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Ausgabe:

1922

Spalte:

17-18

Autor/Hrsg.:

Lehmkuhl, Augustinus

Titel/Untertitel:

Quaestiones praecipuae moreles novo iuri canonico adaptatae, quas pro appendice theol. moralis breviter collegit A. L 1922

Rezensent:

Hoensbroech, Paul

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Seite 1

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1/ Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. r. 18

eine Illufion ift. Gefegnet die Illufion, die uns das Leben
lebenswert macht' (224). — Alfo eine neue Spielart der
moniftifchen Ethik mit geringer Selbftändigkeit (der Hinweis
auf die .unheimliche Unverftändlichkeit' des Lebens wird
nirgends fruchtbar); eine ernfte Auseinanderfetzung mit
der religiöfen oder idealiftifchen Ethik fehlt völlig.
Marburg. Stephan.

Rehmke, Johannes: Ethik als Wiffenlchaft. Ein Vortrag,
gehalt. an der 2. Tagung der Johannes-Rehmke-Ge-
fellfchaft den 10. X. 1920 zu Greifswald. (31 S.) 8°.
Greifswald, Ratsbuchhdlg. L. Bamberg 1920.

M. 2.50

R. fieht weder in der Klugheits- (Nützlichkeits-) Ethik
noch in den verfchiedenen Eormen der Pflichtethik den
Tatbeftand des Sittlichen erfaßt. Denn beide fcheinen
ihm der Tatfache der felbftlofen Willenshandlungen nicht
gerecht zu werden. Sie finden daher keine eindeutige
Beftimmung des Sittlichen und find alfo nicht ftrenge
Wiffenfchaft. .Die Ethik als Wiffenfchaft hat als Wiffen-
fchaft vom Sittlichen das felbftlofe Willenshandeln des
menfehlichen Bewußtfeins zum Gegenftande' (S. 25).
Selbftlofes Wollen und Handeln nun ift ftellvertretendes
Wollen und Handeln, ift im Grunde ein Willenshandeln
aus Liebe. Die Ethik der Liebe ift demnach die Ethik
als Wiffenfchaft. Freilich das gefamte Willenshandeln
der Menfchen wird nicht durch fie erfaßt. Es wird tat-
fächlich auch durch Klugheit und Pflicht geleitet. Und
fo bleiben in einem nicht näher beleuchteten Sinne neben
oder unterhalb der Liebesethik auch die beiden andern
beftehen. — Schon diefe Stichworte zeigen, daß R. in
eigenartiger, felbftändiger Weife verflicht, das Dilemma
der eudämoniftifchen und idealiftifchen Ethik zu überwinden
. Eine genauere Erörterung wird fich freilich erft
lohnen, wenn er feine knappen Sätze näher begründet
und durch Anwendung auf die wichtigften Gebiete verdeutlicht
hat. Zunächft will es fcheinen, daß er die idea-
liftifche Ethik nicht in ihrer Tiefe würdigt. Erreicht das
.Sollen' nicht gerade in der Liebe feine Vollendung, d.
h. feine Selbftübenvindung? Und gewinnt es nicht in ihr
die Brücke zum natürlichen Leben, deffen Würdigung
der eudämoniftifchen Ethik zu Grunde liegt? Man wird
den genaueren Erklärungen des neuerdings fo ftark hervortretenden
Philofophen mit Intereffe entgegenfehen
dürfen.

Marburg. Stephan.

Lehmkuhl, Auguftinus.S.J.: Quaestiones praeeipuae murales
novo iuri canonico adaptatae, quas pro appendice theol.
moralis breviter coilegit A. L. (VIII, 95 S.) 8". Freiburg,
B., Herder 1918. M. 1.60

Das Büchlein enthält eine Zufammenftellung der für
die Moraltheologie in Betracht kommenden Beftimmungen
des neuen Codex juris canonici vom Jahre 1918. Für Ausführliches
wird fortlaufend hingewiefen auf die betreffenden
Abfchnitte derTheologia moralis desfelben Verfaffers.
Auch hier muß die im neuen Codex juris canonici hervortretende
beleidigende Unduldfamkeit gegen gemifchte
Ehen hervorgehoben werden: fie können „gültig" (valide)
nur gefchloffen werden vor dem zuftehenden katho-
lifchen Pfarrer und zwei Zeugen, nicht vor einem evan-
gelifchen Pfarrer; ohne die Beteiligung der katholifchen
Pfarrer find es „wilde Ehen", Kokubinate (Can. 1094, 1099),
obwohl diefe Ausdrücke vermieden werden; und das felbft
dann, wenn die römifche Kirche die „Erlaubnis" zur Eingehung
einer gemifchten Ehe gegeben hat (Can. 1099, 2).
Es ift ein trübes Zeichen der Zeit, daß Prof. Stutz von der
Berliner Univerfität diefe römifche Beftimmung mit den
Worten billigt: „Auch des Ehefakramentes Minifter und
Empfänger kann der Proteftant werden. Dabei ift er, falls
der andere Teil dem katholischen Bekenntnis angehört,
natürlich(l) zur Beobachtung der katholifchen Ehe-
fchließungsformel verpflichtet" (Der Geift des Codex

juris canonici, Stuttgart 1918, S. 94). Stutz hat alfo kein
Empfinden dafür, daß hier das evangelifche Bekenntnis
als jedes Rechtes bar, und daß nur das katholifche Eherecht
als chriftliches erklärt wird. Ja er findet diefe, feinem
eigenen Bekenntniffe zugefügte Schmach „natürlich". Es
ift erklärlich, daß bei folcher Gefinnung Herr Stutz aut
römifch-jefuitifcher Seite lehr gefchätzt und entfprechend
gelobt wird.

