], 1894, S. 93), hat eine
kritifche, von Fehlern gereinigte Ausgabe des Gregorianums
hergeftellt, das er durch Plinzufügung eines Anhangs
mit Gebeten befonders aus dem längft nördlich
der Alpen verbreiteten Gelasianum dem heimifchen Gebrauch
anpaßte; diefe Bearbeitung Alkvins ift die zweite
Quelle zahlreicher Handfchriften des Sakramentars geworden
. Durch den Vergleich der beiden, fchon in Abfchriften
des 9. Jahrhunderts vorliegenden Überlieferungsformen
läßt fich, wie L. in der Einleitung aufs neue begründet
, der Wortlaut des von Hadrian überfandten
Textes herftellen und damit in diefem „Aachener Urexemplar
", das fchon durch manche Fehler entftellt war,
ein fefter Ausgangspunkt gewinnen fowohl gegenüber den
zahlreichen jüngeren Mifchtexten und Bearbeitungen wie
auch für Verfuche, über die Zeit Hadrians zurück zum
wirklichen Gregorianum und weiter zum urfprüngliclien
Wortlaut der einzelnen teilweife auch fonft überlieferten
Gebete vorzudringen.

L. hat keine in allen Äußerlichkeiten abfchließende,
unter den heutigen Verhältniffen fchwer durchführbare
Ausgabe des Aachener Textes geben wollen, die auf der
Heranziehung wenigftens aller älteren Handfchriften begründet
fein müßte; aber er ift diefem Ziele bei aller
Befchränkung durch gefchickte Auswahl der Hilfsmittel
fehr nahegekommen. Er hat von den beiden Zweigen
der Überlieferung je einen alten Vertreter zugrunde gelegt
, von dem „authenticum" die Handfchrift Cambrai
159 (164) vom Anfang des 9. Jahrhunderts (vor 825; der
beftimmte Anfatz auf 812 ift zweifelhaft, da das Anfangsjahr
Bifchof Hildoards von Cambrai keineswegs feftfteht;
vgl. Duchesne, Fastes episcopaux de l'ancienne Gaule III,
1915, S. 112), von der Bearbeitung Alkvins den kaum
viel jüngeren Vaticanus Ottobon. 313; nur dort, wo diefe
zwei ihm durch Photographien zugänglichen Zeugen nicht
übereinftimmen, hat er Hilfszeugen herangezogen, vor
allem den Vaticanus Reg. 337 (um 870) nach dem Abdruck
bei H. A. Wilfon, The Gregorian sacramentary
under Charles the Great (Henry Bradshaw Society, vol. 49,
1915) und die Ausgabe des Pamelius von 1571, und weitere
Dienfte leiftete die Beobachtung der Parallelftellen
im Gregorianum felbft (ich trage nach: 41,2 = 42,1; 44,4
vgl- 193,5; 138,3=1,29) und in den anderen Römifchen
Sakramentarien, namentlich dem Leonianum und Gelasianum
, Parallelen, die L. forgfältig unter dem Text vermerkt
hat (die fchwerlich jedem Benutzer geläufigen Abkürzungen
Fr und Go füllten im Verzeichnis der Siglen
S. XLVIII erklärt fein, ebenfo die Bezeichnung der
erften Hand durch ein .Sternchen). Die Ausgabe von L.,
über deren Grundlagen und Grundfätze die Einleitung ausführlich
unterrichtet, hat ihr Ziel zweifellos in allem We-
fentlichen erreicht, und eine umfaffendere Heranziehung
der Überlieferung wird höchftens Änderungen in Nebenfächlichem
ergeben; fo haben die Mitteilungen von Frere
über die Parifer Handfchrift 12050 im Journal ofTheolo-
gical studies 18 (1916), die L. nur mehr am Ende der
Einleitung und in der Inhaltsüberficht (S. XLVf. und
IXff.) verwerten konnte, kleine Abweichungen von der
im Cameracensis nur trümmerhaft vorliegenden, vom Herausgeber
ergänzten Kapitelzählung gebracht, und über die
Bewertung der einen oder anderen vereinzelten Lesart mag
man auch fonft anders urteilen. So ift in Nr. 211,15) wohl nur
'pereeptorum' in 'pereepturum' zu verbeffern. Der Apparat
hätte vielleicht um einige belanglofe rein orthographifche
Varianten des Ottobonianus entlaftet werden können, während
genauere Beobachtung der im 8. Jahrhundert gerade
in Rom begegnenden Schreibeigentümlichkeiten zur Aufnahme
einzelner Lesarten des Cameracensis in den Text