Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1922 Nr. 1

Spalte:

367-368

Autor/Hrsg.:

Goldstein, Julius

Titel/Untertitel:

Rasse und Politik. 2., verb. Aufl 1922

Rezensent:

Bischoff, Erich

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

367

Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 16/17.

368

metaphyfifchen Fragen nur ein „vornehmes Schweigen"
hat (114fr.). Demgemäß wird auch in der Darfteilung
der Lehre die Diskuffion der Formeln zurückgeftellt, bis
durch Darfteilung des Glaubens, der fittlichen Anweifung
u. der Meditation die Grundvorausfetzungen für ihr Ver-
ftändnis gewonnen find. Ziel der Meditation ift die Überwindung
des an die Sinnlichkeit gebundenen Denkens;
im Aufftieg von einer Bewußtfeinsftufe zur andern wird
jede in der nächfthöheren überwunden u. erfcheint dann
als wefenlos. Die einzelnen Bewußtfeinsfphären gelten
dabei zugleich als beftimmte Weltfphären. Auch die
Götterhierarchien find rein geiftige überfinnliche Wefen-
heiten, zu denen ein beftimmter Zuftand der Meditation
erhebt u. über die eine größere Konzentration der Meditation
wieder hinausführt. Als Ergebnis jenes hellfich-
tigen Schauens, wie es Buddha felbft geübt hat, ergibt
fich dann die Erkenntnis der Wahrheiten vom Leiden u.
feine Überwindung. Es gilt nun, das gewöhnlich Unterbewußte
, die in ihm wirkfamen Bildekräfte (samskära) in
der Meditation gleichfam heraufzuholen u. in die Sphäre
des Bewußtfeins zu erheben, fo fie in ihrer Wefenlofig-
keit zu erkennen, u. damit den Keim zur Wiedergeburt
zu vernichten; denn der ganze Werdeprozeß beruht auf
Urirrtum; er hat kosmifche Natur (II, 38, 105 f.). Hier
wie fonft wird Buddhas Anfchauung aus dem Gedankenkreis
des Yogasutra heraus verftanden, eine Interpretation,
die etwas fehr Einleuchtendes hat, aber von erften Kennern
wie Oldenberg u. O. H. Franke abgelehnt wird.

Auf alle Fälle haben wir B. zu danken, daß er in
bewußtem Gegenfatz zur atheiftifch-rationaliftifchen Auf-
faffung des Buddhismus die religiöfen Züge, die ihm eignen,
fcharf herausgearbeitet hat. Von Hinwendung zu über-
finnlicher Erkenntnis u. heiligem Leben ift jedes Wort des
Buddha durchweht. „Es gibt, ihr Jünger, ein Ungeborenes,
Ungewordenes, Ungefchaffenes, nicht aus den Bildekräften
Entftandenes", fonft würde für das Entftandene kein Ausweg
zu erkennen fein. Nirwana bedeutet zwar für alles,
was mit dem Schein u. Schatten der Perfönlichkeit zu
tun hat, die denkbar vollftändigfte Vernichtung (denn zu
einem höchften Ich über den relativen dringt er nicht
vor II 72), aber dies Nichts ift höchfte Realität, Sphäre
des Unfterblichen, Ewigen. Daher ift auch von einer
eigentlich peffimiftifchen Stimmung in den Quellen
nichts zu finden, fondern die Stimmung ift überall eine
fchlichte, ruhige Heiterkeit, der der errungene Sieg über
das Weltleiden das charakteriftifche Gepräge gibt (II 90).
Berlin. Titius.

Adeney, H. M. A.: The Jews of Eastern Europe. With four
illustrations. (Tewish Studies. Edited by A. Lukyn
Williams, D. D.) (94 S.) 8°. London, Society für
Promoting Chriftian Knowledge 1921. 3 sh 6 d

Goldftein, Prof. Dr. Julius: Raffe und Politik. Zweite,
verbefferte Auflage. Mit einer Vorrede über Chriften-
tum, Deutfchtum u. Judenfrage v. Lic. Dr. H. Frick.
(158 S.) Schlüchtern, Neuwerk Verlag 1921. M. 14 —

Röder, Adam: Reaktion und Antifemitismus. Zugleich ein
Mahnwort an die akademifche Jugend. Zweite, unveränderte
Auflage. (VIII, 136 S.) gr. 8°. Berlin, C. A.
Schwetfchke & Sohn 1921. M. 13.50

Sokolow, Nahum: Gefchichte des Zionismus. Der Zionismus
während des Krieges. Aus d. Englifchen übertragen
v. Dr. Lothar Hofmann. (II, 175 S.) 8°. Wien,
Interterritorialer Verlag .Renaissance'. M. 35 — ;

geb. M. 42 —

Adeney ift englifcher Judenmiffionar in Rumänien,
fein Buch eines der vernünftigften und am praktifchften
orientierenden über das Oftjudentum — greifbare Tatfachen
ohne überflüffige Worte. Kap. I—V behandeln
das Oftjudentum in Oft- und Südoft-Europa vor und nach
dem Kriege, Kap. VI (im Ggf. zu manchen anderen
Schriften) fehr offen, ernft und männlich die den allgemeinen
Antifemitismus begründenden Tatfachen und