Berlin-Lichterfelde. Graf Hoensbroech.

Scheffler, Karl: Sittliche Diktatur. Ein Aufruf an alle Deutfchen.
Hrsg. vom Deutfchen Werkbunde. (23 S.) gr. 8°. Stuttgart, Deutfche
Verlags-Anft. (1920). M. 1.65

Sch. zeigt, wie in der äußeren Not, in die der Krieg und ein
harter Friede unfer Volk geftürzt haben, keine andere Hilfe möglich ift
als eigene fchöpferifche Tat. Verzichten wir endlich auf alle unnötige
ausländifche Einfuhr und behelfen wir uns ftatt deffen in ftrengfter
Einfachheit mit den Erzeugniffen unferes Bodens. Vor allem aber
keinen müden und refignierten Verzicht! Es genügt nicht, daß wir uns
von der Maffenerzeugung minderwertiger Waren und von aller Talmikultur
abwenden: wir müden zur Herftellung von Qualitätserzeugnifien
auf allen Gebieten übergehen. Laffen wir fchlicßlich diefen Willen zum
unbedingt Werthaften in unteren geiftigen, wirtfehaftlichen und politifchen
Gemeinfchaften zum Ausdruck kommen: und Deutfchland wird fleh —
mit mehr Recht noch als vor dem Kriege — allen Schikanen der Feinde
zum Trotz feinen Platz unter den Völkern wieder erobern.

Göttingen. Piper.

Lessing, Theodor: Gefchichte als Sinngebung des Sinnloren.

2. Aufl. (VII, 245 S.) 8°. München, C. H. Beck 1921.

M. 26—; geb. M. 32 —
,Ich gedenke darzutun, daß ,Wirklichkeit' (die einzige,
die wir befitzen) nur von Naturwiffenfchalten übermittelt
wird, während Gefchichte, aus Wunfeh und Wille, Bedürfnis
und Abficht entfteigend, Traumdichtungen des
Menfchengelchlechtes verwirklicht. Ich gedenke die Beziehungen
des Bewußfeinsinhaltes oder Gegenftandes Gefchichte
zu den Präokkupationen, d. h. zu den Vorurteilen
und Vorwertungen der Gefchichtefchreiber unwiderleglich
klarzuftellen. Dabei wird fich dann zeigen, daß Einheit
der Gefchichte nirgendwo befteht, wenn nicht in dem Akte
der Vereinheitlichung; — Wert der Gefchichte nirgendwo,
wenn nicht in dem Akte der Werthaltung. Sinn von
Gefchichte ift allein jener Sinn, den ich mir felber gebe,
und gefchichtliche Entwicklung ift Entwicklung von Mir
aus und zu Mir hin' (S. 10). Diefe Sätze kennzeichnen
nicht nur die Abficht des Buches, fondern auch die
Schärfe, mit der es fein Ziel verfolgt. Es atmet jene
eigentümliche Mifchung von Skepfis, Beugung unter das
Naturhafte, Wirkliche und doch Selbfterhebung darüber,
: die zahlreiche hochftehende Menfchen der Gegenwart er-
| füllt; Einflüffe Nietzfches, der modernen Naturwiffenfchaft
; und des furchtbaren Schickfals, das über uns waltet,
fließen feltfam-reizvoll ineinander. Seelifche Stütze wird
bei Epikur und Buddha gefucht, am liebften in einer
gegenfeitigen Durchdringung beider, wie fie überhaupt
die moderne .Mentalität' und .Myftik' befeelt. ,Das neue
Leitbild des ritterlich bejahenden Chriftus, des nordifch-
deutfehen Buddha, des Kreuzes in Rofen, der Einheit
von Afien und Europa ward zur Gewißheit beider Stamm-
gefchlechter einfamer und vereinender Genien, der Abenteurer
und Heilande, der großen Spötter und großen
Heiligen, der Vaganten und Eremiten, derer, die kühn mit
dem Leben gefpielt, und derer, die ftolz das Leben überwunden
haben; Jünger aus dem Samen Epikurs, Mönche aus
demErbe Buddhas' (S. 244f.). Es fei genug mit diefer kurzen
Kennzeichnung. Eine Auseinanderfetzung müßte einerfeits
in einer Prüfung der Geifteshaltung und Wertfetzun«- L.s
anderfeits in einer Erörterung der .Wirklichkeit' und der
Wiffenfchaft, vor allem des fchöpferifchen Momentes in
ihr beftehen. Teilweife wird fie z. B. von Steinmann in
ZThK 1921, 5. Heft gegeben.

Marburg. Stephan.

Rohrbach, Paul: Gottes Herrfchaft auf Erden. (154 S.)
kl. 8°. Königfteini. Taunus, K. R. Langewiefche 1921.

M. 7.20