die Mittel dagegen, Kap. VII—XII den Ghettojuden in
Haus und Stadt, die oftjüdifche Sprache und Literatur,
die Erfcheinungen des oftjüdifchen religiöfen Lebens, den
Zionismus, Chriftentum und Oftjuden, die gegenwärtige
Lage. Das Buch verdiente eine deutfche Überfetzung.
Gegenüber feiner etwas allzufchroffen Beurteilung der die
größere Hälfte des Oftjudentums bildenden Chaffidim
möchte ich auf die Schriften von Horodezky (Religiöfe
Strömungen im Judentume, Bern 1920) und Levertoff
(Die religiöse Denkweife der Chaffidim, Leipzig 1918)
verweifen, welche die vielen, gerade für Judenmiffionare
wichtigen Berührungspunkte der chaffidifchen Literatur
mit dem Chriftentume dartun. — Goldfteins Polemik
behandelt: Befonderheiten des Antifemitismus, Antiteu-
tonismus und Antifemitismus, Entftehung und Ausbreitung
der Raffentheorie, Von der nationalen Idee zum Nationalismus
, Ift Nation Abftammungsgemeinfchaft?, Sind
Raffe neige nfchaften feftftellbar?, Religion und Raffe. Im
Ggf. zu der höchft überflüffigen Vorrede ift G.'s Buch
eine gefchickte und materialreiche Streitfchrift gegen die
Anwendung eines falfchen bzw. unklaren Raffebegriffs
auf die Juden; den auf diefe cum grano salis anwendbaren
.Raffe'-Begriff ftreift er nur flüchtig in einer Anmerkung
. — Der Titel von Röders Schrift deckt fich
nicht fcharf mit dem Inhalte, der fich über Nationalismus
und Staatsgefinnung, Antifemitismus, das religiös-ethifche
und das fozial-wirtfchaftliche Problem, endlich über Oft-
elbiertum und Preußengeift verbreitet. Über das religiös-
ethifche Problem (nur diefes kommt für uns aus dem
Inhalte in Betracht) wird hier von einem redlich bemühten
Laien manches Gute, aber nicht eben Neues und genügend
in die Tiefe Gehendes gefagt. — Der Titel von Sokolows
mangelhaft überfetzter Schrift führt den Käufer irre;
diefer erhält nur den letzten Teil des S.'fchen Werkes,
den .Zionismus während des Krieges', eine Verherrlichung
der Ententepolitik inbezug auf Paläftina und Zionismus
und den unbeabfichtigten Nachweis der anlideutfchen
zioniftifchen Kriegspolitik. Bezeichnend erfcheint das
Zitat auf S. 145: ,Es ift in diefem Kriege das unfchätz-
bare Vorrecht der Alliierten gewefen, diefes durch Religion
und Gefchichte geheiligte Land aus der frevlerifchen
Hand der Deutfchen und Türken . . . errettet zu
haben'.

Leipzig. Erich Bifchoff.

Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte

unter Mitwirkung von Geh. Kon f. Rat D. Ph. Meyer in Hannover
und Geh. Konf. Rat Prof. D. Mirbt in Göttingen herausgegeben
von D. Ferd. Cohrs, Konfiftorialrat und Superintendent der Graf-
fchaft Hohnflein in Ilfeld. 23. Jahrg. 1918. (171 S.) und 24. Jahrg.
1919 (120 S.) Braunfchweig, A. Leimbach.

Wenn der 23. und 24. Jahrg. erft nach dem in Nr. 6 Sp. 139 angezeigten
25. Jahrg. zur Anzeige kommen, fo hat dies nicht feinen
Grund in einer Saumfeligkeit des Ref., der die beiden Jahrg. erfl vom
Verlag einfordern mußte, nachdem er entdeckt hatte, daß lie noch nicht
zurBefprecluing gekommen waren. Im 23. Jahrg. S. 1—94 gibt Geh. Konf. Rat
und Generalfuperintendent a. D, Dettmer ein fehr wertvolles ausführliches
Lebens- und Charakterbild von Abt D. Velthufen, Paftor prim.,
Generalfuperintendent und Profeffor der Theologie in Helmftedt 1778 bis
1789. Wir fehen einen ungemein fleißigen, tatkräftigen Vertreter der
drei Ämter, der in den 11 Jahren unendlich viele Kämpfe auszufechten
hatte, ohne daß man ihm mit Recht den Vorwurf des Eigenfinns und
der Streitfucht machen durfte. Denn die Verhältniffe waren eigenartig
genug. Die Verpflichtung zum Amt ftellte nach Veithufens Auffaffung
die Agende, das Werk menfehlicher Hände, mit den Bekenntniffen des
corpus doctrinae, die auf der hl. Schrift als dem Wort Gottes beruhe,

j auf eine Stufe, weshalb er Bedenken trug, die Verpflichtung in der
herkömmlichen Weife auf fich zu nehmen. Eigenartig ift die Zufam-

j menfetzung des Konfiftoriums aus 2 Räten in Braunfchweig und 2 in
Woltenbüttel. Schwierig war das Verhältnis zu den Diakonen, die im
Lauf der Zeit Rechte in Anfpruch genommen hatten, die allein dem
Paftor zukamen, wie die Konfirmation. Als Generalfuperintendenten
gelang ihm die Entlaftung von der Sorge um die Temporalien in der
Gemeinde bei der Vifitation. Für das Schulwefen ift merkwürdig, daß
fich noch Refte des Gregoriuslefies aus dem Mittelalter in Helmftedt
erhalten hatten, die jetzt abgefchafft wurden. Sehr zu beachten ift der

I Zufammenftoß mit Campe, der das ganze Schulwefen des Herzogtums

] in feinem Geift umgeftaltcn wollte.